piwik no script img

91-jähriger SS-Mann angeklagt„Es war Mord“

Siert B. soll 1944 einen Widerstandskämpfer erschossen haben. Heute ist er 91 und die Dortmunder Staatsanwaltschaft hat ihn wegen Mordes angeklagt.

Muss jetzt erneut vor Gericht: Siert B. (Archivbild 1980). Bild: Nationaal Archief, Den Haag / CC-BY-SA

BERLIN taz | Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat am Montag einen ehemaligen SS-Mann wegen eines Mordes in den Niederlanden angeklagt. Der heute 91-jährige Siert B. soll 1944 als Angehöriger der Sicherheitspolizei den Widerstandskämpfer Aldert Klaas Dijkema erschossen haben.

Aldert Klaas Dijkema war am Vortag an einer Grenzstation festgenommen worden. Nach Rücksprache mit der vorgesetzten Dienststelle entschied der örtliche Kommandant, ihn ermorden zu lassen. Siert B. und ein weiterer, inzwischen verstorbener Tatbeteiligter brachten ihn mit einem Auto in eine abgelegene Gegend und forderten ihn zum Aussteigen auf, sagte Staatsanwalt Andreas Brendel der taz. Dann wurde Dijkema hinterrücks erschossen.

Die Anklage erfolgt erst jetzt, weil ein Gericht 1978 entschieden hatte, den Fall einzustellen. Diese Rechtsauffassung sei heute nicht mehr haltbar, sagte Brendel: „Es war Mord.“ Der Angeklagte bestreitet zwar, geschossen zu haben, räumt aber seine Teilnahme an der Tat ein.

Siert B., ein gebürtiger Niederländer, lebte nach dem Krieg unter falschem Namen in Deutschland. Vom „Nazi-Jäger“ Simon Wiesenthal enttarnt, wurde er in den 1970er Jahren wegen der Tötung zweier Juden zu sechs Jahren Haft verurteilt.

Das Landgericht Hagen muss nun entscheiden, ob gegen den 91-Jährigen ein Prozess eröffnet wird. Gesundheitlich scheint dem nichts entgegenzustehen. In einem „Panorama“-Interview zeigte er sich ausgesprochen rüstig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • W
    Weinberg

    Das Gericht, das 1978 das Verfahren gegen die/den SS-Schergen einstellte, hatte eine in jeder Hinsicht äußerst seltsame Rechtsauffassung. Warum hat aber die Staatsanwaltschaft damals vor den auf dem rechten Auge blinden Richtern gekuscht?

  • E
    emil

    es ist zwar positiv, wenn auf verbrechen sanktionen folgen, aber wenn dies erst ein halbes jahrhundert später geschieht stellt sich die frage, ob das nazifreundliche nachkriegsdeutschland nicht das eigentliche problem darstellt.