80 Jahre Bücherverbrennung: Apokalyptisches Volksfest

1933 verbrannten die Nazis ihnen unliebsame Bücher. Erich Kästner schrieb mehrere Texte über diese Schandtat, die nun in Buchform erschienen sind.

Die meisten lebenden Autorinnen und Autoren, deren Werke dem Autodafé zum Opfer fielen, waren emigriert – nicht jedoch Kästner. Bild: ap

Vor genau 80 Jahren wurden auf dem Berliner Bebelplatz und an vielen anderen Orten in Deutschland Bücher verbrannt. Geplant wurde diese Bücherverbrennung von der nationalsozialistischen Deutschen Studentenschaft.

Diese kündigte 1933 an: „Die Deutsche Studentenschaft plant anlässlich der schamlosen Gräuelhetze des Judentums im Ausland eine vierwöchige Gesamtaktion gegen den jüdischen Zersetzungsgeist und für volksbewusstes Denken und Fühlen im deutschen Schrifttum. Die Aktion beginnt am 12. April mit dem öffentlichen Anschlag von zwölf Thesen ’Wider den undeutschen Geist‘ und endet am 10. Mai mit öffentlichen Kundgebungen an allen deutschen Hochschulorten.“

Man sieht, alles war generalstabsmäßig geplant. Ab dem 26. April 1933 sammelten sie „zersetzendes Schrifttum“, am 10. Mai schließlich entfachten sie die Feuer. Verbrannt wurden Werke von Karl Marx, Friedrich Wilhelm Foerster, Heinrich Heine, Kurt Tucholsky oder Sigmund Freud. Die meisten lebenden Autorinnen und Autoren, deren Werke dem Autodafé zum Opfer fielen, waren emigriert oder hielten sich versteckt, einen jedoch zog diese Barbarei geradezu an.

Es war Erich Kästner, der auch seine Bücher unter den verbrannten wusste. Er traf auf dem Berliner Opernplatz (heute Bebelplatz) ein und beobachtete das „apokalyptische Volksfest“: „Dann tauchte Goebbels auf. Er stand auf einer von Mikrofonen belagerten Estrade und gestikulierte vor dem Feuerschein wie ein Teufelchen vor der Hölle. Er zeterte, salbaderte, rief Schriftsteller bei Namen und überantwortete ihre Bücher den Flammen und dem Vergessen. Er war kein Großinquisitor, sondern ein kleiner pöbelnder Feuerwerker“, berichtete Kästner später.

Etwas zu ernst genommen

Die Texte, die er über die Bücherverbrennung schrieb, sind nun erstmals gesammelt in dem kleinen Bändchen „Über das Verbrennen von Büchern“ erschienen, das Zitat oben stammt aus dem ersten Text von 1947. Die Texte sind erschütternd, auch wenn sie etwas befremden. Die Bücherverbrennung war zwar ein deutliches Symbol dafür, was dieser im „Dritten Reich“ noch alles folgen würde, doch Kästner nimmt sie, nicht nur weil er betroffen war, sehr viel ernster als viele der anderen Naziverbrechen.

Er schreibt: „Ein Doktor der Philosophie, ein Schüler Gundolfs“ – gemeint ist Goebbels – „hatte die deutschen Studenten aufgefordert, höchstselbst den deutschen Geist zu verbrennen. Er war Mord und Selbstmord in einem. Das geistige Deutschland brachte sich und den deutschen Geist um, und der Arrangeur, auch und gerade er, war, wie er das zu formulieren pflegte, ein Arbeiter der ’Stirn‘. Es war nicht nur Mord und nicht nur Selbstmord, er war Mord als Inzest, es war, mathematisch gesagt, Massenmord und Selbstmord hoch drei.“

Selbst angesichts des nationalsozialistischen Furors ist Kästner in diesem Text, er stammt von 1953, noch nicht bereit, sich von der „geistigen Elite“ so völlig zu lösen. Ganz im Sinne der Aufklärer glaubt er noch immer daran, diese studentischen Barbaren wären durch die Literatur, gerade auch die schöne, zu erlösen gewesen. Den Irrsinn, den Ideologien hervorbringen und mit dem sie die Befallenen restlos durchwirken, versuchte er da noch zu ignorieren.

Erst angesichts der nächsten Bücherverbrennung, die man seinen Büchern antat, erkennt er das Wirken der Ideologie in seinem ganzen Ausmaß. 1965 nämlich verbrannte – mit Genehmigung der Ordnungshüter – eine große Gruppe evangelischer Eiferer am Düsseldorfer Rheinufer Bücher von Camus und Sagan, von Grass und Nabokov und eben auch von Kästner.

Nur ein „Dummerjungenstreich“

Als der Dichter sich daraufhin beim Düsseldorfer Oberbürgermeister, einem Sozialdemokraten, darüber beschwerte, wurde ihm in einem „jovialen Kaffeestündchen“ mitgeteilt, diese in Anwesenheit von christlichen Pressefotografen und Diakonissinnen geschehene Untat sei ein „Dummerjungenstreich“ gewesen, „den man nicht hochspielen solle“.

Kästner ist zutiefst verletzt und empört. Doch erst nachdem er sich an die Öffentlichkeit wandte, „erklärte der Oberbürgermeister während einer Sitzung des Magistrats, dass er nun doch das Feuerwerk am Rheinufer verurteile. Und dass es nötig sein werde, dem Amt für öffentliche Ordnung Weisungen zu erteilen, die sich nicht nur auf den Funkenflug bezögen“.

Die bittere Ironie, die hier durchscheint, zeigt, dass Kästner auch nach dem Einlenken des Oberbürgermeisters verstört blieb. Kästner, der 1974 im Alter von 75 Jahren verstarb, dürfte der einzige Autor deutscher Sprache sein, dessen Werke gleich zweimal öffentlich verbrannt worden sind. Doch er fürchtete am Ende, er werde nicht der einzige bleiben.

Erich Kästner: „Über das Verbrennen von Büchern“. Atrium Verlag, Zürich 2013, 60 Seiten, 10 Euro
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