50 Jahre Internet: Happy Birthday, Stromfresser!
Vor einem halben Jahrhundert ging es los: Das Internet wurde geboren und sagte zur Begrüßung „lo“. Seitdem ist es immer hungriger geworden.
Wäre das Internet ein eigenes Land, es läge irgendwo vor Indien und hinter den USA. Zumindest was den Stromverbrauch angeht. Rechner und Server, die E-Mails und Videos, Sprachnachrichten und Suchanfragen in kleine Datenpakete zerlegen und um die Welt schicken, Smartphones, mit denen sich Menschen durch die Stadt navigieren lassen, das hochgeladene Foto und der dazu gegebene Like – all das benötigt Energie. Strom.
„8 bis 10 Prozent des weltweiten Stromverbrauchts entstehen durch das Internet, also durch Server, durch Infrastruktur wie etwa Masten und durch Endgeräte“, sagt Steffen Lange, der am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) zum Thema forscht. Das Problem: Es wird immer mehr. Um 9 Prozent jährlich steigt der Energiebedarf durch Informations- und Kommunikationstechnologien, so haben es Wissenschaftler:innen des französischen Thinktanks The Shift Project für eine heuer veröffentlichte Studie ausgerechnet. Die Steigerung hängt an zwei Faktoren – beide führen zurück in die Anfangszeiten des Internets.
Am Dienstag auf den Tag genau vor 50 Jahren ging es los mit dem, was eines Tages ein weltweites Netzwerk werden sollte. Mit einer Verbindung zwischen der University of California, Los Angeles (UCLA), und dem Stanford Research Institute (SRI) nahe San Francisco.
Als Kommunikationsmedium, als das sich das Internet später entpuppen sollte, wählte es sein erstes Wort mit Bedacht, nämlich „lo“, was als sehr umgangssprachliches „Hallo“ durchgeht. Ebenfalls symptomatisch: Zu „lo“ kam es nur deshalb, weil der Stanforder Rechner, an den die Nachricht gehen sollte, bei der Übermittlung des nächsten Buchstabens abstürzte.
Eigentlich hätte das erste komplette Wort „login“ sein sollen, dazu kam es dann auch, und zwar am 29. Oktober 1969 um 22.30 Uhr. Leonard Kleinrock, damals Professor an der UCLA und maßgeblich an der Entwicklung des Paketaustausch-Konzepts beteiligt, drückte es in einer Präsentation zum 35-jährigen Internetjubiläum so aus: „Das Internet wurde geboren und niemand hat es gemerkt.“
Permanentes Messen
Da hatte er wohl recht. 1969 ging als das Jahr mit dem ersten Menschen auf dem Mond in die Historie ein – obwohl der, verglichen mit dem Internet, einen eher kleinen Fußabdruck hinterlassen hat. Die ersten Rechner des Netzwerks, so dokumentieren es Bilder aus den frühen 70er Jahren, hatten optisch jedenfalls mehr mit ziemlich gewagten Einbauschränken gemeinsam als mit einem heutigen Notebook. Und auch wenn ihr Stromverbrauch bezogen auf die damalige Rechenleistung deutlich höher war: Insgesamt kann ein Netzwerk mit einer überschaubaren Anzahl Knoten keine nennenswerte Strommenge verbraucht haben.
Doch seitdem hat sich die Zahl der am Netz hängenden Geräte vervielfacht. Die Mobilfunkindustrie beziffert allein die Zahl der Smartphone-Nutzer:innen für das vergangene Jahr auf 5,1 Milliarden Menschen – zwei Drittel der Weltbevölkerung. Die Zahl der mobilen Geräte ist deshalb wichtig, weil auf ihnen quasi rund um die Uhr zumindest einigermaßen aktiv Onlinedienste genutzt werden können. Und sei es, dass nachts weitere Nachrichten im Messenger einlaufen oder der Streaming-Dienst weißes Rauschen zum Schlafen abspielt.
Die steigende Zahl der Geräte ist einer der beiden Faktoren für den zunehmenden Stromverbrauch des Internets. Und selbst wenn es bei stationären Rechnern, Notebooks, Tablets und Smartphones irgendwann in Richtung Marktsättigung geht und die Wachstumskurve abflachen könnte – da kommt noch etwas. Nämlich das Internet der Dinge. Zahnbürsten und Kaffeemaschinen, die am Netz hängen, sind dabei nur eine Stromverbrauchskomponente. Die viel größere: Vernetze Geräte in der Industrie. Sensoren, die permanent den Zustand von Anlagen und Maschinen messen und die Daten weiterschicken.
„Das Wachstum war bisher immer größer als die Effizienzsteigerung, und es sieht danach aus, dass es auch in Zukunft so weitergehen wird“, sagt Ralph Hintemann vom Borderstep Institut. Er spielt damit auf den sogenannten Rebound-Effekt an. Der beschreibt, dass Geräte zwar immer mehr Rechenleistung mit immer kleinerem Energieverbrauch und Platzbedarf erbringen können und damit eigentlich ökologischer werden. Aber: Der Einspareffekt wird unter anderem dadurch aufgefressen, dass die Menschen nun häufiger neue Geräte kaufen. Und nicht nur das. Gleichzeitig nutzen sie auch immer energieintensivere Dienste. Und das ist der zweite Faktor, wenn es um den steigenden Stromverbrauch des Internets geht.
Gar nicht so schlecht, ökomäßig
Ein großes Problem: Streaming. Während vor fünfzehn Jahren beispielsweise Musik noch lokal gespeichert und dann abgespielt wurde, spielen Nutzer:innen sie heute quasi live auf einem Server ab. Das potenziert den Energiebedarf. Denn so verbraucht nicht nur das eigene Endgerät Energie, sondern auch noch die gesamte zum Streamen notwendige Infrastruktur. „Global gesehen macht Videoschauen 70 Prozent des Datenverkehrs aus“, sagt IÖW-Forscher Lange. Und: „Wir müssen dahin, dass die Effizienzsteigerungen nicht mehr durch Mehrverbrauch aufgefressen werden.“
Denn sonst steht das Internet eigentlich gar nicht so schlecht da, ökomäßig. Der Stromverbrauch von Rechenzentren lässt sich steuern, in dem diese beispielsweise gezielt in kalten Regionen der Erde errichtet werden. Das senkt den Strombedarf, der für die Kühlung notwendig ist. Zudem setzen gerade einige der großen Anbieter schon stark auf erneuerbare Energien. Google und Facebook beispielsweise schneiden laut dem Report Clicking Green der Umweltorganisation Greenpeace gut ab, was den Einsatz von Strom aus regenerativen Quellen angeht.
Lange wünscht sich daher zweierlei. Erstens: politisches Handeln. Eine CO2-Steuer würde beispielsweise das Video-Streaming teurer machen – und damit den Kauf eines Datenträgers oder das Herunterladen attraktiver. Zweitens: individuelle Verantwortung. Das klingt einfacher, als es ist. Denn dass es ökologischer ist, ein Smartphone nicht im Jahrestakt zu ersetzen, leuchtet wahrscheinlich noch ein. Wer aber hätte das Folgende gewusst: „Im Bereich lesen ist es ressourcenschonender, das digital zu machen“, sagt Lange. Also: E-Book schlägt das Buch, das E-Paper die Zeitung. Zumindest dann, wenn das genutzte Gerät – siehe oben – so lange wie möglich genutzt wird.
Denn der Strombedarf des Internets ist bei der Nutzung von Servern, Masten und Endgeräten leider nicht zu Ende. „Bei einem Smartphone entfallen 80 Prozent der Energie auf die Herstellung“, sagt Hintemann vom Borderstep Institut. Der Fußabdruck des Internets, er ist nicht nur so groß wie der eines Landes. Sondern auch genauso kompliziert.
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