47 Flüchtlinge können in Sizilien an Land: „Sea-Watch 3“ im sicheren Hafen
Nach 12 Tagen auf hoher See werden die Flüchtlinge von mehreren europäischen Staaten aufgenommen. Italien könnte gegen die NGO vorgehen.
Für die 47 Flüchtlinge und MigrantInnen auf der „Sea-Watch 3“ gab es, endlich, eine Lösung: Nach zwölf Tagen an Bord des Rettungsschiffes führten Polizisten sie am Mittwochnachmittag im Hafen von Catania auf Sizilien an Land. Deutschland, Frankreich, Portugal, Malta, Rumänien und Luxemburg hatten sich bereit erklärt, die Menschen aufzunehmen. Offen hingegen blieb, was mit der Crew geschehen würde: Die NGO fürchtete, die italienische Justiz könnte versuchen, gegen die AktivistInnen vorzugehen.
Bis Mittwoch hatte die „Sea-Watch 3“ vor der sizilianischen Stadt Syrakus vor Anker gelegen, durfte aber nicht in den Hafen einfahren. Gegen null Uhr in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag ordneten die italienischen Behörden per E-Mail an, die „Sea-Watch 3“ solle Catania ansteuern. Sie begründeten dies damit, dass es in Catania bessere Kapazitäten gebe, um die Menschen aufzunehmen als in Syracus.
Die NGO hingegen vermutete andere Gründe: Das Schiff werde in eine Stadt geschickt, „deren Staatsanwalt bekannt für seine Agenda gegen NGOs ist“, twitterte die „Sea-Watch-3“-Crew in der Nacht. „Wenn das kein politischer Schachzug ist, wissen wir auch nicht. Wir hoffen das Beste und bereiten uns aufs Schlimmste vor.“ Die Crew der aktuellen Sea Watch-Mission besteht aus 22 AktivistInnen aus Deutschland, Italien, den Niederlanden, den USA und Großbritannien.
Die NGO habe Informationen erhalten, dass Italiens Innenminister Matteo Salvini (Lega) und Verkehrsminister Danilo Toninelli (5 Stelle) den Staatsanwalt von Catania, Carmelo Zuccaro, gedrängt hätten, die Sea Watch festzusetzen. Zuccaro hatte sich ab 2017 mit Ermittlungen gegen Seenotrettungs-NGOs hervorgetan. Er war unter anderem der erste italienische Ermittler, der öffentlich behauptete, die NGOs würden mit libyschen Schlepperbanden kollaborieren. Beweise dafür hatte er keine. Im März 2018 ordnete er die Beschlagnahmung des spanischen Rettungsschiffes Open Arms an.
„Bislang ist alles eine Routinekontrolle“
Am Donnerstagvormittag um 10 Uhr erreichte die Sea Watch 3 den Hafen von Catania, etwa 70 Kilometer nördlich von Syrakus. Schiffe der Küstenwache begleiteten die Einfahrt, Mannschaftswagen der Polizei erwarteten das Schiff an der Pier. Etwa zwei Stunden später gingen Beamte der Guardia di Finanza und der Küstenwache an Bord. Sie wurden begleitet von AnwältInnen der NGO. Die Beamten führten die Geflüchteten und MigrantInnen von Bord und untersuchten das Schiff.
„Bislang ist das alles noch eine Routinekontrolle“, sagte Sea Watch Sprecher Ruben Neugebauer am Nachmittag der taz. Nachdem die Polizei an Bord gekommen war, konnte die NGO keinen Kontakt mehr zur Crew auf dem Schiff halten. AktivistInnen streamten die Vorgänge auf dem Schiff per Video vom Hafen aus. Die Kontrolle dauerte bis zum späten Nachmittag an, ohne dass gegenüber der Crew weitere Angaben zum Vorgehen gemacht wurden.
Auch das Schiff Iuventa der deutschen NGO Jugend Rettet war im August 2017 nach einer solchen Kontrolle beschlagnahmt worden. Die Crew wurde damals zwar nicht festgenommen, das Ermittlungsverfahren gegen sie dauert aber bis heute an. Ihnen drohen bis zu 15 Jahre Haft sowie hohe Geldstrafen.
Salvini äußert sich auf Twitter
Im aktuellen Fall der „Sea-Watch 3“ hatte Italien behauptet, die Crew hätte die Geretteten nach Tunesien bringen müssen und sich geweigert, Hilfe zu leisten. Am Dienstagabend hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jedoch angeordnet, dass die Menschen an Bord medizinische Unterstützung, Essen und Getränke erhalten müssen. Die Richter gaben damit einem Antrag des Kapitäns und der MigrantInnen und Flüchtlinge auf eine einstweilige Maßnahme statt. Am Mittwoch verkündeten acht EU-Staaten ihre Bereitschaft, die Menschen aufzunehmen.
Am Donnerstagnachmittag äußerte sich Innenminister Salvini auf Twitter: Er hoffe, Richter würden sich der „Unregelmäßigkeiten“ bei der „Sea-Watch 3“ annehmen, so Salvini. Frühere italienische Regierungen hätten der Ankunft von MigrantInnen in Italien nur „wortlos zugeschaut“, er habe durchgesetzt, dass andere EU-Staaten die Menschen aufnehmen. „Wir arbeiten daran, das Problem endgültig zu lösen,“ schrieb er weiter und die italienischen Hoheitsgewässer für die „unwillkommenen“ Schiffe der Rettungs-NGOs „endgültig zu versiegeln“.
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