25. Todestag der Dietrich: Berlins Glamour für die Welt

UFA-Star und die Antwort auf die Garbo: Vor 25 Jahren starb Marlene Dietrich. Mit der Schauspielerin hätten sich auch die Nazis gern geschmückt.

Marlene Dietrich, 1972

Diva mit Divenfummel: Marlene Dietrich Foto: dpa

Sie ist oft verschwunden. Hat Löcher hinterlassen, Leerstellen, Lücken. Offiziell verschwand sie das erste Mal aus Deutschland: Marlene Dietrich, Jahrgang 1901, ist in den 20er Jahren Schauspielerin in Berlin, zunächst Komparsin, später wird sie mit größeren Rollen beauftragt. Im Stummfilm „Die Frau, nach der man sich sehnt“ spielt sie erstmals ihre Paraderolle, das kalt-erotische „Love Interest“, das einen Mann in den Ruin treiben will.

Sie wird für Nebenrollen in Theatern engagiert, hat manchmal nur einen Satz. Doch der Durchbruch kommt – in Form von Josef von Sternbergs Obsession, die ihn dazu bringt, sie neben Emil Jannings in „Der blaue Engel“ zu besetzen. Der Rest ist Kintopplegende: Marlene wird der größte Star, den die Produktionsfirma UFA je hatte.

Aber die Berlinerin folgt Josef von Sternberg alsbald, noch am Abend der Premiere am 1. April 1930, nach Hollywood – sie soll dort vom Paramount Studio als Antwort auf „die Garbo“ (bei MGM unter Vertrag) auf der Silver Screen aufgebaut werden.

Um die Lücke zu füllen, fährt die UFA drei Frauen auf, die das NS-Regime für sich zu nutzen wussten, und umgekehrt: Die Reichswasserleiche (Kristina Söderbaum), die mit Veit Harlan zusammenkam; die Androgyne (Zarah Leander), ­deren Stimme dunkel und deren Gesicht und Gestik artifiziell wirkte. Und die ungarische Paprika (Marika Rökk), deren Appeal sich ausschließlich in burschikosen Aufforderungen zum Tanzen seinen Weg brach.

Doch eine amtliche Diva ist keine der nazitreuen Ersatz-Marlenes. Marlene, in Hollywood, trägt inzwischen richtiges Blond, nicht mehr diesen Straßenköterton. Und sie hat im US-amerikanischen Showbusiness gelernt, dass ein Nerzmantel nicht nur für sich, sondern auch für die Öffentlichkeit wichtig ist.

Sie spielt für Sternberg, später für Ernst Lubitsch und Alfred Hitchcock, und lässt sich auch nicht von Goebbels überreden, zurückzukehren, um die Schwedinnen Zarah Leander (zu dunkelhaarig) und Söderbaum (zu langweilig) und die Ungarin Rökk (zu plappermaulig) in ihre Schranken zu weisen.

Erst mal beschimpft

Am 6. Mai 1992 verstarb Marlene Dietrich in Paris. Anlässlich ihres 25. Todestages ist am Sonntag in einer Matinee um 11.30 Uhr im Arsenal im Filmhaus, Potsdamer Straße 2, die Dokumentation „Marlene“ von Maximilian Schell zu sehen.

Die Geschichte der UFA während der NS-Zeit wird in einem international besetzten Sympo­sium in der Deutschen Kinemathek im Filmhaus ausgeleuchtet: „Linientreu und populär. Das UFA-Imperium 1933 bis 1945“. Das Symposium findet am 11. und 12. Mai statt, der Eintritt ist frei. Begleitet wird es von einer Filmreihe vom 12. bis 14. Mai im Arsenal, u. a. mit dem Zarah-Leander-Film „Die große Liebe“. www.deutsche-kinemathek.de

Nach dem Zweiten Weltkrieg aber kehrt sie doch heim: Zuerst auf der Leinwand in Billy Wilders in Berlin spielenden Film „Eine auswärtige Affäre“. Später, 1960, als Sängerin auf die Bühnen Westdeutschlands und Westberlins. Und wird von den Deutschen, von einigen jedenfalls, als Vaterlandsverräterin beschimpft – die hatten sich wohl an die Leerstelle, den Verlust gewöhnt, hatten schließlich eh die letzten Jahre mit fortschreitenden Verlusten (der Demokratie, des eigenen Denkens, der politischen Integrität, der Unschuld, Millionen von FreundInnen und Familienangehörigen) zu tun gehabt.

Eine zweite, nicht sofort sichtbare Lücke klaffte damals allerdings schon seit Jahren in Marlenes Umfeld. Maria Riva, 1924 in Berlin als Tochter von Marlene und ihrem einzigen legal angetrauten Ehemann Rudolf Sieber geboren, erhob in einer literarischen Abrechnung 1992 schwere Vorwürfe: Einen egoistischeren, verbisseneren Menschen als Marlene habe die Menschheit noch nicht gesehen. Mütterlich war das, was Marlene mit Maria anstellte (psychischer und körperlicher Missbrauch wegen einer narzisstischen Störung Marlenes) jedenfalls nicht. Marlene hat die Leerstelle im Leben ihrer Tochter, in die das fürsorgliche Elternteil gehört, anscheinend von Anfang an ignoriert.

Für die dritte Leerstelle entschied sie sich bewusst: Marlene sagte zu Maximilian Schell, der 1982 versuchte, ein filmisches Porträt über sie zu machen, sie sei totfotografiert worden. Angeblich hat sie darum die letzten Jahrzehnte ihres Lebens verwahrlost in ihrem berühmten Hikikomori-Appartement in Frankreich vegetiert, von dem aus sie – früher gab es schließlich kein Internet, über das die heutigen Hikikomori die selbstgewählte Isolation immer wieder virtuell verlassen – in die Welt telefonieren konnte.

Altmodische Grandezza

So verschwand sie schon wieder: Der Öffentlichkeit hatte sie sich offiziell das letzte Mal in David Hemmings 1976 entstandenem Drama „Schöner, Gigolo, armer Gigolo“ präsentiert – und sah in ihrer Rolle als Chefin eines gewissen Etablissements zwar beeindruckend aus, spielte aber mit einer altmodischen Grandezza, die gegen das emotionale Spiel der jüngeren, am neuen Kino der 70er geschulten KollegInnen deplatziert wirkte.

Fast wie 1930, als im „blauen Engel“ die expressionistische Stummfilm-Technik von Emil Jannings gegen ihr fast naturalistisches Spiel abstank – sie, die dickköpfige „Lola-Lola“, erreichte die Wirkung mit nur einem schweren Blick aus halb geschlossenen Lidern, während Jannings seine Augen bis zum Drehwurm rollen musste.

Und auch, wenn man den Bohei um die Ikone, die nie richtig singen konnte und zwischen quietschiger Kopfstimme und dunkler Sprechstimme hin- und herwechselte, nicht mehr richtig nachvollziehen kann, und auch wenn dieses ganze rührend durchschaubare „neue Garbo“-Studio-System sich längst überlebt hat: Heute, 25 Jahre nach Marlenes Tod, ist die letzte Lücke nicht zu füllen. Wenn sie das wüsste – es würde ihr gefallen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.