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2021 und Corona in BerlinPrognose mit Pandemie

Corona wird den Wahlkampf, das Kulturleben und den Alltag vieler BerlinerInnen weiter einschränken. Aber es gibt Hoffnung. Vier Thesen.

Zu kuschelig für Corona: der KitKat Club in Berlin-Mitte Foto: Fabian Sommer/dpa

Wer vor einem Jahr in die Glaskugel geblickt und all die verrückten Sachen vorausgesagt hätte, die 2020 eingetreten sind, dem hätte man wohl unterstellt, er habe zu tief ins Glas geschaut. Mit Maske zum Einkaufen? Die Wohnung verlassen nur noch mit triftigem Grund? Geschlossene Geschäfte sogar vor Weihnachten? Silvester mit faktischem Böllerverbot? Und das alles wegen eines Virus? Das hätte doch zu sehr nach Science Fiction geklungen.

Was zur ersten These für 2021 führt: All diese Einschränkungen werden sich nicht mehr so dramatisch anfühlen wie 2020. Schulen zu? Pah, es klappt doch längst einigermaßen mit dem semidigitalen Hybridunterricht. Homeoffice als Standard? Mit dem richtigen Training kriegt man die Rückenschmerzen wegen des alten Schreibtischstuhls weg. Selbst an einen Lockdown kann man sich gewöhnen, schwer zwar, aber beim dritten oder vierten sind wir alle in der Lage, unsere Haare selbst zu schneiden. Und Artikel aus dem Baumarkt gehören längst auf die Liste für häusliche Notvorräte.

Also war 2020 eine Art Worst-Case-Szenario? In vielerlei Hinsicht darf man das so sagen.

Etwa, was das Kulturleben angeht, das ja gerne als Teil der Berliner DNA genannt wird. Aber nicht für alle, so These Nummer zwei, wird 2021 besser werden. Große Theater, Kinos, Konzertsäle haben 2020 bereits geprobt, wie ein Betrieb unter Coronabedingungen möglich ist. Wenn die Lüftungsanlage taugt und viele Plätze leer bleiben, geht das.

Doch rentabel ist es leider selten, was zum Problem vor allem für nichtstaatliche Anbieter wird, für Kinos, vor allem die kleinen, die oft kaum mehr als eine Handvoll ZuschauerInnen einlassen können, für private Theater, die freie Szene. Sie werden weiter auf staatliche Hilfen angewiesen sein. Wie lange? Wohl mindestens bis in den Spätsommer, wenn die Impfaktion planmäßig verläuft. Vielleicht noch länger.

Wann werden die Clubs öffnen?

Noch schlimmer dran sind die Kneipen und Clubs, per se kuschelige Angelegenheiten – und damit in Coronazeiten nahe dran am sprichwörtlichen Sodom und Gomorra. Viel zitiert war 2020 Pamela Schobeß’ Satz: „Wir waren die ersten, die zugemacht haben, und werden wohl die letzten sein, die wieder aufmachen können.“ Die Chefin des Clubs Gretchen und Vorständin der Berliner Clubcomission befürchtet den Untergang einer ganzen Branche, die immerhin rund 10.000 MitarbeiterInnen beschäftigt, vor allem aber eminent wichtig ist für das attraktive Image der deutschen Hauptstadt bei jungen Menschen weltweit.

Eine Wiederöffnung der Clubs wäre beinahe ein Signal für das Ende der Coronakrise. Dass es 2021 schon so weit sein wird, darf man bezweifeln. „Wir sind tief im Tal und wollen eine schnelle Öffnung“, sagt Schobeß’ Clubcomission-Kollege Lutz Leichsenring. Seine Hoffnungen ruhen auf Schnelltests, die ausgehungerten Partypeople den Weg in Clubs und Konzerte öffnen könnten – und auf Impfungen.

Offen ist bei letzteren allerdings noch die Frage, wann genügend Menschen geimpft sein werden, um wieder ein einigermaßen normales Leben zu ermöglichen. Eine Prognose, wann es so weit sein könnte, will Leichsenring deshalb nicht wagen. Sicher ist für ihn: „Clubben nur mit Maske und Abstand – das sehen wir im Moment nicht.“

So werden auch die Clubs, viele Kneipen sowie Hallen für Popkonzerte im weitesten Sinn auf staatliche Hilfen angewiesen sein. Immerhin: Die Unterstützung sei inzwischen fast überall angekommen, berichtet Leichsenring. Allerdings hätten sich auch viele Betreiber hoch verschuldet. „Das ist ein Riesenproblem.“

Ein bisschen Hoffnung verbreitet da immerhin der Bundesfinanzminister. Olaf Scholz (SPD) forderte schon Anfang Dezember 2020 KulturbetreiberInnen auf, für die zweite Jahreshälfte 2021 Veranstaltungen zu planen. Kosten würden erstattet, falls diese coronabedingt dann doch wieder abgesagt werden müssten, versprach er.

Was im Wahljahr 2021 die große Frage nach dem Geld aufwirft: Wie viel ist noch da? Oder umgekehrt: Was können, wollen, sollen wir uns noch leisten?

Das ist keine Frage für Berlin allein; Hilfen des Bundes spielen eine große Rolle. „Unser Land hat die finanzielle Kraft, in diesem und im nächsten Jahr alles zu tun, was nötig ist, um die Kontrolle über die Pandemie zu behalten und die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen abzufedern“, sagte Scholz im November.

Die Zeiten, in denen Politik in Berlin Riesenspaß machte, weil gefühlt unendlich viel Geld zu verteilen war, sind 2021 vorbei

In Berlin hingegen ist es kein Geheimnis, dass Finanzsenator Mathias Kollatz (SPD) die Neuverschuldung 2020 in Höhe von 7,3 Milliarden Euro äußerst kritisch sieht. Zwar sei es erforderlich, „neue Schulden in Rekordhöhe aufzunehmen“, auch wenn für Berlin damit eine achtjährige Periode ohne Neuverschuldung ende, sagte Kollatz der taz. Aber man müsse sich der Folgen bewusst sein: „Selbst für den Fall, dass die Tilgungsverpflichtungen so niedrig wie möglich angesetzt werden, sind die Handlungsspielräume im Haushalt zukünftig kleiner, weil zwischen 200 und 250 Millionen Euro pro Jahr dadurch gebunden werden.“ Ähnlich deutlich äußerte sich Kultursenator Klaus Lederer (Linke): „Wir werden über Prioritäten diskutieren müssen.“

Wie groß oder klein die Spielräume sein werden, lässt sich nur spekulieren. Finanzsenator Kollatz bleibt ein bisschen optimistisch: „Wir sehen, dass sich die ganz düsteren Prognosen der Steuerschätzung möglicherweise doch nicht in dem Umfang bewahrheiten werden.“ Einige Bereiche der Wirtschaft erwiesen sich als „ausgesprochen robust“.

Konkret heißt das, so These drei: Die Zeiten, in denen Politik in Berlin Riesenspaß machte, weil gefühlt unendlich viel Geld zu verteilen war, sind 2021 vorbei. Der Kampf um die Ressourcen wird härter. Und die Wahlen im Herbst werden zu echten Richtungsentscheidungen: Werden die Lasten aus der Krise sozial gerecht verteilt? Müssen Unternehmen, die viel Hilfen bekommen haben, auch etwas an die Gesellschaft zurückgeben?

Voraussichtlich am 26. September werden Abgeordnetenhaus und Bundestag neu gewählt. Wie der Wahlkampf angesichts von Hygiene- und Abstandsauflagen aussehen kann, ist unklar: Wird es Stände von PolitikerInnen geben? Stifte und Ballons als Werbegeschenke? Reden vor großen Menschenmengen?

Immerhin: Der Wahltermin liegt im Spätsommer, einer Zeit also, als auch 2020 viel ging. In vielen Bundesländern sind bis Ende August Schulferien, sodass zumindest die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs kurz und knackig ausfallen wird. Was zu These vier führt: Corona diszipliniert die Politik, weil die Lage weiter angespannt bleibt. Sicher nicht die schlechteste Nebenwirkung des Virus.

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