2020: Feiern zu 100 Jahre Groß-Berlin: Wie kann Großstadt gelingen?
Am 1. Oktober 1920 wurde Berlin mit dem Groß-Berlin-Gesetz zur Weltstadt. Die Feierlichkeiten zum 100-Jährigen sind Anlass, die Stadt weiterzudenken.
Als „Prenzlauer Tor“ 1920 zum vierten Berliner Bezirk wurde, wurde auch das Bezirksjugendamt gegründet. Stadtrat Walter Friedländer kümmerte sich fortan um Kriegswaisen und Kinder aus verarmten Familien. „Die Arbeit in diesem Bereich kann als Pionierleistung der modernen Sozialarbeit bezeichnet werden“, sagte der Leiter des Pankower Museums, Bernt Roder, vor Kurzem der Berliner Woche. Im Herbst wird das Museum in der Heynstraße in der Ausstellung „100 Jahre Groß-Berlin“ an Friedländer und sein Bezirksjugendamt erinnern.
Mit dem „Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin“ wurde die deutsche Hauptstadt am 1. Oktober 1920 auf einen Schlag zur Weltstadt. Die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner stieg von 1,9 Millionen auf 3,8 Millionen, Berlin war nach London und New York die größte Stadt der Welt. Und es bekam eine Verwaltung, deren Besonderheit mit der Doppelstruktur bis heute Gültigkeit hat. Um die vorwiegend wohlhabenderen anderen sechs kreisfreien Städte, 29 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke von der Eingemeindung nach Groß-Berlin zu überzeugen, wurden 20 Bezirke geschaffen. Die meisten behielten ihren Namen bis zur Bezirksgebietsreform von 2001. Nur aus Prenzlauer Tor war zuvor schon Prenzlauer Berg geworden.
Berlin begeht das stadtgeschichtliche Jubiläum angemessen und kritisch. Bereits am 26. April öffnet die zentrale Ausstellung „Chaos und Aufbruch. Berlin 1920/2020“ im Märkischen Museum. Die Stiftung Stadtmuseum Berlin hat sich mit der Ausstellung einiges vorgenommen, heißt es in der Ankündigung: „Mit Blick auf die Vergangenheit und Gegenwart geht sie der Frage nach, wie aus einem chaotischen Umbruch ein konstruktiver Aufbruch gestaltet werden kann: Wie kann Großstadt gelingen?“ Zeitgleich finden auch in allen Bezirksmuseen Ausstellungen zum Thema Groß-Berlin statt.
Selten hat ein historisches Ereignis einen so hohen Gegenwartsbezug wie die große Eingemeindung vor 100 Jahren. „Die große Chance für das Jubiläum ist nicht unbedingt, dass wir Berlin feiern, bis wir umfallen“, sagt der Stadthistoriker und Planer Harald Bodenschatz, „sondern dass wir Dinge besprechen, die wir im Alltag nicht besprechen können. Die tabuisiert sind, für die wir sonst keine Zeit haben.“ Zusammen mit dem Architekten- und Ingenieur-Verein (AIV) organisiert Bodenschatz deshalb nicht nur eine Ausstellung im Herbst unter dem Titel „Auf dem Wege zu einer nachhaltigen Hauptstadtregion“. Es soll auch einen städtebaulichen Ideenwettbewerb Berlin-Brandenburg 2070 geben. „Der Planungsraum endet nicht an der Stadtgrenze“, sagt dazu Bodenschatz.
Die Zusammenarbeit über die Ländergrenze hinweg hat sich auch die Stiftung Zukunft Berlin zum Ziel gesetzt. Sie organisiert unter der Überschrift „100 Jahre Groß-Berlin und 30 Jahre Brandenburg“ Initiativen, die sich mit der Verbesserung der grenzüberschreitenden Kooperation beschäftigen.
Nur an ein Erbe von 1920 will sich niemand so recht herantrauen: die eben doppelt genähte Berliner Verwaltung aus Senat und Bezirken. Die hätte nur bei einer Länderfusion auf dem Prüfstand gestanden. Doch diese radikalste Konsequenz für die Zukunft steht derzeit nicht mehr zur Debatte.
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