piwik no script img

20 Jahre Übernahme durch ChinaPeking droht, Hongkong demonstriert

Zum Jahrestag der Übernahme Hongkongs durch China demonstriert die Zentralregierung ihre Macht. Zehntausende Bewohner gehen auf die Straße.

Feuerwerk zum Jahrestag und ein gelber Regenschirm – das Symbol der Massenproteste in Hongkong 2014 Foto: reuters

PEKING taz | Der Kontrast könnte nicht größer sein: Als am 1. Juli 1997 die neuen Machthaber vom chinesischen Festland in den Räumen des Kongresszentrums die Übergabe Hongkongs an die Volksrepublik zelebrierten, hielten sich die kommunistischen Parteikader sowohl verbal als auch äußerlich bewusst zurück. Die Hongkonger brauchten sich keine Sorgen zu machen. Alles werde bleiben wie bisher. Die meisten Regierenden aus Peking hatten Anzug und Krawatte an.

Nun, zwanzig Jahre später, besetzten am Samstag bei den Feierlichkeiten anlässlich des Jahrestags Dutzende Generäle der Volksbefreiungsarmee in grüner Uniform die meisten Plätze in den vorderen Reihen und beklatschten ihren Staatspräsidenten Xi Jinping. Unverkennbar demonstrierten sie damit, wer in der ehemaligen britischen Kronkolonie das Sagen hat.

Entsprechend unmissverständlich fiel auch Xis Rede aus: „Wer es wagt, die Autorität Pekings infrage zu stellen, überschreitet eine rote Linie“, sagte er an die Hongkonger Bürger gerichtet. Er warnte davor, Hongkong als Ausgangspunkt für „Sabotageakte“ gegen China zu nutzen.

Zudem forderte er die Hongkonger Führung auf, die Sicherheitsgesetze der Stadt dringend zu stärken. Damit mischte er sich einmal mehr unverhohlen in die inneren Angelegenheiten Hongkongs ein, die nach dem vereinbarten Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“, eigentlich für fünfzig Jahre einen weitreichenden Autonomie-Status genießt.

Xi droht allen, die Chinas Autorität über Hongkong infrage stellen

Tatsächlich entwickelte sich am Wochenende anlässlich des 20. Jahrestags der Rückgabe Hongkongs an China ein handfestes Kräftemessen zwischen der chinesischen Führung in Peking und den prodemokratischen Kräften. Während der chinesische Staats- und Parteichef Xi weitestgehend abgeschirmt von der Öffentlichkeit vor einem ausgewählten Publikum redete und es als „absolut ­unzulässig“ bezeichnete, die Macht der Zentralregierung in Peking anzuzweifeln, zeigten sich auf Hongkongs Straßen wenige Stunden später Zehntausende entsetzt über Xis scharfe Rede.

Auf Plakaten forderten sie mehr Demokratie und die Freilassung des krebskranken Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo. Er war zu Beginn der Woche nach fast acht Jahren überraschend aus der Haft entlassen worden und steht nun quasi unter Hausarrest. Laut Veranstaltern zogen etwa 60.000 Demonstranten gegen sie und Peking durch die Stadt.

Rangeleien und Festnahmen

Ihr Protest richtete sich aber auch gegen die neue Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam, die am Samstag in Anwesenheit von Xi ihren Amtseid ablegte. Sie steht aus Sicht der Demokratie-Aktivisten sinnbildlich für die mangelnde Unabhängigkeit Hongkongs. Ihre Wahl Anfang April kam nur zustande, weil ein Komitee, das mehrheitlich von Peking bestimmt wurde, sie in das Amt gehievt hatte. Eine Mehrheit der Hongkonger lehnt sie laut Umfragen ab.

Den Demonstranten gegenüber standen einige Hundert prochinesische Aktivisten, die chinesische Flaggen schwenkten und versuchten, sich den Demonstranten in den Weg zu stellen. Es kam zu Rangeleien und mehreren Festnahmen.

Xi gab sich während seines dreitägigen Besuchs in der Hafen- und Finanzmetropole nicht im Geringsten die Mühe, die Ängste der Hongkonger Bürger vor Pekings langem Arm zu zerstreuen. Er stattete Polizeieinheiten und Garnisonen der Volksbefreiungsarmee Besuche ab und ließ sich ausführlich Pläne von Großprojekten zeigen, die Hongkong noch stärker an das chinesische Festland binden sollen.

Schon jetzt fürchten viele Hongkonger, von den Volksrepublik-Chinesen überrannt zu werden. 10-Millionen-Städte wie Shenzhen direkt auf der anderen Seite der Grenze und Guangzhou, rund 100 Kilometer weiter, sind jetzt schon dabei, Hongkong als führende Wirtschaftsmetropole den Rang abzulaufen. Zudem hat die chinesische Führung angekündigt, ihren bislang einzigen Flugzeugträger, „Liaoning“, in den nächsten Tagen erstmals in Hongkongs Hafen einlaufen zu lassen – eine weitere Machtdemonstration.

Immer stärkere Einmischung

Die ehemalige britische Kronkolonie gehört seit dem 1. Juli 1997 wieder zu China. Nach dem Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“ hatten die Briten damals mit der Führung in Peking allerdings vereinbart, dass die sieben Millionen Hongkonger für weitere fünfzig Jahre, also bis 2047, ein „hohes Maß an Autonomie“ genießen und, anders als in der Volksrepublik, Rechte wie Meinungs- und Pressefreiheit geschützt bleiben.

Doch seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass sich Peking entgegen der Vereinbarung immer häufiger einmischt. Journalisten berichten von Zensur, Akademiker beklagen den Verlust ihrer wissenschaftlichen Freiheit. Für besonders große Angst sorgte vor anderthalb Jahren der Fall mehrerer Buchhändler, die für ihre Peking-kritischen Werke bekannt waren. Sie wurden von chinesischen Agenten auf Hongkonger Boden entführt und tauchten ­einige Wochen später im chinesischen Staatsfernsehen auf – mit öffentlichen Schuldgeständ­nissen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Die bürgerliche Ideologie und Prinzipienlosigkeit im Bourgeoissozialismus chinesischer Prägung: Xi Jinpings vornehme Mission und Mythologie für Hongkong und China.

     

    Ideologisch ungeschminkt: Das internationale Kapital hat nicht die Absicht die Befreiung und Emanzipation der chinesischen Arbeiterklasse vom Kapitalismus und Imperialismus zu befördern. Ebensowenig wie die antikommunistische und bourgeoissozialistische Partei- und Staatsführung Chinas, die politische Administration der neuen chinesischen Oberschicht und Bourgeoisie der Millionäre, Multimillionäre und Milliardäre Chinas.

     

    Die materielle Wert- und Mehrwertschöpfung wird auch in China vorrangig von den eigentumslosen und abhängig Beschäftigten -auf allen ökonomischen Ebenen der Gesellschaft- geleistet. So auch die Planung, Organisation, Leitung und Durchführung der materiellen Produktion, der nationale Vertrieb und internationale Handel mit Waren aller Art. Dafür bedarf es im 21. Jahrhundert keine persönlich leistungslosen [quandtschen und siemensschen] Kapitalisten und Hauptaktionäre mehr. Auch die differenzierte, die wissenschaftlich-technische (chinesische) Arbeiterklasse und alle anderen Werktätigen, sie benötigen heute nicht mehr den (historisch einst notwendigen) Kapitalismus für die Sicherung ihrer sozialen, ökonomischen und ökologischen Existenz und Zukunft.

     

    "Freier Handel! im Interesse der arbeitenden Klasse; Schutzzölle! im Interesse der arbeitenden Klasse; Zellengefängnisse! im Interesse der arbeitenden Klasse: das ist das letzte, das einzige ernst gemeinte Wort des Bourgeoissozialismus. Der Sozialismus der Bourgeoisie besteht eben in der Behauptung, dass die Bourgeois Bourgeois sind -- im Interesse der arbeitenden Klasse."

     

    Vgl. Marx/Engels: Manifest der Kommunistischen Partei

    • @Reinhold Schramm:

      Info.-Empfehlung:

       

      ■ Renate Dillmann: (2012) China und der Weltmarkt - Ein dritter Weg zum Sozialismus?

       

      Veröffentlicht am 24.06.2016

      Als Auftakt für 2012 seiner Veranstaltungsreihe "kritische Sozialwissenschaften" hat der Fachschaftsrat Sozialwissenschaften der HU Berlin am 18.04.2012 Renate Dillmann vom GegenStandpunkt eingeladen und sie gebeten zum Thema "China und der Weltmarkt - Ein dritter Weg zum Sozialismus?" zu referieren. http://www.youtube.com/watch?v=2A4ErFR6oto

      • @Reinhold Schramm:

        Vorwärts mit Xi Jinping

         

        Nach Mao Tse-tung (Máo Zédōng) und Deng Xiaoping (Dèng Xiăopíng) folgt Xi Jinping (Xi Jìnpíng). Xi Jinping, Generalsekretär der antikommunistischen, wirtschaftsliberalen und rechtssozialdemokratischen Konvergenzpartei Chinas (KPCh), Vorsitzender der Zentralen Militärkommission und Staatspräsident Chinas.

         

        ● Hier können Sie das Buch kaufen.

        Xi Jinping: China regieren

         

        »Das Buch Xi Jinping: China regieren, gemeinsam ausgearbeitet vom Presseamt des Staatsrates der Volksrepublik China, dem Forschungszentrum für Dokumentation beim Zentralkomitee der KP Chinas und der China International Publishing Group (CIPG) wurde kürzlich in Sprachen wie Chinesisch in Langzeichen, Englisch, Französisch, Russisch, Arabisch, Spanisch, Portugiesisch, Deutsch und Japanisch offiziell veröffentlicht.

        Seit dem XVIII. Parteitag hat das Zentralkomitee der KP Chinas um Xi Jinping als Generalsekretär alle Parteimitglieder und Volksgruppen des Landes angeleitet, einen neuen Weg zur Reform und Öffnung und Modernisierung einzuschlagen. In der neuen Praxis der Regierungsstrategien hat Xi Jinping zahlreiche Reden von großer Bedeutung gehalten, dabei neue Ideen, Ansichten und Thesen vorgebracht und wichtige theoretische und praktische Fragen zur Entwicklung von Partei und Staat unter den neuen historischen Bedingungen beantwortet.«

         

        Vgl.: http://german.beijingreview.com.cn/zt/node_90401.htm

         

        Beijing Rundschau:

         

        »Xis starkes Vertrauen in den Sozialismus chinesischer Prägung«

         

        "Ich bin voller Zuversicht, dass ein Mensch in seinen zweihundert Lebensjahren dreitausend Meilen schwimmen kann." Das ist eine Zeile aus einem Gedicht von Mao Zedong, die Xi Jinping gerne zitiert.