150 Jahre Stadtgrün: Die Geschichte des Grüns

Vor 150 Jahren bekam Berlin seinen ersten Gartenbaudirektor. Bis heute ist die Stadt eine der grünsten Metropolen Europas.

1888 begann der Bau des Viktoriaparks in Kreuzberg Foto: dpa

Die Gestalt ist, man kann es nicht anders sagen, imposant. Das Haar lässig nach hinten gekämmt, um den Hals ein Schal: So thront Gustav Meyers Büste im Treptower Park. Der Bildhauer Albert August Karl Manthe hat sie 1890 geschaffen. Zwei Jahre zuvor war der Bau des Treptower Parks abgeschlossen worden. Die Büste ist ein Dankeschön an den Mann, ohne den es den Park nicht gegeben hätte, auch wenn er dessen Fertigstellung nicht mehr erlebt hat: Gustav Meyer, der erste Gartendirektor Berlins, der vor 150 Jahren, am 1. Juli 1870, sein Amt antrat.

Die Baumeister Berlins kennt fast jeder: Aber was ist mit denen, die der Stadt Luft zum Atmen gaben? Wer kennt die Architekten und Schöpfer der Berliner Parks, der Schmuckplätze, der Promenaden? Nicht nur wegen seiner Architektur ist Berlin ein Magnet. Mit einen Grünflächenanteil von 40 Prozent ist die Stadt auch eine der grünsten Metropolen der Welt.

Die Parks sollten „der Bewegung, der Erholung und der Veredlung der Sitten“ dienen

In seiner siebenjährigen Amtszeit brachte Meyer unter anderem die Planung für den Park auf den Weg, in dem heute seine Büste steht. Er hatte ihn als sogenannten Volksgarten entworfen, ein Konzept, das auch den Parks seiner Nachfolger zugrunde lag. Diese Volksgärten sollten „Stätten der Bewegung, der Erholung, Orte geselliger Unterhaltung, auch des Naturgenusses, der Bildung und der Veredlung der Sitten“ sein. Dabei orientierten sich die Anlagen an der Ästhetik des englischen Landschaftsgartens.

1877, in dem Jahr, in dem Gustav Meyer starb, knackte Berlin die Millionengrenze. Die dicht bebaute Mietskasernenstadt brauchte unbedingt mehr Freiflächen, Grünanlagen, Parks. Die Forderungen nach hygienischeren Verhältnissen ließen auch die Berliner Verwaltung nicht unberührt. So sollten fortan alle Straßen, Plätze und Parks von der kommunalen Hand übernommen werden.

Sozialer Sprengstoff

Diese Aufgabe fiel Meyers Nachfolger Hermann Mächtig zu. Unter seiner Regie wurde 1888 der Treptower Park fertiggestellt. Im gleichen Jahr begannen die Arbeiten am Viktoriapark in Kreuzberg. Zwei Besonderheiten gab es damals: Die Planungen stammten erstens von Mächtig selbst. Zweitens hatte der preußische Fiskus der Stadt das Areal kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auch am preußischen Hofe war man sich des sozialen Sprengstoffs bewusst, der sich hinter der Stadtgrün-Thematik verbarg.

Und noch ein Thema wurde damals verstärkt diskutiert: Wohin mit den Kindern im immer schneller wachsenden Berlin? 1882 gab es in der Hauptstadt des Deutschen Reichs genau fünf städtische Spielplätze. Auch in diese Richtung erweiterten sich nun die Aufgaben des Gartendirektors.

Als Hermann Mächtig 1909 stirbt, steht sein Nachfolger Albert Brodersen vor großen Herausforderungen. Auch im Berliner Rathaus weiß man, dass es nicht reicht, der schnellen Entwicklung der Stadt „hinterherzuplanen“. 1909 gibt es deshalb den ersten Wettbewerb für einen Grünplan für Groß-Berlin. Auch das Stadtgrün ist darin enthalten. Noch allerdings gibt es dieses Groß-Berlin nicht. 1911 wird der Zweckverband gegründet, der die Voraussetzungen für die Eingemeindungen schaffen soll, die allerdings erst nach dem Ersten Weltkrieg, am 1. Oktober 1920, in Kraft treten.

Zeitgleich zur Planung etwa der Verkehrswege über die Stadtgrenze hinaus erfolgt ein Paradigmenwechsel in der Grünpolitik. Nicht mehr „Schmuckgrün“ steht nun auf der Agenda, sondern das von den Berlinerinnen und Berlinern nutzbare „Sanitärgrün“. Ein Beispiel dafür ist der vom Magdeburger Gartenarchitekten Friedrich Bauer von 1909 bis 1913 entworfene Schillerpark im dichten Gründerzeitbezirk Wedding.

Der Dauerwaldvertrag

Der größte Coup in Sachen Grünversorgung vor dem Ersten Weltkrieg ging aber nicht von der Berliner Verwaltung aus, sondern vom preußischen Fiskus, der bereits die Flächen für den Viktoriapark zur Verfügung gestellt hatte. Weil im Westen der Stadt immer mehr Wald der Boden- und Bauspekulation zum Opfer fiel, richtete der Zweckverband Groß-Berlin ein Kaufgesuch an die preußische Regierung, um die durch Bebauung bedrohten Flächen im Grunewald zu schützen. Der sogenannte Dauerwaldvertrag, der am 27. März 1915 geschlossen wird, war eine grüne Revolution, denn nun waren nicht nur die verbliebenen Teile des Grunewalds gesichert, sondern auch andere Wälder in Köpenick, Tegel und Grünau.

Mit der Gründung Groß-Berlins 1920 hatte die Stadt auf einen Schlag 3,8 Millionen Einwohner. Mit der Eingemeindung ging auch eine Dezentralisierung der Verwaltung einher – die Bedingung, unter der reiche Städte wie Charlottenburg oder Wilmersdorf der Bildung von Groß-Berlin zugestimmt hatten.

Das betraf auch die Gartenverwaltung. In allen zwanzig Berliner Bezirken gab es nun bezirkliche Gartenämter. Stadtgartendirektor Albert Brodersen war nun Leiter der Abteilung „Parkanlagen und Bestattungswesen“ und hatte die von den Bezirken eingereichten Entwürfe zu prüfen. 1921 gab es 1.339 Hektar Parks, Grünanlagen und Schmuckplätze, das entsprach 1,5 Prozent des Stadtgebiets.

Schon um die Jahrhundertwende war Gustav Meyers Konzept der Volksgärten in die Kritik geraten. Vor dem Hintergrund des rasanten Bevölkerungswachstums entstand die Idee des Volksparks, der den Bedürfnissen der Bürger nach Spiel- und Bewegungsraum gerecht werden sollte. Der erste dieser Volksparks war der Volkspark Jungfernheide, der vom Charlottenburger Bezirksgartendirektor Erwin Barth entworfen worden war und von 1920 bis 1923 gebaut wurde. Es folgten der Volks- und Waldpark Wuhlheide (1919–1931), der Volkspark Mariendorf (1923–1924) und der nur wenige Jahre bestehende Volkspark Tempelhofer Feld (1921–1927).

Erwin Barth, der den ersten Volkspark entworfen hatte, folgte 1926 auf Albert Brodersen als Stadtgartendirektor. Er prägte das Amt wie kaum ein anderer im Berlin der Weimarer Republik. An den Rehbergen schuf er 1929 einen neuen Volkspark, den zugeschütteten Luisenstädtischen Kanal gestaltete er als Grünanlage, mit dem „Gesetz zur Erhaltung des Baumbestandes und Erhaltung und Freigabe von Uferwegen“ gelang es ihm, auch die Grünflächen rechtlich zu sichern.

Erster Lehrstuhl

1929 bekam Barth den ersten Lehrstuhl seiner Zunft an der Technischen Hochschule Berlin. Nachdem er seine Professur für Gartenkunst angetreten hatte, war das Amt des Stadtgartendirektors sechs Jahre lang vakant. Erst 1935, zwei Jahre nach dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft, wurde es wieder besetzt. Neuer Stadtgartendirektor wurde Josef Pertl, dem als Stadtrat und Dezernenten neben der Gartenverwaltung auch die Forsten und Stadtgüter unterstanden. In Pertls Zeit fallen der Bau des Ehrenhains (später Volkspark) an der Hasenheide und die Bepflanzung der Straße Unter den Linden mit Silberlinden.

Nachdem das Amt des Gartendirektors ab 1940 wieder unbesetzt blieb, wurden in den Kriegsjahren in den Volksparks Friedrichshain und Humboldthain Bunker errichtet. Der Krieg war auch die Ursache, warum die Pläne des seit 1937 amtierenden „Generalbauinspektors für die Neugestaltung der Reichshauptstadt“ Albert Speer für ein „Germania“ nicht umgesetzt wurden. Das betraf auch den im Büro Speer erarbeiteten „natürlichen Grünflächenplan“, mit dem unter anderem der Grunewald in einen landschaftlich geprägten Erholungspark umgestaltet werden sollte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg lag Berlin in Trümmern. 338.000 Wohnungen waren zerstört, nur noch 2,8 Millionen Menschen lebten in der Stadt. Im Sommer 1945 wurde Reinhold Lingner Leiter des Hauptamtes für Grünplanung und Gartenbau. Seine wichtigsten Aufgaben waren die Beseitigung der Kriegsschäden und die Aufschüttung von Trümmerbergen, die, wie etwa im Humboldthain und der Hasenheide, ebenso in den städtischen Parks erfolgte.

Mit der Gründung der beiden deutschen Staaten und der Teilung Berlins ging auch die bis dahin einheitliche Geschichte des Berliner Grüns und seiner Verwaltung zu Ende. In Ostberlin wurden nach 1949 die bezirklichen Gartenämter aufgelöst und in nachgeordnete Dienststellen für städtische Parkanlagen umgewandelt. Vorrang hatte zunächst die Beseitigung der Trümmer und die Wiederherstellung begrünter Plätze, darunter der Kollwitzplatz, der Helmholtzplatz und der Teutoburger Platz. Bis 1950 wurde auch der Volkspark Friedrichshain neugestaltet, einschließlich des Trümmerbergs, der dort entstand. Nach 1950 wurden mehrere größere Vorhaben in Angriff genommen, darunter die Neugründung des Tierparks Friedrichsfelde.

Ein zentrales Stadtgartenamt wurde in Ostberlin erst 1960 wieder geschaffen. Direktor wurde Helmut Lichey, der sich auch um die Wiedererrichtung der Gartenämter in den Bezirken kümmerte. Mit dem Bau der Großsiedlungen ab 1970 entstanden neue Parks, darunter der Wuhlepark oder der Wohngebietspark Marzahn, und repräsentative und sozialistische Grün- und Freizeitanlagen wie das SEZ in Friedrichshain, der Ernst-Thälmann-Park oder das Marx-Engels-Forum. Eine erste Annäherung an den Westen erfolgte 1982 mit der Ausstellung „Stadt Park – Park Stadt“, die Projekte aus der Bundesrepublik vorstellte. Das hatte zur Folge, dass die in Kreuzberg schon populäre Hofbegrünung auch in Ostberlin in Angriff genommen wurde – wie der von einer Bürgerinitiative gegründete Hirschhof in der Oderberger Straße, der 1985 unter anderem mit kommunalen Mitteln errichtet wurde.

Auch in Westberlin widmete man sich zunächst der Beseitigung der Kriegsschäden. Fritz Witte, ab 1948 Leiter des neu geschaffenen Hauptamtes für Grünflächen und Gartenbau, kümmerte sich zunächst um die Instandsetzung des in großen Teilen abgeholzten Großen Tiergartens sowie des Volksparks Humboldthain. 1960 verabschiedete das Abgeordnetenhaus einen Grünflächenplan, der ein zusammenhängendes Netz von Grünflächen vorsah. Diese Hauptgrünzüge sollten die Innenstadt auch mit dem Umland verbinden.

Als Nachfolger von Witte wurde 1966 Norbert Schindler ernannt. In seine Amtszeit fiel der städtebauliche Paradigmenwechsel nach dem Bau der Mauer 1961. Nicht mehr die Verdichtung der Westberliner Innenstadt stand auf dem Programm, sondern der Bau der drei Großsiedlungen Märkisches Viertel, Gropiusstadt und Falkenhagener Feld am Stadtrand. Gegen die Bebauung von landwirtschaftlichen Flächen und Kleingartenkolonien regte sich, ähnlich wie gegen die Kahlschlagsanierung in Gesundbrunnen und Kreuzberg, Widerstand. Aber erst Ende der 1970er Jahre wurde das Stadtgrün auch gesetzlich gesichert, etwa durch das Landeswaldgesetz 1979 und das Berliner Naturschutzgesetz aus demselben Jahr.

Unter der Ägide von Erhard Mahler, der 1980 sein Amt antrat, reagierte die Westberliner Verwaltung auf die Proteste. Der Flächennutzungsplan von 1984 wurde den nach unten korrigierten Bevölkerungsprognosen angepasst und sah ein eigenes Landschaftsprogramm vor. Neben Bebauungsplänen wurden nun auch Landschaftspläne verbindlich.

Idylle im 1985 eröffneten Britzer Garten Foto: dpa

Höhepunkt der Amtszeit von Mahler war aber die Bundesgartenschau mit dem 1985 eröffneten Erholungspark Britz. Nach der Gründung der Volksparks war dies die erste großflächige Parkanlage, die in Berlin seit den zwanziger Jahren neu errichtet wurde. Ein weiterer Höhepunkt vor dem Fall der Mauer war schließlich der 1987 nach vierjähriger Bauzeit fertiggestellte Görlitzer Park in Kreuzberg.

Nach dem Mauerfall und dem Ende der Teilung Berlins am 3. Oktober 1990 wurden auch die Grünverwaltungen im vereinten Berlin wieder zusammengeführt. In verantwortlicher Position blieb dabei Erhard Mahler, der bis 1999 die Abteilung Landschaftsentwicklung und Freiraumplanung leitete. Allerdings könne von einer wirklichen Vereinigung keine Rede sein, schreibt der spätere Vizepräsident der Berliner Architektenkammer Stefan Strauss: „Die Verwaltung West blieb, wie sie war, und die Ostkollegen fanden sich am Rand der Personalpyramide wieder.“ Gleichzeitig wurde 1994 das Landschaftsschutzprogramm auch für den ehemaligen Ostteil der Stadt gültig. Neue Parks entstanden unter anderem am Nordbahnhof, in Karow und am Mauerpark. Die ehemalige Gartenschau in Marzahn verwandelte sich in die „Gärten der Welt“.

Spätestens im Jahr 2000 erreichte die Berliner Sparpolitik auch das Stadtgrün. Die Mittel für den Unterhalt der Grünanlagen wurden stark gekürzt. Neue Parks entstanden nun vor allem im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen größerer Bauprojekte. Prominentestes Beispiel ist der Park am Gleisdreieck, der als Ausgleichsprojekt für die Bebauung des Potsdamer Platzes entstand. Auch die inzwischen größte Grünfläche Berlins ist kein Neubau. Nach dem Ende des Flughafens Tempelhof 2008 wurde 2010 das 355 Hektar große Tempelhofer Feld eröffnet. Pläne für eine Randbebauung wurden bei einem Volksentscheid im Mai 2014 mit großer Mehrheit abgelehnt.

Spätestens im Jahr 2000 erreichte die Berliner Sparpolitik auch das Stadtgrün

Das vorerst letzte große Kapitel des Berliner Stadtgrüns spielte in Marzahn. Dort fand 2017 die Internationale Gartenausstellung IGA statt. Dabei wurden die Flächen der Gärten der Welt um 13 Hektar auf 43 Hektar erweitert. Betrieben wird das IGA-Gelände wie auch das Tempelhofer Feld und der Park am Gleisdreieck von der landeseigenen Grün Berlin GmbH. Auch die Pflege weiterer Parkanlagen hat die Grün Berlin übernommen.

Inzwischen, 150 Jahre nachdem der erste Gartendirektor sein Amt antrat, wurde die Charta für das Berliner Stadtgrün erarbeitet. Ihr Ziel ist es, Parks und Grünflächen in Berlin nachhaltig zu sichern, besser zu pflegen und mit der wachsenden Stadt möglichst auszuweiten.

Dieser Text erschien zuerst in der Zeitschrift Topos: „Berlin macht grün“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.