15 Jahre nach Fukushima-Katastrophe: Tepco darf wieder einen Atommeiler betreiben
Japan will die Atomkraft stärker nutzen, um den Strompreis zu senken. Doch das Misstrauen in den Fukushima-Betreiber bleibt groß.
Der japanische Stromversorger Tokyo Electric Power Company, bekannt unter dem Kürzel Tepco, darf rund 15 Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima aller Voraussicht nach erstmals wieder ein Atomkraftwerk betreiben.
Es handelt sich um den Block 6 im weltgrößten AKW-Komplex Kashiwazaki-Kariwa an Japans Westküste, der aus sieben Reaktoren mit einer Gesamtleistung von über 8 Gigawatt besteht. Der Neustart wäre ein Meilenstein bei Japans Rückkehr zur Nutzung der Atomkraft, nachdem ein Erdbeben und Tsunami im März 2011 das AKW Fukushima zerstörten und eine Verstrahlung der Region verursachten.
Anwohner des Atommeilers
Der zuständige Gouverneur Hideyo Hanazumi kündigte am Freitag an, die Wiederinbetriebnahme zu genehmigen. Sollte das Regionalparlament der Präfektur Niigata ihm am 2. Dezember zustimmen, wäre die letzte Hürde für einen Neustart genommen. Die Gemeinden Kashiwazaki und Kariwa signalisierten bereits ihr Einverständnis.
Als frühestmöglicher Zeitpunkt gilt März 2026. Der Gouverneur begründete seinen Schritt mit der Unterstützung Tepcos durch Regierung und Atomaufsichtsbehörde. Er selbst habe kein Vertrauen, sich hundertprozentig auf dieses Unternehmen zu verlassen, meinte Hanazumi.
Scharfe Kritik von Neustart-Gegnern
Dennoch begrüßte Tepco-Präsident Tomoaki Kobayakawa die Entscheidung: Man werde die „Sicherheit konsequent festigen und so vorangehen, dass wir das Vertrauen der Region gewinnen“. Scharfe Kritik kam von Neustart-Gegnern. „Aus den Anhörungen und Umfragen geht klar hervor, dass derzeit rund die Hälfte bis deutlich über 60 Prozent der Bürger dem Neustart skeptisch gegenüberstehen“, erklärte Ayako Oga, Koordinatorin vom Bürgernetzwerk gegen den Neustart. „Dass der Gouverneur ohne klare Begründung dennoch seine Zustimmung gibt, erfüllt uns mit großer Wut und Enttäuschung.“
Der Politologe Hiroshi Sasaki von der Niigata University of International and Information Studies meinte: „Das Vertrauen der Bürger nur über einen Beschluss des Präfekturparlaments zu 'prüfen’, ist eine Täuschung der Bevölkerung.“ Damit sei die Demokratie in Niigata beschädigt. Ein junger AKW-Anwohner sagte dem TV-Sender Asahi, er lehne den Neustart ab: „Bei einem Unfall können wir doch gar nicht fliehen.“
Außer Block 6 will Tepco auch Block 7 neu starten, aber erst 2029, wenn vorgeschriebene Anti-Terror-Maßnahmen vollständig umgesetzt sein sollen. Die zwei Siedewasserreaktoren der dritten Generation mit einer Leistung von jeweils 1.350 Megawatt liefen seit 1996/7, bis sie wegen Fukushima heruntergefahren wurden. Tepco besänftigte die Bewohner von Niigata mit einer Finanzzusage von umgerechnet 550 Millionen Euro über zehn Jahre verteilt zur „Revitalisierung“ der regionalen Wirtschaft.
Die Investition rechnet sich für Tepco: Nach eigenen Angaben erhöht der Neustart von Block 6 den jährlichen Nettogewinn um 550 Millionen Euro. Drei der fünf übrigen Reaktoren in dem AKW-Komplex will der Stromkonzern offenbar endgültig stilllegen: Die Meiler 2, 3 und 4 befinden sich schon seit einem schweren Erdbeben im Juli 2007 im Langzeitstillstand.
Die Atomaufsicht hatte Tepco Ende 2017 bescheinigt, die nach Fukushima verschärften Sicherheitsauflagen erfüllt zu haben. Unter anderem errichtete der AKW-Betreiber eine 15 Meter hohe Mauer als Schutz gegen einen Tsunami. Aber der frühere Gouverneur der Region, Ryuichi Yoneyama, blockierte den Neustart, dann patzte Tepco bei der Sicherheit von Nuklearmaterial.
Sein Nachfolger Hanazumi steht seit drei Jahren unter Handlungsdruck: Die Regierung in Tokio will durch den schnelleren Neustart von Reaktoren den Strompreis senken. Bisher gingen 14 von 33 verbliebenen Reaktoren in Betrieb.
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