125 Jahre JVA Tegel : Gefangene verdienen Respekt
Veranstaltung anlässlich des 125-jährigen Bestehens der Justizvollzugsanstalt Tegel mit ausgewählten Gästen. Nicht alle Reden waren von Relevanz.
Ein bisschen wie ein Insidertreffen mutete das Ganze an. Leiter anderer Knäste waren gekommen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Justiz, der Präsident des Amtsgerichts, die Generalstaatsanwältin, Mitglieder des Berliner Vollzugsbeirats. Inhaftierte hingegen waren nur durch die vier Mitarbeiter der unabhängigen Tegeler Gefangenenzeitung Lichtblick vertreten – und durch die Gefangenen-Band, die mit dem Pastor zwischen den Reden auftrat. Leitfaden für Musikauswahl und Reden war das Gestern, Heute und Morgen der JVA Tegel.
Tegel hat eine dunkle Geschichte. Schon in der Kaiserzeit waren dort politisch Unliebsame inhaftiert worden. Auch in der Weimarer Republik wurden Menschen allein für ihre politische Haltung eingesperrt. Ihre dunkelste Zeit hatte die Strafanstalt Tegel von 1933 bis 1945, während der nationalsozialistischen Diktatur. Angehörige des politischen, gewerkschaftlichen, religiösen und militärischen Widerstandes waren dort bis zu ihren Verfahren vor dem Volksgerichtshof untergebracht. Viele Inhaftierte sind aus Tegel direkt in die Hinrichtungsstätten in Plötzensee oder Brandenburg an der Havel verbracht und dort ermordet worden.
Zu den bekanntesten Inhaftierten zählten Friedrich Wilhelm Voigt, auch bekannt als Hauptmann von Köpenick, Carl von Ossietzky und Dietrich Bonhoeffer. Das und vieles mehr steht auch in einer umfassenden Chronik, die die Haftanstalt anlässlich des 125-jährigen Bestehens herausgebracht hat.
Justizsenatorin will Geld in die Hand nehmen
Auch Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos, für die CDU) gehörte am Freitag zu den Gästen. Wie Polizei und Rettungsdiensten komme den Justizbediensteten „eine große gesellschaftliche Relevanz“ zu, sagte sie bei ihrer Ansprache. Auch kündigte Badenberg an, „Geld in die Hand zu nehmen“ für den Neubau einer Teilanstalt auf dem Gelände. Neues verriet sie damit nicht. Schwarz-Rot hatte schon bei den Koalitionsverhandlungen beschlossen, das von Badenbergs Vor-Vorgänger Dirk Behrendt (Grüne) gestoppte Bauvorhaben wieder aufnehmen.
Der Neubau ist auch aus Sicht von fortschrittlichen Justizexperten überfällig, um die aus der Kaiserzeit stammende Teilanstalt II schließen und sanieren zu können. Die Inhaftierten sind dort in 7,8 Quadratmeter großen Zellen ohne abgetrennten Sanitärbereich untergebracht. Sie schlafen mit dem Kopf praktisch neben dem Klo, wie Anstaltsleiter Riemer im taz-Interview sagte.
Wenn eine Rede an diesem Tag von Relevanz war, dann die des früheren Tegeler Anstaltsleiters Ralph-Günter Adam. Adam hatte 1978 als Sozialarbeiter in Tegel angefangen. Von 2007 bis zu seiner Pensionierung 2013 hatte er das Gefängnis geleitet. Er lebt inzwischen in Bayern und engagiert sich ehrenamtlich für die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter. Der Auftrag von Gefängnissen sei nicht nur, die Gesellschaft vor Straftätern zu schützen, sondern auch den Inhaftierten den Weg zurück in die Gesellschaft zu bahnen, sagte Adam. „Gefangene sollten nicht nur eine Nummer sein, sondern ihre Würde behalten.“
Auch in der Zeit, als er schon Anstaltsleiter war, hatte Adam noch Fortbildungsveranstaltungen für Mitarbeiter gemacht. Um seine Philosophie weitergeben, wie er am Freitag sagte. „In keiner Institution haben Menschen so viel Macht über andere Menschen wie im Strafvollzug.“ Es beginne bei kleinen Dingen wie Anklopfen an der Zelle, und auch Ganzkörperdurchsuchungen könnten weniger entwürdigend durchgeführt werden. Mit den Wünschen für „ein von gegenseitigem Respekt getragenes Miteinander“ schloss Adam dann auch seine Rede.
Aufgeschlossen für KI in Tegel
Martin Riemer, seit 10 Jahren Anstaltsleiter, wagte einen Blick in die Zukunft. Gegenwärtig sind rund 700 Männer in Strafhaft und Sicherungsverwahrung untergebracht. Tegel sei ein Gefängnis für besonders schwierige Menschen mit komplexen Störungen, sagte Riemer. Auch die Konflikte in Europa und der Welt würden vor der Haftanstalt nicht haltmachen.
Traumatisierte Inhaftierte mit Fluchterfahrung bräuchten eine besondere therapeutische Betreuung. Das sei nicht nur eine Frage von Personal, auch die Sprachbarrieren seien ein großes Problem. „Ob uns KI da in Zukunft helfen kann?“, fragte Riemer. Etwa, indem therapeutische Hilfe in die Sprache des Gegenübers übersetzt werden könne? „Ich wäre für so eine Entwicklung aufgeschlossen“.
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