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10 Jahre Haus der StatistikViel Platz für Anderes

Im und um das Haus der Statistik am Alex entsteht ein einzigartiges Stück Stadt. Freunde, Förderer und Beteiligte gratulieren zum 10. Geburtstag.

Das Haus A ist bereits saniert. Demnächst werden die Mietverträge mit der Genossenschaft ZKB unterschrieben Foto: Uwe Rada

Andreas Krüger

„Wie konnte das Haus der Statistik zum Modellprojekt werden? Das fragen sich alle damit Befassten quasi täglich. Das ist Talk of town auch außerhalb Berlins. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, der Allesandersplatz. Resonanzraum des spekulativen Visionierens, plötzlich greifbar und alltagstauglich erscheinend – und doch im Ringen um die Ermöglichung immer wieder an die Grenzen des senatsspezifischen Politik- und Verwaltungszirkus geratend. Zugegebenermaßen: Einiges wird, einiges wird nichts. Seitens der Genossenschaft Zusammenkunft Berlin (ZKB) konstatieren wir eine Entmutigungsunfähigkeit, die an Selbstkasteiung grenzt. Dank an die, die es wollen und ermöglichen, in allen beteiligten Lagern, Institutionen und Lebensanschauungen.“

Andreas Krüger ist alternativer Projektentwickler und Mitbegründer des Runden Tisches Liegenschaftspolitik

Matthias Kollatz

„Ich gratuliere dem Haus der Statistik, weil bei einem Riesengebäude in Sichtweite des Alexanderplatzes der Verfall gestoppt werden konnte. Die neuen beispielhaften Nutzungen werden Berlin schmücken.“

Matthias Kollatz hat als Finanzsenator den Kauf des Areals vom Bund möglich gemacht

Die Geschichte des „Allesandersplatz“

Hausbesetzung am Alex. Echt jetzt? Genauer betrachtet wurde vor zehn Jahren nicht irgendein Haus besetzt, sondern das Haus der Statistik. Und besetzt wurde es auch nicht richtig, eher von Aktivistinnen und Aktivisten wieder mit Leben gefüllt, die sich dem Ziel einer Gemeinwohl orientierten Stadtentwicklung verschrieben hatten. Aus dem Riesenkomplex, der abgerissen und einem Investorenbau weichen sollte, sollte plötzlich ein „Zentrum für Kunst, Kultur, Soziales und Geflüchtete“ werden.

Tatsächlich ist am nördlichen Zipfel des Alexanderplatzes alles anders geworden. In den Riegel an der Otto-Braun-Straße ist bereits das Finanzamt Mitte/Tiergarten gezogen. Im „Haus A“, über dem der weithin sichtbare Schriftzug „Allesandersplatz“ prangt, wird die Genossenschaft Zusammenkunft Berlin ZKB demnächst Räume vergeben können.

Und dann sind da noch die Neubauten, die auf der Freifläche hinter dem Riegel entstehen. Drei Wohnhäuser der Wohnungsbaugesellschaft Mitte WBM mit 250 Wohnungen, drei Experimentierhäuser, die die ZKB kuratiert, und der 70 Meter hohe Neubau des Rathauses Mitte.

Berliner Verwaltung und Zivilgesellschaft Hand in Hand? Kann das klappen? Es musste. Gleich nach der Besetzung kippte der Bezirk Mitte den Bebauungsplan, der den Abriss festlegte. Kurz danach holte der damalige Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) das Haus der Statistik in Landesbesitz. Bedingung des Bundes für den Verkauf: 80 Prozent des Bestandsgebäudes müssen von der Verwaltung genutzt werden.

Das hätte das Aus sein können, denn für ein Kunstzentrum wäre kaum mehr Platz gewesen. Der Kompromiss waren dann die drei Experimentierhäuser für die ZKB, die sich zudem den Zugriff auf alle Erdgeschosse sicherte. So sollen auch jene Gebäudeteile, in denen Behörden sitzen, für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Zumindest auf unterster Ebene.

„Koop 5“ heißt das ungewöhnliche Bündnis, zu dem sich ZKB, WBM, die Berliner Immobilienmanagment GmbH, der Bezirk und die Senatsbauverwaltung zusammengeschlossen haben. Beschlüsse wurden meist im Konsens getroffen, das hat Vertrauen geschaffen.

Aber es gibt auch Kritik. Statt ein eigenständiges Zentrum zu betreiben, ist die ZKB nun Mieterin der BIM. Und musste das Bestandsgebäude wirklich für 200 Millionen Euro saniert werden? Auf der andern Seite hat das Abgeordnetenhaus beschlossen, dass die Räume in Haus A an die Initiativen unter Verkehrswert vergeben werden. Weniger skeptisch sind Projektentwickler aus aller Welt. Sie pilgern her und staunen über Berlin.

Zum 10. Geburtstag gibt es von 12. bis 14. September im Haus Tage der Offenen Tür mit zahlreichen Veranstaltungen. Alle Infos unter: hausderstatistik.org (Uwe Rada)

Nina Stahr

„Das Haus der Statistik spiegelt wie kaum ein anderer Ort die wechselvolle Geschichte Berlins: vom Sammellager in der NS-Zeit über die DDR-Statistikbehörde und später die Aufarbeitung von Stasi-Akten bis hin zum jahrzehntelangen Leerstand. Umso großartiger, dass hier ein Modellprojekt für Kultur, soziale Stadtentwicklung und kooperative Nutzung wächst, das für die Zukunft Berlins steht. Dieser Ort ist wichtig für Berlin – in diesem Sinne gratuliere ich ganz herzlich zum Geburtstag!“

Nina Stahr ist Landesvorsitzender Berliner Grünen

Angela Deppe

„Die Lektion, die ich gerne gelernt habe, betrifft das Thema Zwischennutzung. Da ging viel mehr, als ich gedacht habe. Im Grunde war das Haus der Statistik eine Ruine. Ich hatte nie gedacht, dass man dafür eine Duldung des Bauamtes bekommen kann. Die haben sich sehr gestreckt. Wenn heute meine Kollegen kommen und sagen, das was nicht geht, sage ich ihnen: Schaut mal, im Haus der Statistik ging es.“

Angela Deppe ist Prokuristin und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Berliner Immobilien Managment GmbH BIM

Andrea Hofmann

„Bestimmt wird man ein solches Maß an Beteiligung und Abstimmung nicht an allen Orten machen können. Auf der anderen Seite hat auch die BIM gelernt, sich etwas Zeit zu nehmen und in leerstehenden Objekten erst einmal Pioniernutzungen zuzulassen.“

Andrea Hofmann ist Vorständin der Genossenschaft Zusammenkunft Berlin ZKB und eine der Initiatorinnen des Projekts

Kerstin Wolter

„Das Haus der Statistik stand lange leer – und hatte doch in dieser Zeit eine Wirkung. Ich denke an das Graffiti „Stop Wars“, an die Kritik zum G20-Gipfel 2017 oder das große Herz. Jetzt zieht wieder Leben ein am „Allesandersplatz“ – und wie! Die Geschichte des Hauses steht für eine Stadtentwicklung, in der nicht nur Politik oder Unternehmen entscheiden, sondern auch Künstlerinnen, Künstler und die Zivilgesellschaft. Kreatives Engagement und gesellschaftlicher Druck haben gezeigt: Stadt geht auch anders. Und es entsteht bezahlbarer Wohnraum, der Berlinerinnen und Berlinern die Rückkehr in die Mitte ermöglicht. Ich gratuliere herzlich zu dieser Meisterleistung.“

Kerstin Wolter ist Landesvorsitzende der Partei Die Linke

Ephraim Gothe

„Entscheidend im Prozess war die ZKB. Einmal, weil die so professionell sind. Zum andern, weil sie auch eine disziplinierende Wirkung auf die anderen Kooperationspartner aus Behörden und Verwaltung hatten. Die wollten sich keine Blöße geben und zeigen, dass auch Verwaltung verbindlich und professionell arbeiten kann.“

Ephraim Gothe (SPD) ist Baustadtrat in Mitte und hat bei der Zwischennutzung manchmal ein Auge zudrücken müssen

Lars Dormeyer

„Ich gratuliere dem Haus der Statistik, weil hier sichtbar wird, wie Stadt gemeinsam gestaltet werden kann – mutig, offen und im Dialog. Dieses Projekt bringt neues Leben ins Zentrum Berlins und verbindet Wohnen, Arbeiten und Gemeinwohl auf beispielhafte Weise. Dass wir als WBM unsere Expertise einbringen und diesen besonderen Ort mitentwickeln dürfen, ist für uns von großer Bedeutung.“

Lars Dormeyer ist Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM), die auf dem Gelände 250 Wohnungen baut

Katrin Lompscher

„Allesandersplatz – das ist die Vision und das Versprechen dieses außergewöhnlichen Projekts und seiner Protagonist:innen. Ohne sie wäre der Büroklotz der 70er einem seelenlosen Investorengebirge gewichen. Ohne sie wäre es nicht gelungen, diesen Ort der Spekulation zu entziehen und daraus ein Labor für kooperative Stadtproduktion zu machen. Ohne ihr Durchhaltevermögen, ihre Kreativität und Professionalität hätte das Vorhaben auch scheitern können. Berlin wird künftig mit dem Quartier einen auch international anerkannten Experimentierort vorweisen können. Dank an euch und alles Gute zum 10. Geburtstag!“

Katrin Lompscher (Die Linke) war zu Beginn des Projekts Bausenatorin

Christian Gaebler

„Der Entwicklung des Hauses der Statistik liegt die Vision eines gemeinwohlorientierten Quartiers zu Grunde. Dies wird ermöglicht durch engagierte Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen, die bereit waren und immer noch sind, sich auf ein solches Experiment einzulassen. Nach Jahren der Programmierung und Planung beginnt jetzt die Nutzungsphase des Quartiers. Darüber freue ich mich.“

Christian Gaebler (SPD) ist Senator für Stadtentwicklung

Regula Lüscher

„Ich gratuliere, weil das Projekt weit über Berlin hinaus demonstriert, wie aus Mitreden Mitmachen wird. Alles an diesem Projekt ist beispielhaft: die Beteiligung, der Prozess, die gemischte Akteurskonstellation, der Erhalt des DDR-Bestandes, das gesellschaftliche Engagement, das Miteinander unterschiedlichster Partner, das Stück gemischte gemeinwohlorientierte Stadt, das an zentralster Lage entsteht!“

Regula Lüscher war vor zehn Jahren Senatsbaudirektorin

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