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Ich sage es tatsächlich nur ungern, aber ich bin derzeit wirklich glücklich darüber, dass wir jemanden wie Scholz im Kanzleramt haben. Ob seine Handlungen aus Mut- und Ideenlosigkeit oder tatsächlichem Kalkül resultieren vermag ich allerdings nicht zu erkennen.
Frau Lehmann wird immer mehr zur Regierungssprecherin. Nachdem Scholz wochenlang gedruckst hat, ist es jetzt plötzlich eine Leistung seinerseits, seine Politik mal zu erklären. Nachdem Scholz wochenlang von den öffentlichen Meinung angetrieben wurde, wird ihm jetzt fast schon Mut zugeschrieben, nur weil die Zustimmung zur Lieferung schwerer Waffen vielleicht etwas gesunken ist. Gespalten ist Deutschland übrigens noch lange nicht, oder
allenfalls geografisch, nur weil jeder 2. im Osten Sanktionen falsch findet. Und Sanktionen haben auch übernichts mit Angst zu tun, höchstens mit Wohlstandsverlustangst und die mag menschlich sein, aber nicht besonders mitmenschlich. Die Angst vor einem Atomkrieg hingegen ist zwar selbstverständlich legitim, nur eben genau so emotional und damit fragwürdig, wie eine Politik aus Entsetzen und Empörung heraus.
@Benedikt Bräutigam die Merkel hat 16 Jahre gedruckst !
@Claus Deuchert Das ist kein Argument. Drucksen ist immer falsch.
Die korrigierte Linie der Scholz-Regierung in der Ukraine-Unterstützung gegen den Angriffskrieg teile ich voll und ganz, wenngleich die Scholz-Ansprache seiner flachatmigen Rhetoriklinie folgt, die er bei seiner Amtsvorgängerin abgeschaut hat. Die Argumentation der EMMA-Briefschreiber*innen verliert aus meiner Sicht dagegen an Substanz und Glaubwürdigkeit, da sie von der Ukraine Verzichtsleistungen fordern, die schlicht unvertretbar sind.
Uns gilt es zu beachten, dass es allein die Ukrainer*innen selbst sind, die zu entscheiden haben, wie sie ihre Zukunft in Freiheit gestalten wollen. Wir im Westen müssen sie dabei bestmöglich unterstützen.
A. Schwarzer, H. Welzer usw. täten gut daran, ihre Forderungen stattdessen an den Putin-Clan zu richten. Davon ist in dem Schreiben überhaupt nirgendwo die Rede. Sie sollten den Leuten im Kreml erklären, wie gut und sinnvoll es wäre, mit dem Wort und Bleistift statt mit Bomben zu handeln. Ist das geplant?
Hatten denn Frau Schwarzer und ihre Gleichgesinnten schon mal die Idee, um persönlich dort vorzusprechen? Man sollte auf die Gelegenheit gespannt sein, sie zur besten Sendezeit im russ. TV zu sehen.
Und wie, so quält mich besonders die Frage, setzen sich denn die EMMA-Brief-Autor*innen mit den Äußerungen der exilierten Putin-Gegenerschaft auseinander?
ich bin in den 80ern auf AntipershingII Demos gewesen, meine Eltern und Großeltern Vertriebene und mir kann es nicht gefallen, wenn Waffen geliefert werden und stetig potentiell zur Kriegspartei zu werden...( wann das der Fall ist/wäre, entscheidet wohl Putin...) Die Alternative, keine Waffen zu liefern, die Ukraine und weitere angrenzende Länder von Russland besetzen zu lassen, wobei nicht abzusehen ist, wann und wo die Einmärsche stoppen.. gefällt mir schon gar nicht !! Ich möchte kein Russe werden und in einem solchen System leben müssen. Der Faschismus, Hitler, konnte n u r durch Waffengewalt gestoppt werden..!! Ist irgendwo auf der Welt jemals ein Angriffskrieg durch Gespräche gestoppt worden????
Haben die diplomatischen Treffen und Gespräche mit Putin und russischen Delegationen auch nur einen Milimeter gebracht?? NICHTS .. alles nur Zeitverschwendung, Ablenkung von Angriffen im Hintergrund, Dekoration....
es kann einem nicht gefallen... aber Gespräche brauchen eben gesprächsbereite und kompromissbereite 2 !!! Seiten ... diese Kompromissbereitschaft wird erst eintreten, wenn die Waffen nicht ans gewünschte Ziel führen oder der Angreifer keine mehr hat.... Nichts anderes...
Ich hoffe, dass die Aussage, mit Diplomatie allein ließen sich Diktatoren nicht abschrecken, auch bald mal in der Beziehung zur chinesischen Diktatur in den Fokus rückt. Die wirtschaftliche Abhängigkeit bedeutender Industriezweige ist ein bemerkenswerter Fehler, der Deutschland erpressbar macht und im Zweifelsfall mindestens so teuer wird wie das, was im Verhältnis zu Putins Russland nun an Kosten aufgeworfen wird. Übrigens kann Putin nichts allein erreichen. Er ist von einer Elite aus Ex-KGBlern, Oligarchen, Militärs und russisch-orthodoxer Kirche umgeben, die sein verbrecherisches Treiben unterstützen. Und große Teile der Bevölkerung stehen hinter ihm. Die "Gehirnwäsche", die dort zur Zeit stattfindet, wäre nicht in diesem Ausmaß möglich, wenn die Mehrheit der Menschen dort den sukzessiven Abbau der Presse- und Meinungsfreiheit nicht kritiklos hingenommen hätte. Die Unterwerfung großer Teile der Bevölkerung dort unter wechselnde Machteliten war ja bereits im 19. und 20. Jahrhundert Inhalt der Kritik russischer Schriftsteller, die recht schonungslos mit den Menschen im eigenen Land umgingen. Aus nächster Anschauung, versteht sich.
Wir sollten m.E. darauf achten, die ganz realistische Möglichkeit eines 3. Weltkriegs und die deshalb nur zu begründete Furcht davor, nicht zu einem bloß psychologischen Problem der Wahrnehmung der Fürchtenden zu machen (für das man zwar Verständnis aufbringen sollte, das 'ok' und 'zutiefst menschlich' ist). Das wäre fatal.
Angesichts von Scholz' klarer Aussage, daß Deutschland keine Kriegspartei werden dürfe, sei hier auf die Aussagen des ukrainischen Botschafters Melnyk hingewiesen, der bisher überaus erfolgreich dabei war, Einfluß auf die deutsche Politik zu nehmen:
"Der dritte Weltkrieg hat bereits begonnen. Putins Angriff auf die Ukraine betrifft alle, auch die Deutschen, wenn auch noch nicht militärisch. (...)
Die Angst, durch Waffenlieferungen zur Kriegspartei zu werden, ist völliger Quatsch. Für Putin ist Deutschland längst Kriegspartei." [1]
Das Bestreben Melnyks Deutschland in den Krieg und damit in den Weltkrieg hineinzuziehen, ist unverkennbar, und Deutschland ist gut beraten, diesem Berater nicht den Stellenwert einzuräumen, den er bislang genießt.
@Klaus L. Melnyk hat jenseits seiner Wortwahl im Kern aber leider völlig recht und es sind im Gegenteil unsere Versuche, uns irgendwie herauszuhalten, sind nicht nur moralisch falsch, sondern auch irrational und politisch langfristig dumm. Wir sind beteiligt, wir sind betroffen, wir müssen uns dazu verhalten. Deutschland kann sich nicht drücken und zwar aus Eigeninteresse nicht. Angst ist dabei kein guter Ratgeber. Man sollte auch aufpassen, dass man nicht Angst und Desinteresse miteinander verwechselt, egal ob absichtlich oder unabsichtlich. Man sollte Genzen definieren, das tut man jetzt auch langdam mit der nitwendigen Klarheit. Dazu gehört das Unterlassen jeder direkten militärischen Beiteiligung einerseits und die klare Zurückweisung möglicher territorialer Erfolge des russischen Angriffskrieges. Damit ist die Position klar und Putin kann sich nicht täuschen. Glaubt er nämlich, die Unterstützung des Westens für die Ukraine unterminieren zu nnen, dann wird die Situation viel gefährlicher. Dann droht ein Überziehen Putins, danndroht mehr Eskalation und nicht weniger.
Mit dem Hinweis, wir wollen keine Kriegspartei werden, wird semantisch die Feststellung umgangen Kriegspartei zu sein.
Für mich ist Deutschland bereits Kriegspartei geworden. Und es dürfte doch wohl klar sein, dass die Aufklärung der USA, verbunden mit der logistischen Unterstützung der Ukraine Armee auch von deutschen Boden (Rammstein) geschieht.
Und jetzt kommt möglicherweise noch die Ausbildung ukrainischer Soldaten hinzu.
Was soll das herum geriere.....
Deutschland ist bereits Kriegspartei durch seine direkte Unterstützung mittels Waffenlieferungen. Spätestens wenn die Bundeswehr auch noch ukrainische Soldaten ausbilden sollte, gibt es da absolut keine Ausrede mehr.
@Herbert Eisenbeiß Nein, Deutschald ist nicht aufgrund seuner Waffenlieferung Partei, sondern weil es mittelbar und zeitlich absehbar mit angegruffen worden ist. Putin glaubte uns schwach und erpressbar und je mehr wir und dieser Einschätzung entsprechend verhalten (hätten), für umso schwächer und erprebarer hätte uns Putin auch weiterhin gehalten und behandelt.
@Benedikt Bräutigam Deutschland ist angegriffen worden? Wo denn? Blödsinn!
Mit dem Haftbefehl des Haager Tribunals wird Putin in Demokratien zum Pariah. Ein Frieden wird erst möglich sein, wenn Putin nicht mehr regiert.
Rede an die Nation: Dem Erpresser nicht nachgeben
Kanzler Olaf Scholz erklärt seinen Kurs. Keinesfalls Kriegspartei werden, aber: Ja zu schweren Waffen. Der Stimmungstrend ist dagegen.
Scholz nutzte die Gelegenheit auch, um vom Wahlergebnis im Norden abzulenken Foto: Britta Pedersen/dpa
Zwei Tage, ein Ereignis, zwei Deutungen. Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg, Nazi-Deutschland hatte bedingunglos kapituliert vor den Streitkräften der Alliierten. In Deutschland feiert man die Kapitulation als Tag der Befreiung. Russland feiert den Tag am 9. Mai als Tag des Sieges. Mit Spannung wird erwartet, welche Worte der russische Präsident Wladimir Putin an diesem Montag findet und mit Sorge, ja Furcht beobachtet, welche Taten wohl folgen.
Russland hat den 9. Mai als Tag des Sieges für sich gekapert, obwohl es die Sowjetarmee war, die die Wehrmacht ab 1942 unter riesigen Verlusten zurückdrängte, eine Armee, in der neben Russ:innen und anderen Völkern auch 6 bis 7 Millionen Ukrainer:innen kämpften. So wie Russland ja auch ehemalige Sowjetrepubliken wie die Ukraine heute als Teile des eigenen Herrschaftsgebietes wieder für sich reklamieren möchte.
Den Krieg gegen die Ukraine deutet Putin nun als Fortsetzung des Sieges über Nazi-Deutschland um – auch hier geht es ja angeblich um Denazifizierung. Geschichtsfälschung, die sich gerade verselbständigt und ins Absurde gesteigert wird, bis hin zu der Behauptung des russischen Außenministers, Hitler habe jüdische Wurzeln gehabt. Dafür immerhin musste sich Wladimir Putin bei Israel entschuldigen.
Der deutsche Kanzler Olaf Scholz hat seine eigenen Worte gefunden am Tag der Befreiung. Er hat die Geschichtsklitterung zurechtgerückt, hat noch einmal deutlich gemacht, dass Russen und Ukrainer gemeinsam den Nationalsozialismus niedergerungen haben. Hat erneut betont, dass Deutschland sich an beiden Nationen schuldig gemacht habe.
Nur Putin ist der Feind
Das ist eigentlich alles längst bekannt und selbstverständlich. Doch was bis gestern selbstverständlich schien, ist heute diskutabel. Scholz weist damit jene Kritiker:innen, vor allem aus dem linken Spektrum, in die Schranken, die meinen, Deutschland dürfe keine Waffen an die Ukrainer:innen liefern, denn aus historischer Verantwortung dürften nie wieder deutsche Waffen gegen russische Soldat:innen gerichtet werden.
Zum anderen erteilt er jenen eine Absage, die finden, die deutsche Politik sei immer noch viel zu russophil und aktuell seien alle Russ:innen Feinde der Ukrainer:innen. Scholz behauptet stattdessen unverdrossen: Putin wolle die Ukraine unterwerfen, es sei Putins Angriffskrieg. Natürlich wird man im Kanzleramt wissen, dass Putin erhebliche Unterstützung in der russischen Bevölkerung genießt.
Der Kreml muss keine Statisten anwerben und bezahlen, damit genügend Menschen der Militärparade am 9. Mai auf der Twerskaja zujubeln. Dennoch verzichtet Scholz darauf, Russland als Nation an den Pranger zu stellen. Auch das ist eine Lehre aus der Geschichte. Schließlich haben es die Nachbar:innen auch den Deutschen verziehen, dass sie mehrheitlich die NSDAP gewählt und Hitler zugejubelt haben.
Die Geschichte lehrt uns auch: Mit Diplomatie allein lassen sich Diktatoren nicht abschrecken. Deutschland unterstützt die Ukraine deshalb mit Waffen – aus historischer Verantwortung, wie Scholz betont. Der Kanzler hat die Gelegenheit genutzt, seinen Kurs erneut zu erläutern, der da lautet: Umsicht (eigene Verteidigungsfähigkeit erhalten), Rücksicht (auf unsere Interessen), Vorsicht (bloß nicht Kriegspartei werden) und keine Alleingänge.
Weniger Zustimmung für schwere Waffen
Vier Prinzipien, die viele Menschen umtreiben. Die Zustimmung zur Lieferung von Panzern und ähnlich durchschlagkräftigen Waffen ist seit Kriegsbeginn gesunken, die Bevölkerung ist gespalten. Gespalten ist sie auch im Hinblick auf die Sanktionen gegen Russland. Im Osten Deutschlands sind diese stark umstritten, jede zweite findet sie falsch. Das ist o.k., denn Furcht ist kein Makel, wie manche meinen, sondern zutiefst menschlich.
Es ist deshalb richtig, dass Scholz nun verstärkt die Öffentlichkeit sucht und seine Politik erläutert – auch wenn die Erklärung diesmal zeitlich wie zufällig die Nachrichten über ein historisch schlechtes Landtagswahlergebnis der Sozialdemokraten überlagert. Ein Tipp: Vielleicht sollte sich Scholz bei der nächsten Regierungserklärung von einer Gruppe Rufer:innen flankieren lassen, wie am 1. Mai auf der DGB-Kundgebung in Düsseldorf.
Die belebende Wirkung eines solchen Schreichors auf den Kanzler war erstaunlich. Fehlenden Mut hatte ihm nach diesem Auftritt jedenfalls niemand attestiert.
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Kommentar von
Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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