+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Scholz und Macron sprechen mit Putin
Die beiden Regierungschefs fordern Putin zu einem Waffenstillstand auf. Joe Biden hat weitere 200 Millionen US-Dollar Militärhilfe für die Ukraine bewilligt.
Biden bewilligt 200 Millionen Dollar Militärhilfe für Ukraine
US-Präsident Joe Biden hat die Freigabe von Waffenlieferungen und Militärhilfe für die Ukraine in Höhe von 200 Millionen Dollar (182 Millionen Euro) angeordnet. Das teilte das Weiße Haus am Samstag mit. Biden hatte erst vor zwei Wochen – unmittelbar nach Beginn des russischen Angriffskriegs – Soforthilfen über 350 Millionen Dollar für die ukrainischen Streitkräfte bewilligt. Dem US-Verteidigungsministerium zufolge sind die damit bereitgestellten Waffen, darunter moderne Panzerabwehrlenkwaffen vom Typ Javelin, inzwischen bereits an die Ukraine geliefert worden.
Seit Anfang vergangenen Jahres summiert sich die US-Militärhilfe für die Ukraine inzwischen auf rund 1,2 Milliarden Dollar, wie aus einer Aufstellung des Außenministeriums hervorgeht. Andere Länder, darunter auch Deutschland, haben der Ukraine ebenfalls bereits Waffen geliefert oder zugesagt, darunter auch Flugabwehrraketen.
Der US-Kongress verabschiedete zudem vor wenigen Tagen als Teil des Haushalts auch ein Paket für humanitäre und militärische Hilfen in Höhe von 13,6 Milliarden US-Dollar für die Ukraine. Biden will das Haushaltsgesetz voraussichtlich kommende Woche unterschreiben. Bis zu einer Auszahlung der Hilfen kann aber noch Zeit vergehen. (dpa)
UN: 579 getötete Zivilisten in Ukraine bestätigt
Seit Kriegsbeginn sind in der Ukraine nach Angaben des UN-Menschenrechtsbüros mindestens 579 Zivilisten getötet und mehr als 1000 weitere verletzt worden. Bei 42 der Toten handele es sich um Kinder, teilte das Büro der Hohen Kommissarin für Menschenrechte mit Sitz in Genf am Samstag mit. Demnach wurden bisher 54 verletzte Kinder bestätigt. Am Vortag hatte das UN-Menschenrechtsbüro die Zahl der bestätigten Todesopfer unter Zivilisten mit 564 und jene der Verletzten mit 982 angegeben.
Die meisten zivilen Opfer habe es durch Einsatz von Explosionswaffen mit einem „weiten Einschlaggebiet“ gegeben, etwa durch Beschuss mit schwerer Artillerie sowie Raketenangriffen. UN-Funktionäre gehen von einer weit höheren Opferzahl in der Ukraine aus. Hintergrund sei, dass Informationen mit Verzögerung eingingen und viele Berichte noch bestätigt werden müssten. (ap)
Experten aus Russland sind am Kernkraftwerk Saporischschja
In dem von russischen Truppen besetzten ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja sind nach Angaben aus Kiew Experten aus Russland eingetroffen. Elf Beschäftigte des russischen Staatskonzerns Rosatom hätten das AKW im Südosten der Ukraine erreicht, darunter seien zwei Ingenieure, teilte das staatliche Unternehmen Enerhoatom am Samstag in Kiew mit. Vertreter einer selbst ernannten militärisch-zivilen Verwaltung hätten erklärt, dass die Gruppe die Sicherheit der Anlage bewerten solle und auch für Reparaturarbeiten zuständig sei.
Rosatom bestätigte am Nachmittag, „dass eine Gruppe mehrerer russischer Experten“ dem ukrainischen Fachpersonal „beratend zur Seite“ stehe. Verwaltung und Betrieb lägen in der Hand der Ukraine. Das gelte auch für das ehemalige Atomkraftwerk Tschernobyl. Russische und ukrainische Spezialisten tauschten sich regelmäßig aus.
In Europas größtem Atomkraftwerk hatte vor mehr als einer Woche nach ukrainischen Angaben ein Ausbildungsgebäude unweit eines Reaktors gebrannt, nachdem es unter Beschuss geraten sein soll. Nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) funktioniert inzwischen die automatische Übertragung von Daten an die IAEA in Wien nach einer Unterbrechung wieder. (dpa)
Hochschulen setzen Kooperation mit russischen Partnern aus
Ein großer Teil der Universitäten in Deutschland hat seine Kooperationen mit russischen Partnerorganisationen ausgesetzt. Von 86 Hochschulen, die bislang mit russischen Partnern zusammenarbeiteten, hätten 78 die Zusammenarbeit nun auf Eis gelegt, ergab eine Umfrage der „Welt am Sonntag“. Das entspricht einer Quote von 91 Prozent.
Peter-André Alt, Präsident der Hochschulkonferenz, sagte der Zeitung, die Aussetzung der Kooperationen werde für die russische Regierung perspektivisch „sehr schmerzhaft“ sein – „durch Auswirkungen auf die praktische Forschungsarbeit wie das internationale Prestige“. Er sagte aber auch: „Es wäre naiv, unmittelbare positive Effekte zu erwarten, erst recht nicht für die leidenden Menschen in der Ukraine.“
Die „Welt am Sonntag“ hatte nach eigenen Angaben 120 Hochschulen nach der Zusammenarbeit mit Russland befragt. 105 Hochschulen hätten geantwortet. Von diesen hätten 86 angegeben, Kooperationen mit Russland aufgebaut zu haben. (afp)
Selenski: 1.300 ukrainische Soldaten bislang getötet
Seit Ausbruch des Kriegs in der Ukraine vor mehr als zwei Wochen sind etwa 1.300 ukrainische Soldaten getötet worden. Das sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski am Samstag vor internationalen Journalisten. Die ukrainische Armee hatte sich bislang bei Angaben zu Verlusten in den eigenen Reihen bedeckt gehalten und lediglich die Zahl angeblich getöteter russischer Soldaten genannt. „Bei uns sind etwa 1.300 Soldaten getötet worden und bei Russland mehr als 12.000“, sagte der Präsident. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Zuletzt hatte Selenski am zweiten Kriegstag, am 25. Februar, von 137 gefallenen ukrainischen Soldaten gesprochen. Russland hatte bei seiner bisher einzigen Angabe am 2. März eine Zahl von knapp 500 getöteten eigenen Streitkräften genannt. Die Donezker Separatisten sprachen kürzlich von bislang rund 200 getöteten eigenen Kämpfern. Anfang März hatte Moskau behauptet, dass es auf ukrainischer Seite schon 2.870 getötete Soldaten gegeben habe. (dpa)
Scholz und Macron fordern Putin zu Waffenstillstand auf
In einem gemeinsamen Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der französische Präsident Emmanuel Macron einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine gefordert. Zudem hätten Scholz und Macron in dem 75-minütigen Telefonat am Samstag auf einen Einstieg in eine diplomatische Lösung des Konflikts gedrungen, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit.
Das neuerliche Dreiergespräch sei Teil der andauernden internationalen Bemühungen, den Krieg in der Ukraine zu beenden, erklärte Hebestreit weiter. Über weitere Inhalte des Telefonats sei Stillschweigen vereinbart worden.
Am Vormittag habe der Bundeskanzler bereits mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski gesprochen und sich über dessen Einschätzung der aktuellen Lage informiert. Die beiden hätten verabredet, weiterhin eng in Kontakt zu bleiben, teilte Hebestreit mit. (afp)
Russischer General laut ukrainischem Militär getötet
Nach Angaben eines ukrainischen Generalmajors ist ein weiterer russischer General bei Kämpfen getötet worden. Anton Geraschtschenko, ein Berater des ukrainischen Innenministeriums, sagte am Samstag, der russische Generalmajor Andrej Kolesnikow sei bei den Kämpfen um die belagerte Stadt Mariupol gefallen. Nach ukrainischen Angaben ist er der dritte russische General, der in diesem Krieg ums Leben gekommen ist.
Der Tod Kolesnikows wurde vom russischen Militär, das Informationen über seine Verluste unter Verschluss hält, nicht bestätigt. Zuvor hatten inoffizielle russische Quellen jedoch den Tod eines russischen Generals bestätigt.
Der Tod von Generalmajor Andrej Suchowezkij, dem kommandierenden General der 7. russischen Luftlandedivision, wurde zuvor von seinem Kollegen und der Offiziersvereinigung in Südrussland bestätigt. Der Tod eines anderen Generals, Generalmajor Witali Gerasimow, wurde von keiner russischen Quelle bestätigt.
Weiterhin haben die russischen Streitkräfte nach ukrainischen Angaben die östlichen Außenbezirke von Mariupol eingenommen. In einem Facebook-Update vom Samstag wurde erklärte, die Einnahme von Mariupol und Sewerodonezk im Osten habe für die russischen Streitkräfte Priorität. Mariupol wird seit mehr als einer Woche belagert und ist ohne Strom, Gas und Wasser. (ap)
Bereits nahezu 123.000 Kriegsflüchtlinge in Deutschland
Immer mehr Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine kommen in Deutschland an. Seit Beginn des russischen Angriffs am 24. Februar sind 122.837 Menschen aus der Ukraine nach Deutschland gekommen, wie das Bundesinnenministerium am Samstag mitteilte. Das seien Zahlen der Bundespolizei, die momentan verstärkt kontrolliere, sagte ein Sprecher. Da aber keine festen Grenzkontrollen an den Binnengrenzen stattfänden, könne die Zahl der nach Deutschland eingereisten Kriegsflüchtlinge tatsächlich bereits wesentlich höher sein.
Nach UN-Angaben haben bereits mehr als 2,5 Millionen Menschen aus der Ukraine im Ausland Zuflucht gesucht. Die meisten blieben zunächst in den Nachbarländern. (dpa)
UN-Organisation warnt vor Hungerkatastrophe in Ukraine
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (UN) warnt vor einer Hungerkatastrophe in der Ukraine. In den umkämpften Städten werde es immer schwieriger Nahrungsmittel und Trinkwasser zu den Menschen zu bringen, sagte der Leiter des Berliner Büros des Welternährungsprogramms (WFP), Martin Frick, am Samstag im RBB-Inforadio.
Durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine rechne das Welternährungsprogramm damit, dass mindestens drei Millionen Menschen in der Ukraine, Hunger leiden müssen, wenn sie nicht zusätzlich mit Lebensmitteln versorgt werden. „Und dauert dieser Krieg noch länger, kann diese Zahl noch höher werden“, sagte Martin Frick.
Die Ernährungslage in Ukraine werde von Tag zu Tag schlimmer: „Die dauernden Bombardements und die Zerstörung von Infrastruktur bedeuten auch, dass die zivile Lebensmittelverteilung immer mehr beeinträchtigt ist, manchmal auch schon zusammenbricht.“
Das Welternährungsprogramm baue derzeit drei Logistikzentren im Westen der Ukraine auf. Außerdem versuche die UN-Organisation, Lebensmitteldepots in Städten vorzubereiten, die demnächst von der russischen Armee angegriffen werden könnten. „Wir versuchen alles, um an die Menschen heranzukommen“, sagte Frick.
Dabei wirke sich der Krieg in der Ukraine auch auf die weltweite Ernährungssituation aus. „13 Millionen Tonnen Weizen und 16 Millionen Tonnen Mais können durch den Krieg in der Ukraine nicht exportiert werden“, sagte UN-Mitarbeiter. Besonders im Nahen Osten und in Nordafrika, wo Länder stark von Weizenimporten abhängig sind, seien die Preise für Weizen deswegen schon um bis zu 70 Prozent gestiegen. (epd)
Kämpfe nahe Kiew
Russlands Streitkräfte haben ihre Angriffe nordwestlich von Kiew und auf andere ukrainische Städte am Samstag Medienberichten und Behörden zufolge fortgesetzt. In der Nähe der Hauptstadt sei am Morgen ein ukrainischer Luftwaffenstützpunkt durch russischen Raketenbeschuss zerstört worden, meldete der ukrainische Ableger der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Auch ein Munitionslager in Wassylkiw sei getroffen worden.
Das britische Verteidigungsministerium erklärte, der Großteil der russischen Bodentruppen befinde sich etwa 25 Kilometer vom Zentrum der ukrainischen Hauptstadt entfernt. Auf Satellitenbildern war zu sehen, wie die Truppen bei ihrem Vormarsch auf Kiew Artillerie abfeuerten. In der umkämpften Hafenstadt Mariupol wurde nach Angaben des ukrainischen Außenministeriums eine Moschee beschossen, in der mehr als 80 Kinder und Erwachsene – unter anderem aus der Türkei – Zuflucht gesucht hätten. Angaben zu Opfern lagen nicht vor.
Am Morgen heulten in den meisten ukrainischen Städten Luftschutzsirenen auf, wie lokale Medien berichteten. Menschen wurden aufgefordert, Schutzräume aufzusuchen. Die umzingelten Städte Charkiw, Tschernihiw, Sumy und Mariupol stünden weiterhin unter schwerem Beschuss, erklärte das britische Verteidigungsministerium. Die Ukraine stellt sich auf eine neue Welle von Angriffen auf Kiew, Charkiw und Donbass-Gebiete ein, wie ein Berater des ukrainischen Präsidialstabschefs mitteilte. Die Ukraine gehe aber nicht davon aus, dass sich Belarus den russischen Invasionsstreitkräften anschließen werde. (rtr)
Ukraine: Russisches Militär beschießt Moschee in Mariupol
Nach Angaben der ukrainischen Regierung hat das russische Militär eine Moschee in der Stadt Mariupol beschossen, in der mehr als 80 Menschen Zuflucht gesucht hatten. (dpa)
Russland warnt vor Nato-Verstärkungen im Baltikum
Russland hat vor einer weiteren Stärkung der Nato-Präsenz im Baltikum gewarnt. „Der Aufbau von Nato-Truppen und -Infrastruktur direkt an unseren Grenzen sowie Pläne für ihren dauerhaften Einsatz sind offen gesagt eine Provokation und führen zu einer deutlichen Zunahme der Konfrontation im Baltikum“, sagte der Direktor für Europapolitik im russischen Außenministerium, Sergej Beljajew, am Samstag der Agentur Interfax.
Als Vorwand diene eine „weit hergeholte“ russische Drohung. Die baltischen Staaten folgten „gehorsam“ allen Anordnungen der USA und versteckten sich hinter ihrem erfundenen „Frontlinienstatus“, sagte Beljajew. „Wir beobachten dies und ziehen die notwendigen Schlüsse“. Er versicherte: „Zugleich hat unser Land die Allianz nie bedroht und bedroht sie nicht.“ In Litauen sind auch deutsche Soldaten stationiert.
Beljajew warnte zudem erneut vor einer Aufnahme von Schweden und Finnland in die Nato. Dies hätte „ernsthafte militärische und politische Folgen, die uns dazu zwingen würden, die gesamte Bandbreite der Beziehungen zu diesen Staaten zu überdenken und Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen“, sagte der Diplomat. Details nannte er nicht. Beljajew sagte, die Neutralität der beiden Staaten sei ein wichtiger Faktor, um die Sicherheit in Europa zu garantieren.
Die neutrale Haltung Schwedens und Finnlands ist seit Jahrzehnten in der Regierungsarbeit der beiden nordischen EU-Länder verankert. Im finnischen Fall rührt diese Haltung auch daher, dass das Land die längste Grenze aller EU-Mitglieder zu Russland hat. Beide sind somit bis heute keine Nato-Mitglieder, aber enge Partner der Allianz. Der russische Angriff auf die Ukraine hat den Zuspruch unter den Finnen und Schweden für einen Nato-Beitritt jedoch stark wachsen lassen. (dpa)
Russlands Militär spricht von Angriffen „auf breiter Front“
Die russische Armee setzt nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau ihre Angriffe auf „breiter Front“ in der Ukraine fort. In der Nähe der Hauptstadt Kiew seien eine Luftwaffenbasis in Wassylkiw und das nachrichtendienstliche Aufklärungszentrum der ukrainischen Streitkräfte in Browary außer Gefecht gesetzt worden, teilte Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow am Samstag in Moskau mit. Es war Tag 17 von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Den russischen Angaben zufolge nahmen die eigenen Truppen und jene der Separatisten aus Luhansk und Donezk erneut zahlreiche Ortschaften im Osten der Ukraine ein. Einheiten der Donezker „Volksmiliz“ seien weitere 9 Kilometer vorgedrungen, die russischen Streitkräfte insgesamt 21 Kilometer und die Gruppierungen der „Volksrepublik Luhansk“ 6 Kilometer. Überprüfbar waren die russischen Militärangaben nicht.
Zu Beginn des Krieges am 24. Februar hatten die Separatisten rund 30 Prozent der Regionen unter ihrer Kontrolle. Nun sind es nach ukrainischen Angaben im Gebiet Luhansk bereits 70 Prozent. Auch das russische Militär hatte zuletzt mitgeteilt, es fehle nicht mehr viel bis zur vollständigen Einnahme des Gebietes Luhansk.
Wie Generalmajow Konaschenkow weiter mitteilte, wurden erneut auch fünf Kampfdrohnen abgeschossen. Insgesamt seien bisher rund 3500 Objekte der militärischen Infrastruktur des Landes zerstört worden, darunter auch mehr als 1000 Panzer und andere gepanzerte Militärfahrzeuge. Russland hat den Angriff auf die Ukraine unter anderem damit begründet, das Land entmilitarisieren zu wollen. (dpa)
86 türkische Staatsbürger in Moschee in Mariupol eingeschlossen
Nach Angaben der ukrainischen Botschaft in der Türkei befindet sich eine Gruppe von 86 türkischen Staatsangehörigen in einer Moschee in der belagerten Stadt Mariupol. Darunter seien 34 Kinder, sagte eine Sprecherin der Botschaft sagte unter Berufung auf Informationen des Bürgermeisters der Stadt. Sie hätten zusammen mit anderen Schutz vor dem russischen Angriff gesucht. „Es gibt wirklich große Kommunikationsprobleme in Mariupol und es gibt keine Möglichkeit, sie zu erreichen“, sagte sie.
Hunderttausende von Zivilisten sind seit mehr als einer Woche in der Hafenstadt am Asowschen Meer eingeschlossen, ohne Nahrung, Wasser, Wärme oder Strom bei eisigen Temperaturen. Bemühungen um einen Waffenstillstand, der ihnen die Ausreise ermöglicht, sind wiederholt gescheitert. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte am Freitag, die Türkei habe fast 14 000 ihrer Bürger aus der Ukraine evakuiert. (ap)
Kiew: Mehr als ein Dutzend Fluchtkorridore geplant
Zur Rettung von Zivilisten aus umkämpften ukrainischen Städten sind nach Angaben aus Kiew am Samstagmorgen mehr als ein Dutzend Fluchtkorridore geplant gewesen. Aus Saporischschja habe sich erneut ein Konvoi mit Hilfsgütern und Bussen auf den Weg in die belagerte Hafenstadt Mariupol gemacht, sagte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk.
Es ist der fünfte Versuch, die Stadt am Asowschen Meer zu erreichen. Bisher kamen die vereinbarten Korridore nie zustande. Beide Seiten gaben sich gegenseitig die Schuld am Scheitern. Die prorussischen Separatisten brachten nach eigenen Angaben seit Freitagmorgen 217 Zivilisten aus Mariupol in Sicherheit.
Wereschtschuk sagte, es gebe auch Korridore für mehrere Orte nordwestlich von Kiew, unter anderem Hostomel, Makariw und Borodjanka. Dort hat sich die russische Armee seit Tagen festgesetzt und versucht weiter, die Hauptstadt auch von Westen her zu blockieren. Außerdem gab es erneut im Nordosten des Landes Evakuierungsversuche, unter anderem aus der Stadt Sumy. (dpa)
🐾 Grenzen und ihre ÜberschreitungGrenzen und ihre Überschreitung
Johanna Treblin hat für die taz einen Hilfstransport an die polnisch-ukainische Grenze begleitet. Schnell fiel sie aus ihrer Rolle als Journalistin. Ihre Reportage lesen Sie hier.
SPD-Fraktionschef lehnt schnellen EU-Beitritt der Ukraine ab
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat sich gegen eine schnelle Mitgliedschaft der Ukraine, Georgiens und Moldaus in die EU ausgesprochen. Für einen Beitritt gebe es klare Richtlinien, von denen man nicht ohne Weiteres abweichen wolle, sagte Mützenich der „Welt am Sonntag“. EU und NATO müssten sich zudem fragen, was eine Aufnahme der Länder für die Sicherheitslage in Europa bedeute.
Zwar sei es richtig, dass der Westen Russlands Politik nicht akzeptiere. „Wir müssen allerdings auch sehen, dass ein entscheidendes Kriterium für die Aufnahme von Staaten in die westlichen Allianzen ein Sicherheitsgewinn für den Westen selbst sein muss, nicht nur für die Neumitglieder“, sagte Mützenich. „Und den gibt es eben nicht immer.“ Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten hatten den Hoffnungen der Ukraine auf einen raschen EU-Beitritt bereits am Freitag einen deutlichen Dämpfer verpasst und konkrete Zusagen vermieden.
Der SPD-Fraktionschef erwartet, dass die Beziehungen zu Russland für lange Zeit beschädigt sind. „Es wird für meine Generation sehr schwer werden, überhaupt noch irgendeine belastbare Beziehung zu Entscheidungsträgern wie Putin aufzubauen“, sagte er. Ziele wie Abrüstung, Rüstungskontrolle und vertrauensbildende Maßnahmen seien durch den Krieg des russischen Präsidenten zerstört worden. „Von daher wird eine der großen Herausforderungen der Zukunft darin liegen, überhaupt erst einmal wieder belastbare Beziehungen mit Russland aufzubauen. Wie dies mit Putin überhaupt noch möglich sein soll, ist mir zur Stunde ein Rätsel.“ (dpa)
Berichte über Beschuss aus mehreren Städten
Mehrere Städte in der Ukraine haben in der Nacht zu Samstag erneut Kämpfe und Beschuss gemeldet. „Mistkerle, sie lassen uns nicht schlafen“, schrieb der Gouverneur des südukrainischen Gebiets Mykolajiw, Witalij Kim, in der Nacht zu Samstag auf Telegram. Wenige Stunden davor hatte er einem ukrainischen TV-Sender gesagt, in der Stadt Mykolajiw sei mindestens eine Person verletzt und mehrere Wohnhäuser und Autos beschädigt worden. Auch zwei Feuer seien in der Stadt aufgrund Raketenbeschusses ausgebrochen. Einem lokalen Beamten zufolge soll zudem die Krebsklinik der Stadt beschädigt worden sein.
In der Hauptstadt Kiew wurde in der Nacht zu Samstag mindestens drei Mal Flugalarm ausgelöst. Laut CNN war in der Stadt aus der Ferne am Samstagmorgen „minutenlanger“ Beschuss zu hören. (dpa)
Kiew: Bürgermeister von Melitopol von russischen Soldaten entführt
Russische Soldaten haben ukrainischen Angaben zufolge den Bürgermeister der besetzten südukrainischen Stadt Melitopol entführt. Iwan Fedorow sei am Freitag bei einem Besuch des Krisenzentrums von Melitopol von einer Gruppe von „zehn Besatzern“ verschleppt worden, als er sich um Versorgungsfragen kümmern wollte, teilte das ukrainische Parlament auf Twitter mit. „Er weigerte sich, mit dem Feind zu kooperieren“, hieß es in der Twitter-Nachricht.
Präsident Wolodymyr Selenski bestätigte die Angaben am Abend in einer Videobotschaft. „Dies ist offensichtlich ein Zeichen der Schwäche der Invasoren (…). Sie sind zu einer neuen Stufe des Terrors übergegangen, in der sie versuchen, die Vertreter der legitimen lokalen ukrainischen Behörden physisch auszuschalten“, sagte der Präsident. Die Entführung sei nicht nur ein Verbrechen gegen eine Einzelperson und die Ukraine, sondern ein „Verbrechen gegen die Demokratie als solche“.
Der stellvertretende Leiter der ukrainischen Präsidialverwaltung, Kirillo Timoschenko, veröffentlichte im Messengerdienst Telegram ein Video, auf dem Soldaten in einiger Entfernung aus einem Gebäude kommen und dabei einen schwarzgekleideten Mann mit sich führen, dessen Kopf offenbar in einem schwarzen Sack steckt.
Melitopol hatte vor der russischen Invasion am 24. Februar etwas mehr als 150.000 Einwohner. Die Stadt liegt rund 120 Kilometer südlich von Saporischschja, dessen Atomkraftwerk ebenfalls von russischen Truppen besetzt wurde. Nach Angaben des Parlaments in Kiew war bereits vor einigen Tagen die stellvertretende Vorsitzende des Regionalrats von Saporischschja, Leyla Ibragimowa, entführt und später wieder freigelassen worden. (afp)
Selenski bedankt sich bei Polen für Unterstützung
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski hat sich bei den Polen für ihre Unterstützung seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine bedankt. „Ihr nehmt unsere Leute in eure Familien auf, mit polnischer Zärtlichkeit, mit brüderlicher Freundlichkeit“, erklärte Selenski am Freitag in einem Schreiben an seinen polnischen Kollegen Andrzej Duda. „Polnische Brüder und Schwestern, ich habe das Gefühl, dass wir eine sehr starke Verbindung aufgebaut haben.“
Seit Beginn des russischen Einmarschs am 24. Februar sind nach UN-Angaben mehr als 2,5 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen, mehr als die Hälfte von ihnen nach Polen.
Die Regierung in Warschau hatte diese Woche mit einem Vorstoß für Lieferungen von Kampfjets an die ukrainischen Streitkräfte für Aufsehen gesorgt. Sie schlug vor, ihre MiG-29-Jets an die USA abzugeben, damit Washington die Flugzeuge an die Ukraine weitergeben könne.
Die US-Regierung lehnte diesen Vorschlag jedoch als nicht „haltbar“ ab. Daraus würden sich große Sicherheitsbedenken für die gesamte Nato ergeben. (afp)
Hier lesen Sie die Nachrichten zum Ukrainekrieg von Freitag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!