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+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++Furcht vor russischer Offensive

Der ukrainische Präsident Selenskyj fordert einen Schutzwall für Charkiw. Großbritanniens Außenminister Cameron will in den USA um Militärhilfe werben.

Charkiw im Osten der Ukraine: massiver Beschuss von Kraftwerken Foto: Yevhen Titov/AP/dpa

Selenskyj fordert maximalen Schutz für Charkiw

Die Ukraine erwartet eine russische Offensive gegen die Großstadt Charkiw im Osten des Landes und unternimmt nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj „maximale Anstrengungen“ für den Schutz und die Unterstützung der Millionenstadt. Dies gelte sowohl für den zivilen als auch den militärischen Bereich, unterstrich Selenskyj am Montag in seiner abendlichen Videoansprache. „Wir arbeiten mit unseren Partnern an der Stärkung des Luftverteidigungssystems, um den russischen Plänen für Charkiw zu begegnen.“

Nach Dafürhalten der ukrainischen Aufklärung dürfte die nächste russische Großoffensive gegen Charkiw gerichtet sein. Jüngste russische Angriffe auf die Stadt haben dort schwere Zerstörungen angerichtet und unter anderem die Stromversorgung zum Erliegen gebracht. Die ukrainische Regierung habe erst am Montag Vorschläge erhalten, den Stromausfall in Charkiw und die schweren Schäden am gesamten Energienetz der Ukraine zu beheben. Russische Präzisionsangriffe mit Marschflugkörpern und Raketen haben in den vergangenen Wochen das ukrainische Energienetzwerk schwer getroffen. (dpa)

Zweifel an russischen Streitkräften

Der Militärexperte Petro Tschernik zweifelte im ukrainischen Fernsehen die Fähigkeit der Streitkräfte Russlands zur Eroberung der Millionenstadt an. „Diese Stadt wird schon seit zwei Jahren zur Festung ausgebaut“, sagte er. Die vergleichsweise kleinere Stadt Bachmut mit ursprünglich 70.000 Einwohnern habe sich den russischen Angriffen zehn Monate lang widersetzt. Neben den militärischen seien von der Stawka auch diplomatische Bemühungen erörtert worden, beispielsweise zur Beschaffung neuer Luftabwehrsysteme.

Selenskyj hat in den vergangenen Wochen von den westlichen Partnern wiederholt weitere Flugabwehrwaffen für die Ukraine gefordert. In einem Fernsehinterview sagte er am Sonntag, sein Land brauche zumindest 25 US-Luftabwehrsysteme vom Typ Patriot, um die ukrainischen Städte ausreichend zu schützen. (dpa)

Russischer Angriff trifft Saporischschja schwer

Bei einem russischen Raketenangriff auf die südliche Großstadt Saporischschja kamen am Montag nach offiziellen Angaben mindestens drei Menschen ums Leben. Weitere acht Menschen wurden verletzt, als russische Raketen in einer Industrieanlage einschlugen. Wie der örtliche Militärverwalter Iwan Fjodorow weiter auf Telegram mitteilte, wurden 14 Gebäude beschädigt, darunter eine Gesundheitseinrichtung. Die Angaben konnten zunächst nicht unabhängig geprüft werden.

Die Stadt Saporischschja liegt etwa 55 Kilometer nördlich des gleichnamigen Atomkraftwerks, das seit über zwei Jahren von russischen Truppen besetzt ist. Die ukrainischen Streitkräfte haben nach eigener Darstellung eine Reihe russischer Angriffe gegen Stellungen in der Region Nowopawliwka südlich von Saporischschja zurückgeschlagen. Der Generalstab in Kyjiw teilte in seinem Lagebericht am Abend mit, russische Bodentruppen seien insgesamt 20 Mal mit Artillerie- und Luftunterstützung gegen die Stellungen der ukrainischen Verteidiger angestürmt.

Eine Reihe russischer Angriffe wurde auch aus der Region um Cherson im Süden des Landes gemeldet. Dort versuchten russische Bodentruppen, die von Ukrainern gehaltenen Brückenköpfe am linken Ufer des Dnipro einzudrücken. Diese Angriffe seien abgewiesen worden, hieß es. Auch diese Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden. (dpa)

Cameron wird in den USA erwartet

Der britische Außenminister David Cameron wird am Dienstag in den USA erwartet. Cameron wolle den US-Kongress zur Freigabe von Hilfen für die Ukraine drängen, wie sein Ministerium mitteilt. Er wolle sich sowohl mit führenden Politikern der Demokraten als auch der Republikaner treffen. Die Republikaner blockieren seit Wochen ein milliardenschweres Hilfspaket für die Ukraine.

Cameron wolle die Wichtigkeit der USA für die Ukraine betonen. Das Land brauche die militärische und humanitäre Unterstützung, um die Stellung gegen Russland halten und 2025 in die Offensive gehen zu können. Cameron wolle bei einem Gespräch mit US-Außenminister Antony Blinken auch den Gazakrieg thematisieren. (rtr)

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13 Kommentare

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  • Solange die Russen die Rekolonialisierung ihrer Nachbarschaft anstreben, wird es in der Region wohl keinen Frieden mehr geben.

  • Die ganze Absurdität der Behauptung Russlands, es wolle mit seiner Spezialoperation die russische Minderheit in der Ukraine schützen offenbart sich in der massiven Bombardierung ausgerechnet des zu 90% von ethnischen Russen bewohnten Charkiw in den ersten Kriegstagen.

    • @PeterArt:

      Russland hat die Donbas Russen zu Kriegsbeginn ohne Schusssichere Westen teilweise mit Mosin Nagant Gewehren in die Schlacht geworfen. Moskau sind die Russen in der Ukraine völlig egal, die müssen herhalten als Kriegslegitimation, aber sind dann gerade gut genug als Kanonenfutter. In den besetzen Gebieten hat Moskau auch eine hyperkorrupte Verwaltung eingesetzt die nichts macht als das Land auszupressen.

  • Da wird gekämpft, getötet, gestorben..... Tag für Tag.



    Der von Russland angezettelte Krieg war von Anfang an zu verurteilen - das ist klar festzustellen.



    Aber was nun, wenn meter um meter - mal von der einen, mal von der anderen Seite "erobert" werden ?

    Der Traum, dass die mutig kämpfende Ukrainische Armee die Russischen Besatzer aus den besetzten Gebieten vertreiben kann, ist längst ausgeträumt.



    Er wird von Leuten künstlich am Leben gehalten, die nicht selbst ihren Kopf in forderster Front hinhalten müssen.

    Bluten müssen andere, und zwar diejenigen Ukrainer*innen die den in- und ausländischen "Mutmachern" und "Sofastrategen" glauben, dass nur die geeignete "Wunderwaffe" kommen muss, um Herrn Putin zur Umkehr zu bewegen.

    Möglicherweise wird doch China eine Schlüsselposition in künftigen Verhandlungen zukommen. Da ist zum einen die Verbundenheit mit Russland, zum anderen aber auch das ureigenste chinesische Interesse, die bestehenden Handelsbeziehungen mit der Ukraine zu stärken. China bezieht immerhin neben Rüstungsgütern auch einen großen Teil seiner Getreideimporte aus der Ukraine.

    Frage ist, ob die USA und Großbrittanien daran interessiert sind, zuzusehen, wie die Position Chinas in der Weltpolitik wächst.

    Es würde mich sehr wundern, wenn es in der Ukraine im Hintergrund nicht auch schon Überlegungen gibt, wie das Land nach einer möglichen Teilung aussehen könnte. Zum Beispiel mit Westintegration, und militärischer Absicherung im Kernland , sowie Möglichkeit der freien Ein- und Ausreise für die Bewohner der besetzten Gebiete.



    Gerade wir in Deutschland haben ja über 40Jahre die Erfahrung gemacht, wie es sich in einem geteilten Land lebt, wenn jenseits der Grenze Russisches Militär stationiert ist.



    Obwohl in West-Berlin geboren und aufgewachsen, kann ich mich nicht an andauernde Alarmbereitschaft erinnern.

    Wir werden sehen, denn noch wird gekämpft, getötet und gestorben ... auf beiden Seiten.

    • @Bürger L.:

      Der Unterschied zu damals, aus meiner Perspektive, ist dass damals wirklich auf beiden Seiten Menschen saßen die Angst vor einem Angriff der Gegenseite hatten.

      Die SU hatte einen Angriff von deutscher Seite erlebt und sah nun ein (West-)Deutschland, hinter dem auf einmal jene Länder standen die vorher die SU materiall unterstützt hatten.

      Die SU hatte viele Länder in dem, was als ihre Einflussbereich sah besetzt und hatte ein gewaltiges Militär.

      Und so verrückt es auch klingt hat dies zu großer Vorsicht auf beiden Seiten geführt.



      Und auch zu einem gewissen Maß an Vetragstreue, wenn denn endlich einmal etwas ausgehandelt werden konnte.

      Das sehe ich in der heutigen Führung des Kremls nicht.



      Im Gegenteil kommen vor dort nur Signale dass die Ukraine nur ein Teilschritt auf dem Weg zu Wiederherstellung der alten Größe ist.



      Etc.



      Der Kontext ist ein völlig anderer.



      Die Motivation ist nicht Angst vor einem erneuten Angriff "aus dem Westen" sondern reaktionärer, geschichtsrevisionistischer Größenwahn.

    • @Bürger L.:

      "Gerade wir in Deutschland haben ja über 40Jahre die Erfahrung gemacht, wie es sich in einem geteilten Land lebt, wenn jenseits der Grenze Russisches Militär stationiert ist.



      Obwohl in West-Berlin geboren und aufgewachsen, kann ich mich nicht an andauernde Alarmbereitschaft erinnern."



      Gerade wir in Deutschland haben auf der östlichen Seite der Teilungsgrenze ja nun auch so die eine oder andere Erfahrung machen dürfen. Sollte man vielleicht auch erwähnen.



      Ich gehe zudem davon aus, dass ein verhältnismäßig zivilisiertes Verhalten wie das der Sowjets in der DDR von Putin-Russland in einem etwaigen Ukraine-Russland nicht zu erwarten steht.



      Sollte man keinesfalls unerwähnt lassen.

      • @Encantado:

        "Ich gehe zudem davon aus, dass ein verhältnismäßig zivilisiertes Verhalten wie das der Sowjets in der DDR von Putin-Russland in einem etwaigen Ukraine-Russland nicht zu erwarten steht."

        Wie kommen sie zu der Annahme, dass sich die Russen nach Beendigung der kriegerischen Handlungen gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung (und das wäre sie ja dann) unzivilisierter verhalten würden, als die Sowjets in der DDR?

        • @Bürger L.:

          Nüchtern betrachtet geht Putin generell sehr schlecht mit seinen Bürgern um.



          Warum er "neue" Bürger langfristig anders behande sollte, sofern sie "unpolitisch" sind erschließt sich mir nicht.



          Ein Blick auf die Krim könnte hilfreich sein:



          taz.de/Russland-vo...ichtshof/!5985987/



          Das es sicherlich nicht erstrebenswert ist unter russischer Herrschaft zu leben ist eine eine ganz andere Thermatik.



          Aber wahrscheinlich ist diese Thema wie so viele Themen bzgl Krieg in der Ukraine zu emotional, um sachlich behandelt werden zu können, wie man ja teilweise an der Kommentaren erkennen kann.

          • @Alexander Schulz:

            Eher den Donbas betrachten, da kann man ganz objektiv und unemtional den Terror sehen den Russland in den besetzten Gebieten ausüben wird.

        • @Bürger L.:

          Auch wenn ich nicht angesprochen war möchte ich dennoch antworten:



          Zum einen haben wir jetzt 10 Jahre Zeit gehabt zu sehen wie die Bewohner der Krim behandelt wurden, zum anderen haben wir von den staatlich kontrollierten Medien genug Informationen darüber bekommen wie die Zukunft der Ukraine aussehen wird.



          Focus berichtete am 05.04.2022 über eine Meldung aus der RIA zu dem Thema:

          „Die Entnazifizierung gehört zu einer Reihe von Maßnahmen, die auf die nazifizierte Masse der Bevölkerung abzielen, die formal gesehen nicht direkt als Kriegsverbrecher bestraft werden kann“, heißt es dort etwa. Neben der Elite seien auch erhebliche Teile der Bevölkerung „Komplizen des Nationalsozialismus“. Deren „gerechte Bestrafung“ sei nur möglich durch das „Erleiden der unvermeidlichen Härte eines gerechten Krieges“.

          Die Namen derjenigen, die mit dem Naziregime kollaborieren, sollten nach der Militäroperation veröffentlicht werden, heißt es im Text weiter. „Diejenigen, die nicht mit der Todesstrafe oder einer Gefängnisstrafe belegt werden“, sollen „als Strafe für ihre Nazi-Aktivitäten“ am Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur arbeiten.

          Der Name Ukraine könne „offensichtlich nicht als Name eines vollständig entnazifizierten Staatsgebildes auf dem vom Naziregime befreiten Gebiet beibehalten werden“, betont Sergeitsev. „Die Entnazifizierung ist zwangsläufig auch eine Entukrainisierung“, schreibt er weiter.

          „Die Eliten-Bande muss liquidiert werden, ihre Umerziehung ist unmöglich. Der gesellschaftliche 'Sumpf', der sie aktiv und passiv unterstützt, muss die Härten des Krieges durchmachen und die Erfahrung als historische Lektion und Sühne verdauen.“

          Russian Media Monitor hat kürzlich einen Bericht aus dem russischen Fernsehen untertitelt bereit gestellt in dem darüber berichtet wurde wie ukrainische Kriegsgefangene gezwungen werden Städte an deren Zerstörung sie durch ihren Widerstand schuld sind wieder aufbauen. Aus Sicht der Russen gelten die Genfer Konventionen nicht.

        • @Bürger L.:

          Hat man in Tschetschenien gesehen, im Donbas den Russland ja besetzt hat, etc.

  • "Stellung gegen Russland halten und 2025 in die Offensive gehen" - völlig irre. Weit und breit ist keine Idee in Sicht, wie vernünftig mit der - aussichtslosen - Situation umzugehen sei.

    • @Aladin:

      Ohne vorhandene vernünftige Idee wäre es u. U. angebracht, nicht so vernünftig scheinende nicht komplett abzuqualifizieren.



      Fehlende Alternativen und so.