+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Selenski ruft Nato-Ukraine-Rat an
Der ukrainische Präsident pocht darauf, dass Getreide weiter über das Schwarze Meer exportiert wird. Britischer Ausschuss will Wagner als Terrororganisation einstufen.
Nato-Ukraine-Rat tagt über Getreideabkommen
Auf Bitten des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski kommen an diesem Mittwoch Vertreter der 31 Nato-Staaten und der Ukraine zu einem Austausch über die aktuelle Lage im Kriegsgebiet zusammen. Hintergrund des Treffens im noch recht neuen Nato-Ukraine-Rat ist die Aufkündigung des wichtigen Getreide-Abkommens vor Kurzem durch Russland.
Selenski pocht auf eine Perspektive für Getreideexporte über die Häfen am Schwarzen Meer. „Die Welt weiß, dass die Sicherheit der Schwarzmeerhäfen der Schlüssel zu Frieden und Stabilität auf dem globalen Lebensmittelmarkt ist“, sagte er in seiner Videoansprache.
Das Getreide-Abkommen hatte es der Ukraine ermöglicht, trotz des russischen Angriffskriegs fast 33 Millionen Tonnen Getreide und Lebensmittel über den Seeweg in andere Länder zu verkaufen. Nach dem Ende des Abkommens bombardierte Russland nächtelang insbesondere die ukrainische Hafenstadt Odessa.
Der Nato-Ukraine-Rat war zum ersten Mal vor zwei Wochen beim Nato-Gipfel in Litauen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs zusammengekommen. Er tagt nun zum ersten Mal auf Ebene der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten im Brüsseler Hauptquartier des Bündnisses.
EU-Kommissar Janusz Wojciechowski meinte unterdessen, nahezu das gesamte für den Export bestimmte ukrainische Getreide könnte über eigens von der EU und der Ukraine ausgebaute Handelswege exportiert werden. „Wir sind bereit, über die Solidaritätsspuren fast alles zu exportieren, was die Ukraine braucht“, sagte der Agrarkommissar in Brüssel. Nach Angaben der EU-Kommission wurden im April, Mai und Juni 2,1 Millionen Tonnen, 3,4 Millionen Tonnen beziehungsweise 3 Millionen Tonnen Getreide über diese Wege exportiert. Der bisherige Höchststand lag im November 2022 bei 4,2 Millionen Tonnen. (dpa)
USA kündigen weitere Militärhilfe für Ukraine an
Die USA stellen der Ukraine zur Abwehr des russischen Angriffskrieges weitere militärische Ausrüstung zur Verfügung. Das neue Paket enthalte vor allem Munition, unter anderem für die Flugabwehrsysteme vom Typ Nasams und Patriot, teilte das Pentagon mit. Die Ausrüstung aus Beständen des US-Militärs hat den Angaben zufolge einen Wert von rund 400 Millionen Dollar (rund 362 Millionen Euro).
Deutscher General: Minensperren erschweren Geländegewinne
Brigadegeneral Christian Freuding sieht die ukrainischen Streitkräfte bei ihrer Gegenoffensive vor weiteren schweren Kämpfen. „Man muss ja nur mal auf die Karte blicken und da haben wir ein Kräfteverhältnis von ungefähr eins zu eins. Und eine neun Monate lang vorbereitete Verteidigung mit starken Geländeverstärkungen und seit einem halben Jahr vorbereiteten Minensperren. Das ist Realität“, sagte der Leiter des Planungsstabes im Verteidigungsministerium der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Für Vorstöße müsse eine örtlich und zeitlich begrenzte klare Kräfte-Überlegenheit erzeugt werden. „Und das begründet auch das sehr vorsichtige, um es unmilitärisch auszudrücken, tastende Vorgehen der Ukrainer, diese Stelle zu finden. Und das ist schwierig genug“, sagte der Offizier, der auch die militärische Hilfe Deutschlands für die Ukraine koordiniert.
Russland hatte die Ukraine am 24. Februar 2022 mit einer Großoffensive angegriffen. Westliche Staaten unterstützen die Verteidigung der Ukraine mit Waffenlieferungen und auch finanziell. Die Bundesregierung hat die Panzerhaubitze 2000 und Waffensysteme zur Luftverteidigung geliefert, dann auch den Kampfpanzer Leopard 2 und den Schützenpanzer Marder. Die mit großen Erwartungen verknüpfte Gegenoffensive der Ukraine läuft seit Anfang Juni. Sie kommt nur langsam voran.
„Unser Grundsatz ist ja: Auftreffen auf Minensperre, ausweichen, umgehen. Bei dem Ausmaß der Minensperren, die in neun Monaten da angelegt wurden, ist dieser Grundsatz gar nicht zu befolgen“, sagte Freuding. „Die Ukraine muss sich wirklich jeden Meter Geländegewinn dadurch erarbeiten, dass sie Minensperren unter Feuer öffnet. Und das ist das Schwierigste, das Blutigste, das Dramatischste, was man sich überhaupt vorstellen kann.“ Deutschland habe deshalb kurzfristig reagiert und in den letzten Wochen noch mal 14.000 Schuss Nebelmunition im Kaliber 155 Millimeter geliefert, „um zu unterstützen, dass das Öffnen zumindest nicht unter direkter Beobachtung und feindlicher Wirkung ermöglicht wird“. (dpa)
Britischer Ausschuss: Wagner als Terrorgruppe einstufen
Der Außenausschuss im britischen Parlament hat eine Einstufung der russischen Privatarmee Wagner als Terrororganisation gefordert. Die Söldnertruppe agiere wie eine „internationale kriminelle Mafia, fache Korruption an und plündere Rohstoffe“, vor allem in Afrika, hieß es in einem 78 Seiten starken Bericht des Foreign Affairs Committee im Unterhaus, der in der Nacht zum Mittwoch publik gemacht wurde. Das Gremium warf britischen Behörden darin vor, bislang zu wenig getan zu haben, um Aktivitäten der Wagner-Gruppe nachzuverfolgen, die über die Ukraine hinausgingen. Dort haben deren Söldner an der Seite der russischen Angriffstruppen gekämpft.
Die Regierung in London habe die Bedrohung, die von der Wagner-Gruppe ausgehe, bisher „heruntergespielt und unterschätzt“, hieß es weiter. So seien bisher gegen die Privatarmee verhängte Sanktionen „nicht überzeugend“. Es sei ein „erhebliches Versäumnis, das Wagner-Netzwerk in erster Linie durch das Prisma Europas zu betrachten, nicht zuletzt angesichts der geografischen Ausdehnung und Auswirkungen von dessen Aktivitäten auf britische Interessen“. Dabei sei es Tatsache, dass die Vermögensquelle der Gruppe überwiegend in Afrika liege.
Es sei auch „zutiefst bedauerlich“, dass das Vereinigte Königreich vor dem Jahr 2022 der Wagner-Gruppe derart wenig Beachtung geschenkt und Länder jenseits der Ukraine weiterhin kaum im Blick habe. Der Außenausschuss ergänzte, dass die Söldnertruppe mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ seit dem Jahr 2014 Militäroperationen in mindestens sieben Ländern ausgeführt habe: der Ukraine, Syrien, der Zentralafrikanischen Republik, dem Sudan, Libyen, Mosambik und Mali. (ap)
Russlands Verteidigungsminister in Nordkorea, Putin will nach China
Russlands Verteidigungsminister Schoigu ist traf zu einem mehrtägigen Besuch im Nachbarland Nordkorea ein. Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte ein Video, das zeigt, wie Schoigu an einem Flughafen in der Hauptstadt Pjöngjang von einer nordkoreanischen Delegation begrüßt wird. Offizieller Anlass von Schoigus Reise ist der 70. Jahrestag des Endes im Koreakrieg. Zugleich hieß es aus Moskau: „Der Besuch wird zur Stärkung der russisch-nordkoreanischen Militärbeziehungen beitragen.“ Nordkorea wird verdächtigt, Russland in dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit Waffen zu unterstützen.
Russlands Präsident Wladimir Putin will Kremlangaben zufolge im Oktober nach China reisen. „Es ist bekannt, dass wir eine Einladung erhalten haben und dass wir vorhaben, nach China zu fahren, wenn im Oktober der Seidenstraßen-Gipfel stattfindet“, sagte Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow der Agentur Interfax zufolge. Offen ließ Uschakow hingegen, ob der Kremlchef persönlich am G20-Gipfel im September in Indien teilnehmen werde. (dpa)
Scheidender deutscher Botschafter: Russland isoliert sich von uns
Zum Abschluss seiner Zeit in Moskau hat der deutsche Botschafter Géza Andreas von Geyr den Absturz der russisch-deutschen Beziehungen beklagt. „Russland möchte sich von uns, also vom Westen, isolieren“, sagte von Geyr bei seiner Abschiedsfeier in Moskau.
Zugleich sei Diplomatie in Zeiten des russischen Kriegs gegen die Ukraine besonders wichtig. „Es ist wichtig, dass wir Diplomaten hier sind, dass wir zuhören und versuchen zu verstehen und dass wir unsere Sicht der Dinge erklären“, sagte von Geyr, auf den in diesem Sommer der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff als neuer deutscher Botschafter in Moskau folgen wird. „Es ist wichtig, dass wir hier in Moskau sagen, wer aus unserer Sicht für was verantwortlich ist. Es ist wichtig, dass wir richtig stellen, wenn hier die Tatsachen verdreht werden.“ (dpa)
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