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+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++Streumunition für Kyjiw

Laut Medienberichten wollen die USA der Ukraine Streumunition liefern. Eine offizielle Erklärung steht noch aus. Die Zahl der Toten in Lwiw ist auf zehn gestiegen.

Pentagon-Sprecher Patrick Ryder sagte noch am Donnerstag, er habe zu dem Thema nichts zu verkünden Foto: Alex Bandon/ap

Pentagon will umstrittene Munition zur Verfügung stellen

Die USA wollen der von Russland angegriffenen Ukraine im Rahmen eines neuen militärischen Hilfspakets Streumunition liefern. Von der entsprechenden Entscheidung der US-Regierung unter Präsident Joe Biden erfuhr die Nachrichtenagentur AP am Donnerstag aus Regierungskreisen. Die offizielle Bekanntgabe der Pläne wurde für Freitag erwartet. Nach Angaben von in den Vorgang eingeweihten Personen wird das Pentagon Tausende Munitionssätze zur Verfügung stellen. Geschehen soll dies im Rahmen eines neuen militärischen Hilfspakets im Umfang von etwa 800 Millionen US-Dollar.

Es gibt erhebliche Bedenken, was den Einsatz derartiger Munition angeht, die dafür berüchtigt ist, zivile Opfer zu fordern. Den Angaben zufolge will das Pentagon Streumunition mit einer geringeren Blindgängerquote liefern. Das soll helfen, die Zahl ziviler Opfer zu verringern. Die Ukraine bemüht sich seit langem um Streumunition, also Raketen oder Bomben, die in der Luft gezündet werden und eine große Zahl von Sprengkörpern – Submunition – freisetzen, um auf diese Weise mehrere Ziele gleichzeitig treffen zu können. Die Ukraine hofft darauf, mit Streumunition die russischen Linien durchbrechen- und so ihre Gegenoffensive vorantreiben zu können.

Nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz produzieren einige Arten von Streumunition bis zu 40 Prozent Blindgänger. Sie bleiben zurück und stellen eine Gefahr für Zivilisten dar, die in ihre Nähe gelangen. US-Vertreter sagten am Donnerstag, bei der Streumunition, die an die Ukraine geliefert werden solle, liege diese Rate bei weniger als 3 Prozent.

Bei einem Pressebriefing des Verteidigungsministeriums am Donnerstag sagte Pentagon-Sprecher Patrick Ryder noch, er habe zu dem Thema nichts zu verkünden. Sein Ministerium verfüge aber über mehrere Varianten der Munition. Und unter jenen, über deren Lieferung das Pentagon nachdenke, seien keine alten Formen mit mehr als 2,35 Prozent zu erwartenden nicht explodierten Sprengsätzen.

Ob Verteidigungsminister Lloyd Austin die Nato-Partner kontaktiert hat, um deren Bedenken zu thematisieren, was den Einsatz von Streumunition angeht, wollte Ryder nicht sagen. Falls sein Land sich entschließen sollte, die Ukraine zu beliefern, werde man aber sorgsam darauf achten, Munition mit einer niedrigen Blindgängerrate auszuwählen, für die es aktuelle Testdaten gebe, sagte er.

Auf die Frage, wie Streumunition der Ukraine helfen könne, erklärte Ryder, dass diese so bestückt werden könne, dass sie Panzerungen durchdringe oder mehrere Ziele gleichzeitig treffen könne. Das sei „eine Fähigkeit, die bei jeder Art von Gegenoffensive hilfreich wäre“. Der Pentagon-Sprecher unterstrich, dass Russland in dem Konflikt bereits Streumition einsetzt – und zwar solche mit einer sehr hohen Quote an Blindgängern.

Der Vorsitzende des Ausschusses des Repräsentantenhauses für auswärtige Angelegenheiten, der Republikaner Michael McCaul, sagte, der Schritt sei lange überfällig. Es sei an der Zeit, die wichtige Gegenoffensive Kiews zu unterstützen. (ap)

Nach Raketenangriff in Lwiw

Die Zahl der Toten nach dem Raketenangriff auf die westukrainische Stadt Lwiw (Lemberg) ist auf zehn gestiegen. Das zehnte Todesopfer – die Leiche einer Frau – sei am Freitagmorgen aus den Trümmern eines Wohnhauses geborgen worden, teilte Bürgermeister Andrij Sadowyj bei Telegram mit. Nach Angaben des ukrainischen Innenministeriums wurden bei dem Raketenangriff in der Nacht zum Donnerstag in einem Wohngebiet 42 Menschen verletzt, unter ihnen drei Kinder.

Die oberen Etagen eines großen Wohnblocks mit mehreren Eingängen waren durch den Raketeneinschlag komplett zerstört worden, wie auf Videos zu sehen war. Insgesamt war nach offiziellen Angaben von Schäden an 35 Gebäuden die Rede. In der Stadt wurde für zwei Tage eine Trauer ausgerufen. Sadowyj hatte von dem schwersten Angriff auf die zivile Infrastruktur von Lwiw seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine vor mehr als 16 Monaten gesprochen.

Russland habe Lwiw mit Marschflugkörpern des Typs „Kalibr“ angegriffen, die vom Schwarzen Meer aus abgeschossen worden seien, hatte die ukrainische Luftwaffe mitgeteilt. Sieben von zehn russischen Raketen habe die Flugabwehr zerstören können. Lwiw liegt nur rund 70 Kilometer östlich der Grenze zu Polen. In der Stadt mit ursprünglich 720 000 Einwohnern halten sich auch viele Flüchtlinge aus den umkämpften Gebieten im Osten der Ukraine auf. (dpa)

Selenskyj erwartet klares Signal vom Nato-Gipfel

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erwartet vom bevorstehenden Nato-Gipfel ein klares Signal hinsichtlich einer Mitgliedschaft in dem Verteidigungsbündnis. „Was ist für uns ideal? Wir wollen, dass wir in die Nato eingeladen werden“, sagte er am Donnerstag in Prag einer Übersetzung zufolge nach einem Treffen mit seinem tschechischen Kollegen Petr Pavel. Es sei der richtige Augenblick gekommen, die Einigkeit und den Mut des Bündnisses unter Beweis zu stellen. Zugleich räumte Selenskyj Widerstände ein. Manch einer sehe sich noch nach Moskau um, kritisierte der 45-Jährige.

Pavel sprach sich dafür aus, dass die Ukraine unmittelbar nach Kriegsende Beitrittsverhandlungen zur Nato beginnen sollte. „Das ist im Interesse auch unserer Sicherheit, es ist im Interesse der regionalen Stabilität und der wirtschaftlichen Prosperität“, betonte der frühere Nato-General. Tschechien werde sich zudem dafür einsetzen, dass Beitrittsverhandlungen der Ukraine zur EU bereits noch in diesem Jahr beginnen sollten.

Selenskyj bedankte sich in Tschechien für die Unterstützung sowohl durch Waffenlieferungen als durch die Aufnahme von Hunderttausenden Kriegsflüchtlingen. Er räumte ein, dass die aktuelle Gegenoffensive nicht schnell vorankomme, aber man gehe voran und weiche nicht zurück, betonte er. Die Ukraine wehrt sich seit fast anderthalb Jahren gegen eine russische Invasion. Die Staats- und Regierungschefs des westlichen Verteidigungsbündnisses Nato kommen am Dienstag und Mittwoch in der litauischen Hauptstadt Vilnius zu einem Gipfeltreffen zusammen.

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18 Kommentare

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  • Ne CBU-100 besitzt 247 Sprengkörper. Bei einer Blindgängerrate von 4% sind das 10 Blindgänger pro CBU. Eine umgerüstete Mig-29 kann vier CBUs tragen, eine umgerüstete Su-25 sogar 8. Bei 17 Su-25 mit einem Einsatz pro Tag und einem Jahr Einsatz entspräche das ca. 50 000 CBUs, macht also ne halbe Million Blindgänger. Da scheint es mir sinnvoller, den Ukrainern ungelenkte Raketen (Zuni etc.) zu liefern.

    • @Luftfahrer:

      Und wenn die Amerikaner der Ukraine 50.000 CBU-100 liefert wäre das korrekt. Nur soviele werden es nicht. Daneben haben auch andere Granaten Blindgänger, würde mich nicht wundern wenn Handgranaten die geliefert werden einen ähnliche hohe Anzahl an Blindgängern haben, die wurden schließliche Jahrelang geliefert. Im Mittel ist die Blindgänger-Rate der eingesetzten Waffen nicht viel niedriger als die unter 3% die man bei den Streubomben anpeilt.

  • Es ist ein schlechtes Zeichen für eine "Allianz demokratischer Länder" , wenn geächtete Munition eingesetzt, bzw. weitergereicht wird.



    Die Munition richtet sich in erster Linie gegen " weiche Ziele ", sprich Menschen und deren Verstümmelung ist Ziel.



    Ein wenig humanitärer Anspruch.



    Dass die Flächen auf Jahre für Alle Menschen sehr gefährlich bleiben, ist ein weiterer Kritikpunkt.



    Setzt die Ukraine derartige Munition auf Flächen ein, die sie zurückerobern will, gefährdet sie auch die Zivilbevölkerung auf Jahre. Die Munition ist noch schwerer aufzufinden, als Minen.



    Länder wie Laos leiden seit einem halben Jahrhundert unter den Folgen des Einsatzes.



    Es gibt keinen guten Grund für derartige Waffen.

    • @Philippo1000:

      Anlässlich des heutigen FLAGGENTAGES der 'Mayors for Peace' hat die Stadt Dortmund, eine von hunderten deutscher Mitgliedskommunen, eine Studie auf ihrer Homepage zitiert.



      Quelle Dortmund.de



      "Simulation zeigt verheerende Folgen



      Wie wichtig dieses Bewusstsein ist, das wurde zuletzt im Rahmen einer Simulationsstudie 2022 deutlich, bei der die Wissenschaftler*innen zu dem Ergebnis kamen: Jeder zweite Mensch wird bei einem weltweiten Atomkrieg zwischen den USA und Russland sterben. Demnach versterben die meisten Menschen nicht durch die radioaktive Strahlung oder den Feuerball einer Atombombe, sondern infolge zusammengebrochener Landwirtschaft und Lebensmittelketten an Hunger."



      //



      Analog geht es bei allen militärischen Angriffen auf die Zivilbevölkerung, sei es auch nur als sog. 'Kollateralschaden', um jahrzehntelange Verwerfungen in der Versorgung, insbesondere eine Einschränkung der Ernährungssicherheit. Über Schwarzerdeböden und Ertragsstabilität und die Zusammenhänge mit der Welternährungslage steht genug im Netz.



      Die mittelbaren Opfer dieses Krieges sterben im globalen Süden. Ich kann Jean Ziegler nur zustimmen, wenn er sagt: "Hunger ist Mord"



      Und der weiß, wovon er spricht.



      In Asien machen viele gerne Urlaub, aber die Relikte der Kriegsführung bleiben im Dunkeln.

    • @Philippo1000:

      Die NATO könnten mit ihrer Luftwaffen ohne Streubomben den Spuk beenden. Das würde die Zivilbevölkerung schonen. Wenn sie das bereit sind mitzutragen, ansonsten sollten wir den Ukrainer nicht erklären wie sie ihre Heimat zu befreien haben wenn sie die Folgen der Mittel selbst zu tragen haben.

      • @Machiavelli:

        Ich bin froh, dass die verantwortlichen Entscheidungsträger da etwas vorsichtiger sind als sie. Da Russlands Regierung den Ukrainekrieg (absurderweise) als exentiel wichtig ansieht, würde das vermutlich zu einem Atomkrieg führen, da Russland konventionell unterlegen ist.



        Ich muss Ihnen auch wiedersprechen, dass Selenski und Co mit ihrem Land machen sollen was sie wollen; das ist nun wirklich nicht im Interesse der Zivilbevölkerung. Wir wissen doch wie rücksichtslos die Ukraine schon Streubomben eingesetzt hat:

        www.nytimes.com/20...ter-munitions.html

        Ich halte von der Maxime böses zu unterstützen, um noch böseres zu verhindern nicht viel. Auch wird hier wieder unsere Doppelmoral deutlich.



        Wir kritisieren zb Länder wie Syrien auf das Schärfste für den Einsatz von Streumunition, aber wenn es uns passt sind wir wieder sehr flexibel mit der Moral. Mit der Lieferung von Streubomben wird leider ein weiteres Tabu gebrochen werden...

    • @Philippo1000:

      Danke für ihren Kommentar. Ich schließe mich Ihnen vollkommen an. Meiner Meinung nach verdeutlicht die Diskussion über Streumunition ziemlich gut wie sehr das Wohl der Zivilbevölkerung immer weiter in den Hintergrund gerät.

    • @Philippo1000:

      anschließe mich

    • @Philippo1000:

      Im Zusammenhang mit einem Krieg einen "humanitären Anspruch" zu postulieren ist schon zynisch.

      • @OldFrank:

        Ich hoffe sehr, dass Ihre Aussage ironisch gemeint ist.

  • Das bedeutet also, dass man teilweise willentlich Streumunition mit höherer Blindgängerrate einsetzt, wenn man auf Wunsch auch 'bessere' liefern kann. Das alleine sollte doch reichen, um über die UN Ermittlungen einzuleiten, oder?



    Aber selbst 3% sind immer noch ziemlich viel, bei der Menge von Munition erzeugt man durch einen Abwurf also ein vermintes Gebiet.

    • @Jeff:

      Die Gebiete auf denen sie eingesetzt wird sind schon vermint und Russland setzt massiv selbst Streumunition mit höherer Blindgängerrate ein, mal abgesehen von der regulären Munition die ebenfalls viele Blindgänger erzeugt. Das Gebiet muss so oder so entmient werden ein paar Granaten mehr oder weniger machen den Braten nicht fett.

      • @Machiavelli:

        Merken Sie gar nicht wie sich beide Kriegsparteien immer mehr annähern?



        Ich halte die Strategie Böses zu unterstützen oder zu ermöglichen, um noch Böseres zu verhindern nicht für einen guten Ansatz.

        Wie wäre es wenn wir einfach Mal etwas gutes tun!?

        Mit 140 Milliarden (m.focus.de/finanze...id_187057719.html)

        Könnte man zb auch dafür sorgen, dass 10 Jahre lang niemand auf der Welt hungern muss!

        www.berliner-zeitu...e-hunger-li.111170

        • @Alexander Schulz:

          Danke, Beiträge wie Ihrer sind immer wieder wohlutend in all dem wahnsinnigen Huhrraa-Geschrei.

        • @Alexander Schulz:

          Und die Ukrainer lassen wir verrecken?



          Und ihr Ansichten über den Welthunger sind naiv, Menschen hungern weil Diktatoren und andere Tyrannen wollen das sie Hungern. Und die Militärmissionen die sie brauchen würden um das Essen zu den Hungernden zu bringen würde deutlich mehr als 140 Milliarden kosten (Yemen, Süd-Sudan, etc)



          Geld löst nicht alle Probleme der Welt.

          "Merken Sie gar nicht wie sich beide Kriegsparteien immer mehr annähern?" Nein Streubomben gegen Soldaten (Ukraine) und Streubomben gegen Zivilisten (Russland) sind nicht das gleiche.

          • @Machiavelli:

            Menschen hungern, weil WIR, die Wohlstandsstaaten, Systeme in den armen Staaten unterstützen, die uns billige Rohstoffe und Waren liefern! Die Diktatoren werden doch durch uns gemacht, oder zumindest geduldet. Zumindest, solange wir unsere Waren bekommen.

          • @Machiavelli:

            Niemand möchte, dass die ukrainische Bevölkerung "verreckt". Erfreulicherweise ist Hunger zum Glück auch kein Problem dort (auch nicht in den von Russland besetzen Gebieten).

            An meinen Ansichten über die Bekämpfung des Welthungers ist nichts naiv; ich habe das Gefühl, dass sich da anscheinend doch so etwas wie ein schlechtes Gewissen bei Ihnen breit macht. Laut UN ist das Hauptproblemvim im Jemen mangelende finanzielle Unterstützung und nicht die Logistig. Übrigens leben über 80 Prozent der hungernden Menschen in Ländern in denen kein Krieg herrscht. Hier davon zu reden, dass man den Hunger nur mit unterstützenden militärischen Aktion beenden kann ist also wirklich keine gute Entschuldigung für die unterlassende Hilfeleistung!

            Sie wissen doch so gut wie ich wie rücksichtslos auch die ukrainische Führung Streubomben bereits eingesetzt haben:

            www.nytimes.com/20...ter-munitions.html

            Und wenn man ehrlich ist wissen wir leider nur über die wenigsten Streubombeneinsätze der Ukraine Bescheid!

            Wenn Sie von Moral reden (wie in einigen Ihrer früheren Beiträg), dann dürfen Sie ein solches inhumanes Vorgehen (sogar gegen die eigene Bevölkerung) eigentlich nicht unterstützen!

  • 2,5-4 % Blindgängerrate

    Sagen wir mal es sind 30 stück submunition in einem Geschoß, das würde bedeuten ca. einen Blindgänger pro Einsatz. Dann sagen wir mal 10 000 stück gelieferter Munition.

    macht ca. 10 000 Blindgänger, die eine Gefahr für die Zivilbevölkerung darstellen.

    Das macht die Sache jetzt noch nicht besonders gut tbh.

    (sämtliche Zahlen frei erfunden, bin kein experte)