+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Cherson wird ukrainische Festung
Das Militär der Ukraine zeigt nach dem Abzug russischer Truppen in Cherson immer stärkere Präsenz. Die Türkei bietet sich weiter als Friedensvermittlerin an.
In Cherson wird Besatzungsende gefeiert
Ukrainische Truppen haben am Samstag nach dem russischen Rückzug aus Gebieten der Region Cherson am westlichen Ufer des Dnipros „Stabilisierungsmaßnahmen“ ausgeführt. Das teilte der ukrainische Generalstab mit. Russische Einheiten bauten am Ostufer ihre Stellungen aus. Von der südlichen Region Cherson sind weiter 70 Prozent unter russischer Kontrolle.
Die Menschen in der gleichnamigen Regionalhauptstadt am Westufer hatten in der Nacht trotz der offiziellen ukrainischen Ermahnungen zur Vorsicht ausgelassen das Ende der achtmonatigen russischen Besatzung gefeiert. Präsident Wolodimir Selenski sagte ein seiner nächtlichen Videobotschaft: „Auch wenn die Stadt noch nicht völlig von der Präsenz des Feindes gereinigt ist, beseitigen die Menschen in Cherson selbst bereits russische Symbole und jede Spur des Aufenthalts der Besatzer von Straßen und Gebäuden.“ In sozialen Medien wurden Fotos geteilt, die Einwohner bei der Beseitigung von Gedenkplaketten und russischen Symbolen zeigten. (ap)
Erdogan wirft Westen vor, Moskau zu provozieren
Die Türkei setzt sich Präsident Recep Tayyip Erdogan zufolge weiter für einen Friedensdialog zwischen Russland und der Ukraine ein. „Wir arbeiten daran, hier einen Friedenskorridor zu schaffen, so wie wir es beim Getreidekorridor getan haben“, sagte Erdogan laut türkischen Medien. „Wir denken, dass der beste Weg dafür ein Weg vom Dialog zum Frieden ist.“ Die Meinung der Ukraine sei dabei wichtig.
Zugleich warf Erdogan den USA und anderen westlichen Ländern vor, die Führung in Moskau zu provozieren. Der staatliche Rundfunksender TRT und andere Medien zitierten ihn mit den Worten: „Der Westen und insbesondere die USA greifen Russland anscheinend endlos an“, ohne näher darauf einzugehen, was er damit meine. „Natürlich leistet Russland angesichts all dessen großen Widerstand.“
Das Nato-Mitglied Türkei hatte im Juli gemeinsam mit den Vereinten Nationen (UN) eine Vereinbarung mit Russland für den Schiffsexport von Getreide aus der Ukraine erreicht. Derzeit laufen Bemühungen um eine Verlängerung des Abkommens, das ansonsten Ende kommender Woche abläuft. Zudem hatte die Türkei in den ersten Kriegswochen als Gastgeber von Verhandlungen beider Seiten in Istanbul vergeblich versucht, eine Waffenruhe zu erreichen.
Die Ukraine beharrte zuletzt darauf, dass neue Gespräche nur möglich seien, wenn Russland die besetzten Gebiete räumt. Russland erklärte am Freitag, es sei entschlossen, die Ziele seiner so genannten „militärischen Spezialoperation“ in der Ukraine zu erreichen, und dass diese Ziele durch Friedensgespräche erreicht werden könnte. Die Haltung der Regierung in Kiew mache Friedensgespräche jedoch unmöglich. (rtr)
Banksy bekennt sich zu Werk auf zerstörtem Haus
Banksy hat sich mutmaßlich in der Ukraine verewigt. Auf seinem Instagram-Kanal veröffentlichte der mysteriöse Streetart-Künstler am Freitagabend Fotos von einem Werk auf einem zerstörten Haus, die im stark verwüsteten Kiewer Vorort Borodjanka aufgenommen worden sein sollen.
Das Bild zeigt auf der grauen Wand eines kriegszerstörten Hauses ein Mädchen, das scheinbar auf Trümmern einen Handstand macht. „Borodjanka, Ukraine“ lautet der Begleittext. Die Veröffentlichung auf seinem Instagram-Kanal gilt traditionell als Zeichen, dass der aus Großbritannien stammende Banksy ein Werk als seines bestätigt.
Borodjanka nordwestlich der Hauptstadt Kiew war kurz nach Beginn des Kriegs am 24. Februar von russischen Truppen erobert worden. Im April konnten ukrainische Einheiten die Siedlung befreien. Die Ukraine wift russischen Truppen vor, sie hätten in dem Vorort wie auch in Butscha, Hostomel oder Irpin „massenhafte Gräuel“ begangen. Darunter seien Morde, Entführungen, Folter und Vergewaltigungen.
Banksy hat sich bisher nur zu dem einen Bild in der Ukraine bekannt. Britische Medien spekulieren aber, dass er noch weitere Werke in dem Land hinterlassen haben könnte. So ist ebenfalls in Borodjanka auf einer Wand zu sehen, wie ein kleiner Junge einen erwachsenen Mann beim Judo zu Boden wirft – offenbar eine Anspielung auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin, der ein begeisterter Judoka ist. Im Kiewer Vorort Irpin tanzt eine Rhythmische Sportgymnastin mit Halskrause und mit einem Band in der Hand über einem Loch in einer Wand. Ein viertes Werk, das Banksys charakteristischem Spray-Stil ähnelt, zeigt in Kiew zwei Kinder, die eine Panzerfalle aus Metall als Wippe nutzen. (dpa)
Blinken sichert Ukraine weitere Unterstützung zu
Die USA haben der Ukraine im Krieg mit Russland dauerhafte Unterstützung zugesagt. Bei einem Treffen mit seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba am Samstag am Rande des Asean-Gipfels in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh sagte US-Außenminister Antony Blinken, die Erfolge um Cherson seien ein weiteres Zeugnis für den bemerkenswerten Mut der Streitkräfte und der Volkes der Ukraine wie auch für die starke Unterstützung durch die USA und die Welt. Die sicherheitstechnische, humanitäre und wirtschaftliche Hilfe werde „solange wie nötig“ fortgesetzt.
Blinken übte scharfe Kritik an Russland, dass die Ukraine weiter „brutal behandelt“ – besonders mit seiner gezielten Kampagne, um die Energieinfrastruktur zu zerstören: „Alles, was notwendig ist, um Licht zu haben, Menschen im Winter warmzuhalten.“ Die Angriffe hätten schreckliche Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung überall in der Ukraine. Die USA seien entschlossen, der Ukraine zu helfen, die kritische Infrastruktur zu verteidigen und zu ersetzen und zu reparieren, sagte Blinken.
Kuleba dankte für die Unterstützung. Bei seinen Gesprächen in Asien gehe es auch darum, andere Länder auf die Seite des Völkerrechts und einiger fundamentale Grundsätze zu ziehen. Die russische Aggression richte sich nicht nur gegen die Ukraine, sondern auch gegen eben diese Prinzipien, auf denen die Welt aufgebaut sei, sagte Kuleba bei dem Treffen während des Gipfels der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean. (dpa)
Festgesetzte russische Dünger-Frachter sollen Afrika beliefern
Russische Düngemittelladungen, die infolge westlicher Sanktionen im Zuge des Ukraine-Kriegs auf Frachtern in den Niederlanden, Estland und Belgien feststecken, sollen nach Angaben aus Moskau nach Afrika geliefert werden. Das habe der Düngemittel-Hersteller Uralchem-Uralkali mit den drei Ländern vereinbart, meldete die russische Nachrichtenagentur Tass am Samstag. Sie zitierte Uralchem-Chef Dmitri Konjajew mit den Worten, der Konzern arbeite mit den Vereinten Nationen (UN) zusammen, um kostenlose Lieferungen von mehr als 262.000 Tonnen Mineraldünger nach Afrika zu organisieren, die in den EU-Ländern festgesetzt worden seien.
Die Niederlande hatten am Freitag angekündigt, dass sie auf Ersuchen der UN die Lieferung von 20.000 Tonnen russischem Dünger ins südostafrikanische Malawi genehmigen wollen, die im Hafen von Rotterdam aufgrund von Sanktionen gegen eine nicht namentlich genannte russische Person festgehalten werden. Eine Bedingung der Vereinbarung sei, dass die sanktionierte Person und das russische Unternehmen nichts an der Transaktion verdienen würden. Tass zitierte Konjajew mit den Worten, es seien Vereinbarungen über den Export von Düngemitteln getroffen worden, die in Häfen in den Niederlanden, Belgien und Estland gestrandet seien. Doch nannte er weder die Mengen aus den einzelnen Ländern noch die afrikanischen Bestimmungsorte.
Nach Angaben von UN-Vertretern soll die erste Lieferung auf diese Weise kostenloser Düngemittel in der kommenden Woche nach Malawi gehen. Die russischen Getreide- und Düngemittelausfuhren werden durch die westlichen Sanktionen wegen des Ukraine-Krieges nicht direkt blockiert. Die Führung in Moskau beklagt aber, dass die Ausfuhren gestört werden, weil die Sanktionen den Zugang zu Finanzmitteln, Versicherungen und Häfen beeinträchtigen. (rtr)
Russische Besatzer verlegen Chersoner Verwaltungszentrum
Nach dem Rückzug aus der südukrainischen Gebietshauptstadt Cherson haben die russischen Besatzer ihr regionales Verwaltungszentrum auf den noch von ihnen kontrollierten Teil des gleichnamigen Gebiets verlegt. Ein großer Teil der russischen Administration sei bereits in die Stadt Henitschesk umgesiedelt worden, meldeten Russlands staatliche Nachrichtenagenturen am Samstag unter Berufung auf einen Sprecher der Chersoner Besatzungsverwaltung.
Henitschesk liegt ganz im Südosten von Cherson am Asowschen Meer und nur wenige Dutzende Kilometer von der Schwarzmeer-Halbinsel Krim entfernt, die Moskau bereits 2014 annektiert hat.
Russland hatte das Gebiet Cherson kurz nach Beginn seines Angriffskriegs Ende Februar weitgehend erobert. Im September ließ der Kreml Cherson – ebenso wie die ukrainischen Gebiete Saporischschja, Luhansk und Donezk – völkerrechtswidrig annektierten. (dpa)
Kuleba signalisiert Bereitschaft zu Treffen mit Lawrow
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba würde nach eigenen Angaben ein Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow in Betracht ziehen, sollte dieser eines nachfragen. Die Gelegenheit dazu bestünde beim Asean-Gipfel in Phnom Penh, zu dem sowohl Kuleba als auch Lawrow angereist sind.
Kuleba sagte am Samstag in der kambodschanischen Hauptstadt allerdings auch, Russland habe Gespräche bislang nur als „Deckmantel für seine fortgesetzte Aggression“ benutzt. „Die Ukraine wird siegen, es ist nur eine Frage der Zeit und des Preises“, sagte er. „Und ja, einige Erfolge sind militärisch erzielt worden, aber einige Erfolge der Ukraine werden diplomatisch erreicht werden.“
Russland hatte am Freitag den Rückzug seiner Truppen vom Westufer des Dnipros in der Region Cherson einschließlich der gleichnamigen Regionalhauptstadt verkündet, zwei Monate nach dem Abzug aus der östlichen Region Charkiw. Kuleba sagte, die territoriale Integrität der Ukraine sei nicht verhandelbar. Moskau hat nach der Krim 2014 völkerrechtswidrig vier weitere ukrainische Regionen annektiert.
UN-Generalsekretär António Guterres sagte ebenfalls in Phnom Penh, es sei wichtig, Bedingungen für die Wiederaufnahme des Dialogs zwischen der Ukraine und Russland zu vereinbaren und dann „fortschreitend in eine Zukunft zu blicken, in der Frieden die Oberhand gewinnen wird“. „Nicht jede Art von Frieden“, betonte er jedoch. „Frieden gestützt auf die Werte der UN-Charta und Frieden gegründet auf internationalem Recht.“ (ap)
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