+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Israelische Armee birgt Leichen von zwei Geiseln aus Gaza
Das Paar wurde am 7. Oktober 2023 von der Hamas entführt. Bundesaußenminister Johann Wadephul kritisiert Israel wegen dessen Vorgehen im Gazastreifen.

Bundesaußenminister Johann Wadephul kritisiert Israel wegen dessen Vorgehen im Gazastreifen und im Westjordanland. Es müsse mehr humanitäre Hilfe im Gazastreifen zugelassen werden, sagt Wadephul bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem israelischen Außenminister Gideon Saar in Berlin. „Das ist auch geltendes Völkerrecht.“ Die Ankündigung der israelischen Regierung, 22 weitere Siedlungen im Westjordanland zuzulassen, kritisiert Wadephul ebenso scharf. Dies sei ein Verstoß gegen das Völkerrecht. „Wir lehnen das ab.“ (rtr)
Israelisches Militär birgt zwei Leichen
Das israelische Militär hat die Leichen zweier Geiseln geborgen. Es handele sich um die sterblichen Überreste von Judi Weinstein-Haggai und Gad Haggai, die von der Hamas festgehalten worden seien, teilt der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit. Die israelische Armee erklärt, die Leichen des Ehepaares seien bei einem Sondereinsatz in der Gegend von Chan Junis im südlichen Gazastreifen geborgen worden. Die Hamas hält damit immer noch 56 Geiseln fest, weniger als die Hälfte von ihnen sei nach israelischer Einschätzung noch am Leben. Die radikal-islamische Hamas hatte am 7. Oktober 2023 überraschend den Süden Israels überfallen und nach israelischen Angaben 1200 Menschen getötet sowie 251 Geiseln verschleppt. Etliche wurden seither freigelassen, auch Leichen von Geiseln wurden übergeben, einige Geiseln wurden von Soldaten befreit. In der direkt auf den Überfall folgenden massiven Offensive des israelischen Militärs wurden im Gazastreifen nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde mehr als 54.000 Palästinenser getötet – Männer, Frauen und Kinder. (rtr)
Hilfszentren öffnen wieder
Die umstrittenen Hilfszentren im umkämpften Gazastreifen sollen heute nach eintägigen „Renovierungsarbeiten“ wieder für die notleidende Bevölkerung zugänglich sein. Um welche Uhrzeit die am Mittwoch geschlossenen Einrichtungen wieder geöffnet werden, teilte die Gaza Humanitarian Foundation (GHF) in der Nacht auf ihrer arabischsprachigen Facebook-Seite nicht mit. Nach wiederholten Berichten über tödliche Schüsse auf Palästinenser bei den Zentren sollte die Sicherheit dort verbessert werden. (dpa)
USA blockieren Resolution zu Gaza-Streifen im UN-Sicherheitsrat
Die USA haben im UN-Sicherheitsrat eine Resolution über einen sofortigen und unbefristeten Waffenstillstand im Nahostkrieg verhindert, die auch einen ungehinderten Zugang für Hilfsgüter verlangt hätte. Die USA blockierten den Entwurf mit ihrem Veto, wie die UN am Mittwochabend (Ortszeit) in New York mitteilten. US-Außenminister Marco Rubio rechtfertigte das Vorgehen. „Wir werden keine Maßnahme unterstützen, die es versäumt, die Hamas zu verurteilen“ und von der islamistischen Terrororganisation zu fordern, dass sie sich entwaffnet und den Gazastreifen verlässt, sagte er laut einer Mitteilung.
Eine Verabschiedung der Resolution hätte die Hamas gestärkt, die laufenden diplomatischen Bemühungen um eine Waffenruhe zu untergraben, hieß es. Die USA und Israel sind verbündet und unterstützen die umstrittene Hilfsorganisation GHF in dem Gebiet.
Für die Resolution stimmten im Sicherheitsrat alle anderen 14 Ratsmitglieder. Der Text verlangte auch sofortige humanitäre Hilfe für die notleidenden Menschen im Gaza-Streifen und die Freilassung der Geiseln, die sich in der Gewalt der Terrorgruppe Hamas befinden. Die zehn nicht ständigen Mitglieder des Rates hatten den Entwurf eingebracht, darunter Dänemark.
Dies geschieht vor dem Hintergrund wachsender Besorgnis über die Verteilung von Hilfslieferungen in dem abgeriegelten Küstengebiet, wo laut den UN die mehr als zwei Millionen Bewohner von Hunger bedroht sind, nachdem Israel elf Wochen lang ein vollständiges Verbot für Lieferungen von Lebensmitteln und anderen Hilfsgütern verhängt hatte. Damit sollte nach Angaben der israelischen Regierung der Druck auf die Hamas erhöht werden, damit sie die letzten beim Terrorüberfall in Israel am 7. Oktober 2023 entführten Geiseln freilässt. (dpa/epd)
Berichte über tödliche Vorfälle
Erst vor rund zwei Wochen hatte Israel die Blockade der Hilfslieferungen gelockert. Ihre Verteilung wurde kürzlich von der GHF übernommen. Die von Israel und den USA geförderte Organisation umgeht dabei Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen und anderer Initiativen, gefährdet nach UN-Einschätzung Zivilisten und verstößt gegen bewährte Standards neutraler Hilfe.
Nach den Berichten über tödliche Schüsse auf Palästinenser bei den Hilfsstationen in den vergangenen Tagen wollte die GHF die Sicherheit dort verbessern. Man arbeite daran, die Verteilung von Lebensmittelpaketen so sicher wie möglich zu gestalten, hieß es in der Mitteilung auf Facebook. Alle Palästinenser, die zu den Verteilungszentren unterwegs seien, würden aus Sicherheitsgründen dringend dazu aufgefordert, den von den israelischen Streitkräften festgelegten Routen zu folgen, hieß es weiter. (dpa)
Hilfszentren sollen wieder öffnen
Die Ankündigung der umstrittenen Stiftung enthält jedoch keine Angaben dazu, ob alle der von ihr betriebenen Verteilzentren wieder öffnen werden und wann genau. Sobald die „Wartungs- und Reparaturarbeiten“ beendet seien, werde man Informationen zu den Öffnungszeiten bekanntgeben, hieß es. Dies dürfte es den Bewohnern Gazas schwer machen, die langen und gefährlichen Fußmärsche zur Abholung der Hilfe zu planen, schrieb die „Times of Israel“.
Am Sonntag, Montag und Dienstag habe das israelische Militär auf Palästinenser geschossen, die sich den Truppen genähert hätten, hatte die Zeitung berichtet. Sie seien von einem vorab genehmigten Weg abgewichen. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde vom Dienstag sollen israelische Soldaten in der Nähe eines Verteilungszentrums bei Rafah mindestens 27 Palästinenser getötet und rund 90 weitere verletzt haben.
Dagegen erklärte Israels Armee, Soldaten hätten rund einen halben Kilometer von der Verteilungsstelle entfernt Verdächtige gesehen, die eine Bedrohung dargestellt hätten. Da diese aber trotz Warnschüssen nicht zurückgewichen seien, hätten die israelischen Soldaten auf einzelne Verdächtige geschossen. Keine der Angaben beider Seiten lässt sich derzeit unabhängig überprüfen. (dpa)
Wadephul empfängt israelischen Kollegen
Die umstrittene Neuausrichtung der humanitären Hilfe begründet die israelische Regierung damit, dass die Lieferungen zuvor von der Hamas gestohlen worden seien. Belege für den systematischen Raub humanitärer Hilfe durch die Hamas hat Israel allerdings nach Darstellung der UN-Organisationen nicht vorgelegt.
Bundesaußenminister Johann Wadephul empfängt heute seinen israelischen Kollegen Gideon Saar in Berlin, nachdem er am Mittwoch im Bundestag Israel weitere Waffenhilfe zugesagt hatte. Am Vormittag will der CDU-Politiker mit seinem israelischen Gast das Holocaust-Mahnmal besuchen und an dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas einen Kranz niederlegen. Bei ihren anschließenden Beratungen dürfte es auch um Israels massives militärisches Vorgehen und die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen gehen.
Auslöser des Kriegs war der Überfall der Hamas und anderer islamistischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln verschleppt wurden. Seither wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bislang mehr als 54.600 Palästinenser im Gazastreifen getötet. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten und lässt sich unabhängig kaum überprüfen. (dpa)
Hilfswerk UNRWA fordert mehr deutsches Engagement
Unterdessen rief der Direktor des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA), Sam Rose, die Bundesregierung zu stärkerem Engagement im zu großen Teilen zerstörten Gaza-Streifen auf. Deutschland müsse „das Richtige tun“ und erkennen, „dass Untätigkeit Konsequenzen hat, die uns noch lange beeinflussen werden“, sagte er der Süddeutschen Zeitung (Donnerstag). In den vergangenen Wochen hatte sich die deutsche Kritik am israelischen Vorgehen verstärkt.
Dazu sagte Rose, dass eine Diskrepanz zwischen rhetorischer Empörung und straffreier Politik bestehe, „obwohl verschiedene Instrumente eingesetzt werden könnten“. Zu diesen gehörten nicht nur Proteste, sondern auch Sanktionsmöglichkeiten oder etwa der Internationale Strafgerichtshof „mit all seinen Instrumenten, die nach dem Holocaust geschaffen wurden“, so Rose.
Auf die Frage, ob er den Vorwurf teile, dass Israel das Völkerrecht breche, antwortete Rose: „Seit Kriegsbeginn wurden rund 16.000 Kinder getötet. Ich finde, das spricht für sich.“ Außerdem zwinge die Lebensmittelverteilung durch die neu gegründete „Gaza Humanitarian Foundation“ die Menschen zum Umzug, um ihre Grundbedürfnisse zu decken. Seit die US-israelische Organisation mit der Lebensmittelverteilung begonnen hat, kam es in den vergangenen Tagen immer wieder zu Toten und Verletzten unter den Palästinensern.
Nach einer wochenlangen Abriegelung seit Anfang März gelangte zuletzt wieder in kleinerem Umfang humanitäre Hilfe in den Gaza-Streifen. Die Vereinten Nationen dringen auf eine deutliche Ausweitung der Hilfe. (epd)
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