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+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++Berlin, Paris, London: Gaza-Blockade „untragbar“

Die Zivilbevölkerung im Gazastreifen leidet massiv. Europäische Außenminister fordern Israel auf, die Blockade von Hilfslieferungen zu beenden.

Israel blockiert den Zugang von Hilfsgütern nach Gaza – die Menschen dort leiden Foto: Majdi Fathi/NurPhoto/imago

Berlin, Paris, London: Israels Blockade von Hilfslieferungen nach Gaza „untragbar“

Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens haben in einer gemeinsamen Erklärung Israel zum Ende der Blockade von Hilfslieferungen in den Gazastreifen aufgefordert und Ankündigungen einer möglichen dauerhaften Militärpräsenz dort scharf kritisiert. „Die israelische Entscheidung, den Zugang von Hilfsgütern nach Gaza zu blockieren, ist untragbar“, hieß es in der am Mittwoch veröffentlichten Erklärung.

Als „inakzeptabel“ bezeichneten die Chefdiplomaten zudem Israels Pläne zu einem Verbleib im Gazastreifen nach dem Ende des Krieges sowie die „jüngsten Äußerungen“ des israelischen Verteidigungsministers Israel Katz, der die ausbleibende Lieferung von Hilfsgütern als „Druckmittel“ gegen die im Gazastreifen herrschende islamistische Palästinenserorganisation Hamas bezeichnet hatte.

Sowohl die Pläne zu einem Verbleib im Gazastreifen als auch Katz' Äußerungen seien schädlich für die „Aussicht auf Frieden“. Weiter erklärten die Außenminister: „Humanitäre Hilfe darf niemals als politisches Druckmittel eingesetzt werden, und palästinensisches Gebiet darf weder verkleinert noch demografischen Veränderungen unterworfen werden.“

Nahost-Konflikt

Nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 startete das israelische Militär eine Gegenoffensive in Gaza, 2024 folgte der Vorstoß gegen die Hisbollah im Libanon. Der Konflikt um die Region Palästina begann Anfang des 20. Jahrhunderts.

Scharfe Kritik äußerten die Außenminister auch an „jüngsten Angriffen“ der israelischen Armee auf „humanitäre Helfer, Infrastruktur, Gebäude und Gesundheitseinrichtungen“. Israel müsse „viel mehr tun, um die Zivilbevölkerung, die Infrastruktur und humanitäre Helfer zu schützen“.

Im März waren beim Beschuss palästinensischer Rettungskräfte durch israelische Soldaten im Gazastreifen 15 Menschen getötet worden. Die israelische Armee hatte am Montag „Fehler“ bei dem Vorfall eingeräumt und ihr Bedauern ausgedrückt – nahm die beteiligten Soldaten jedoch in Schutz.

Kritik äußerten die Außenminister auch an der islamistischen Hamas. Die Palästinenserorganisation dürfe „keine Hilfsleistungen für den eigenen finanziellen Nutzen abzweigen“ und „zivile Einrichtungen (nicht) für militärische Zwecke nutzen“. Außerdem forderten sie die Hamas zur „sofortigen“ Freilassung der von ihr im Gazastreifen festgehaltenen israelischen Geiseln auf.

Am Mittwoch erklärte die von der Hamas geführte Zivilschutzbehörde im Gazastreifen, bei israelischem Beschuss eines Schulgebäudes seien in den Morgenstunden 17 Menschen getötet worden. Einsatzkräfte hätten verkohlte Leichen aus den Trümmern des Gebäudes in der Stadt Gaza geborgen. Darin hätten sich Geflüchtete befunden. (afp)

UN: Schlimmste humanitäre Lage seit Beginn des Gazakriegs

Der Gazastreifen erlebt nach UN-Angaben die wohl schlimmste humanitäre Krise seit Beginn des Kriegs vor mehr als eineinhalb Jahren. Hilfe für die Zivilbevölkerung werde durch neue israelische Militärangriffe, die seit mehr als 50 Tagen andauernde Blockade humanitärer Hilfslieferungen, tödliche Angriffe auf Helfer sowie massive Bewegungseinschränkungen in dem Küstenstreifen behindert, heißt es in einem neuen Bericht des UN-Nothilfebüros (OCHA) zur Lage in dem Küstenstreifen.

Von 43 internationalen und palästinensischen Hilfsorganisationen hätten fast alle in einer Untersuchung angegeben, dass sie ihre Hilfsleistungen seit Wiederbeginn der israelischen Angriffe am 18. März einstellen oder massiv einschränken mussten. Die Zahl der seitdem erneut vertriebenen Gaza-Einwohner war zuletzt von den UN auf rund eine halbe Million geschätzt worden. (dpa)

Kaum noch Trinkwasser und Strom

Die Hilfsorganisation Oxfam teilte mit, es gebe „kaum noch sauberes Trinkwasser, da Anlagen bombardiert wurden oder nicht mehr funktionieren, seit die letzten verbleibenden Stromleitungen gekappt wurden, die für den Betrieb der sanitären Anlagen benötigt werden“. Notstromaggregate seien wegen erschöpfter Treibstoffvorräte nur selten in Betrieb. „Die Preise für die wenigen verfügbaren Lebensmittel sind in die Höhe geschnellt, viele Menschen sind von extremem Hunger bedroht.“

Israel wirft der Hamas vor, sie habe sich Hilfsgüter mit Gewalt angeeignet und verkaufe diese zu überhöhten Preisen an die Zivilbevölkerung. (dpa)

Menschen leben in Angst und Schrecken

Clemence Lagouardat, Oxfams Koordinatorin für humanitäre Hilfe in Gaza, sagte: „Es ist schwer vorstellbar, wie schrecklich die Lage im Gazastreifen ist. Unsere Mitarbeiter und Partner erleben täglich Szenen der Verzweiflung. Die Menschen leben in Angst und Schrecken und fürchten um ihr Leben.“

Die letzte Waffenruhe-Phase endete, nachdem sich Israel und die Terrororganisation Hamas nicht auf die Modalitäten für die nächste Phase hatten einigen können.

Im Gazastreifen werden nach israelischen Angaben noch 24 Geiseln festgehalten sowie die Leichen von 35 Entführten. Israel will mit den neuen Angriffen den Druck auf die Hamas erhöhen, damit diese einer Freilassung weiterer Geiseln zustimmt. Diese werden nach Angaben freigelassener Verschleppter von ihren Entführern unter grausamsten Umständen festgehalten. (dpa)

Israel: haben wahrscheinlich aus dem Jemen kommende Rakete abgefangen

Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben am frühen Morgen „höchstwahrscheinlich“ eine aus dem Jemen abgefeuerte Rakete abgefangen. Zuvor hatten in mehreren Gebieten Israels die Alarmsirenen geheult. Der israelische Rettungsdienst Magen David Adom (MDA) teilt mit, es seien keine Meldungen über Raketeneinschläge oder Verletzte eingegangen. Die vom Iran unterstützte Huthi-Bewegung hat die bevölkerungsreichsten Teile des Jemen unter ihre Kontrolle gebracht. Die bewaffnete Gruppe feuert aus Solidarität mit den Palästinensern im Gazakrieg zwischen Israel und der Hamas immer wieder Raketen und Drohnen auf Israel ab. (rtr)

Israel: Rechtsextreme Politiker fordern Verschärfung des Gazakriegs

Rechtsextreme Mitglieder der israelischen Regierung haben nach Medienberichten eine Verschärfung der Angriffe im Gazastreifen gefordert. Bei einer Sitzung des sogenannten Sicherheitskabinetts am Dienstagabend hätten der ultrarechte Finanzminister Bezalel Smotrich und andere Minister ein deutlich härteres Vorgehen gefordert, berichteten israelische Medien. Dazu gehöre eine größere Bodenoffensive zur Eroberung des Gazastreifens mit Einberufung zahlreicher Reservisten. Ziel sei die komplette Zerstörung der Terrororganisation Hamas.

Der Sender Kan berichtete jedoch unter Berufung auf einen ranghohen Regierungsvertreter, Israel wolle den indirekten Verhandlungen mit der Hamas über eine neue Waffenruhe noch eine Chance geben.

Auslöser des Gazakriegs war der Überfall der Hamas und anderer extremistischer Gruppierungen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 Israelis als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seitdem wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen mehr als 51.200 Menschen getötet. (dpa)

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5 Kommentare

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  • Wow nach fast 2 Monaten findet man die Blockade untragbar und gibt ein Statement ab. Leere Worte. Warum? Weil inzwischen jeder weis, inklusive der israelischen Regierung, das dem keine Taten folgen werden, weder gegen die Blockade von Hilfslieferungen, noch gegen Annexion von noch mehr Land, nichts gegen die Vertreibung und nichts gegen Kriegsverbrechen/ Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Man schafft es ja noch nicht mal Verbrechen klar zu benennen, sondern verwendet ständig Euphemismen. Es ist schön wenn man immer wieder sagt, man solle zivile Einrichtungen nicht für militärische Zwecke benutzen, aber immer wieder eingeräumt hat, das die israelische Regierung bisher in vielen Fällen wenig bis teilweise gar keine Beweise präsentiert hat, die eine militärische Nutzung zum Zeitpunkt der Bombadierung nachweisen. Stattdessen haben mehrere Organisationen die teils gezielte Zerstörung von zivilen Gebäuden v.a. in der "Pufferzone" nachgewiesen z.B. die isr. Organisation Breaking the Silence. Es ist keine Frage das Hamas auch aus zivilen Gebäuden agiert, aber geschütze Gebäude dürfen nur unter best. Voraussetzungen bombadiert werden und der Angreifer muss den Nachweis erbringen.

  • "Die israelische Armee hatte am Montag „Fehler“ bei dem Vorfall eingeräumt und ihr Bedauern ausgedrückt" … *und* den Soldaten entlassen, der den Einsatz leitete.

    Das ist ein nicht ganz unwichtiger Teil der Meldung.

    • @Arne Babenhauserheide:

      Entlassung für die Tötung eines UN-Mitarbeiters, und von 14 Rettungskräften, die meisten davon Sanitäter und dann noch Verschleiherung des Kriegsverbrechens. Ohne die Videoaufnahme eines Sanitäters hätte man hier doch wieder der isr. Regierung blind vertraut. Das sie immer noch darauf bestehen das 6 der getöteten Hamasmitglieder waren, ohne Beweise spielt da auch keine Rolle? Das sie unbewaffnet waren (bestätigt durch Israel) und damit keine unmittelbare Gefahr darstellten und somit ein Angriff sowieso nicht gerechtfertigt war, spielt auch keine Rolle? Wo ist das Verfahren und die Ermittlung wegen Kriegsverbrechen? Würden sie sich mit der Entlassung eines russischen Soldaten zufrieden geben, wenn er für den Tod von 15 ukrainischen Rettungskräften verantwortlich wäre? Die Verantwortlichen gehören vor ein Kriegsgericht nicht entlassen oder degradiert.

  • Hilfsmittel kämen eh nicht an, bzw. würden zur Terrorfinanzierung genutzt.



    www.zeit.de/politi...g-hilfslieferungen

  • Kritik äußerten die Außenminister auch an der islamistischen Hamas. Die Palästinenserorganisation dürfe „keine Hilfsleistungen für den eigenen finanziellen Nutzen abzweigen“ und „zivile Einrichtungen (nicht) für militärische Zwecke nutzen“.



    Man kanns ja mal sagen.



    Und ja, ich weiß, dass es radikale Israelis gibt, die Hilfslieferungen blockiert haben.