+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Erster Angriff in Beirut-Stadt

Israel greift Hisbollah-Verbündete mitten in Libanons Hauptstadt an und fliegt weitere Angriffe in der Bekaa-Ebene. Sorge vor Bodenoffensive wächst.

Ein eingedelltes Auto steht vor einem beschädigten Haus

Nach dem israelischen Angriff in Beiruts Innenstadt Montag früh Foto: Hussein Malla/ap

Vier Tote bei Drohnenangriff in Beirut

Bei einem israelischen Luftangriff auf die Wohnung einer militanten Gruppierung in Beirut sind nach Angaben aus libanesischen Sicherheitskreisen vier Menschen getötet worden. Eine israelische Drohne habe am Montag eine Wohnung im Viertel Cola – im Süden Beiruts und an der Grenze zur Vorstadt Dahiyeh gelegen – ins Visier genommen, die zwei Mitgliedern der sunnitisch-islamistischen Gruppierung Dschamaa Islamija gehöre, verlautete aus libanesischen Sicherheitskreisen. Dabei seien vier Menschen getötet worden.

Wie die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) mitteilte, waren drei der Getöteten Mitglieder der mit der Hisbollah verbündeten militanten Palästinensergruppierung, die unter anderem in Deutschland verboten ist. Demnach wurden bei dem Angriff ihr militärischer Sicherheitschef Mohammad Abdel-Aal, der militärische Befehlshaber Imad Odeh sowie das Mitglied Abdelrahman Abdel-Aal getötet.

Während die israelische Armee in den vergangenen Tagen wiederholt Ziele der pro-iranischen Hisbollah in deren Hochburgen in den südlichen Vororten von Beirut ins Visier genommen hatte, war dies der erste Angriff im Zentrum der libanesischen Hauptstadt seit dem beispiellosen Hamas-Angriff auf Israel vor einem Jahr.

Auf Fernsehaufnahmen lokaler Sender war das zerstörte Stockwerk des betroffenen Gebäudes im überwiegend von Sunniten bewohnten und an die Straße zum Flughafen grenzenden Viertels zu erkennen. Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten zudem von Drohnen, die am Sonntag den ganzen Tag über der libanesischen Hauptstadt zu sehen waren.

Unterdessen beginnen im Libanon am Montag dreitägige Trauerfeiern für den am Freitag durch einen gezielten israelischen Luftschlag in einem Vorort Beiruts getöteten Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah. Die Schiiten-Miliz hat allerdings bislang keine Informationen über seine Beisetzung bekanntgegeben. Auch gibt es scheinbar noch keinen Nachfolger für Nasrallah. (afp/dpa)

Angriffe auf Hisbollah-Strukturen in ganz Libanon

Stunden zuvor hatte Israel Ziele im ganzen Land angegriffen und über das Wochenende Dutzende Menschen getötet. Der Kommandostruktur der Hisbollah versetzte das Militär einige tödliche Schläge, etwa durch die Tötung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah oder des Kommandeurs Nabil Kauk.

In der vergangenen Woche hatte Israel mehrfach die südlichen Vororte Beiruts angegriffen, in denen die Hisbollah sehr präsent ist. Darunter war auch der umfassende Angriff, der am Freitag Nasrallah das Leben kostete. Angriffe auf das Stadtzentrum hatte Israel jedoch zunächst unterlassen.

Im gesamten Libanon vermeldete das Gesundheitsministerium mindestens 105 Tote bei Luftangriffen am Sonntag. Bei zwei Angriffen in der Nähe der südlichen Stadt Sidon, etwa 45 Kilometer südlich von Beirut, wurden nach Angaben des Ministeriums am Sonntag mindestens 32 Menschen getötet. Bei israelischen Angriffen in der nördlichen Provinz Balbeek kamen den Angaben zufolge 21 Menschen ums Leben, 47 weitere sollen verletzt worden sein. Auch in anderen Landesteilen gab es Angriffe. (ap)

Sorge vor Bodenoffensive

Es wächst die Sorge, dass Israels Armee zu einer Bodenoffensive im Süden des Nachbarlandes übergehen könnte. Nach der Tötung Nasrallahs hatte Israels Armeechef Herzi Halevi am Samstag diese Möglichkeit angedeutet. Er habe Pläne für das Nordkommando der Streitkräfte gebilligt. „Herausfordernde Tage liegen vor uns“, sagte er. Die israelische Armee sei „in höchster Alarmbereitschaft, sowohl in defensiver als auch offensiver Hinsicht, an allen Fronten“. Sie sei gerüstet für das, was als Nächstes komme.

Experten sprechen von einer möglichen „Falle“, in die Israel geraten könnte. Trotz des Todes von Nasrallah und fast der gesamten oberen Führungsebene verfüge die Hisbollah immer noch über Tausende von erfahrenen Kämpfern und ein umfangreiches Waffenarsenal, mit dem sie in ihren südlibanesischen Hochburgen auf vorbereitetem Terrain Israels Truppen erhebliche Verluste zufügen könnte, schrieb das Wall Street Journal. Die Hisbollah könne es gar nicht abwarten, dass Israel im Südlibanon einmarschiert, zitierte die Zeitung eine frühere israelische Abgeordnete und heutige Mitarbeiterin der Denkfabrik Atlantic Council.

Eine israelische Bodenoffensive könne der Hisbollah helfen, sich wieder „aus der Asche“ zu erheben und die Unterstützung der breiten libanesischen Gesellschaft wiederzugewinnen, hieß es. Israels Befehlshaber seien sich zwar der Gefahr von Bodenkämpfen bewusst, schrieb die Zeitung. Das politische Problem bestehe jedoch darin, dass Israels erklärtes Kriegsziel – die Rückkehr von 60.000 Israelis, die durch die Hisbollah-Angriffe aus Gebieten entlang der Grenze vertrieben wurden – mit Luftschlägen allein kaum zu erreichen sei. (dpa)

Libanon: Bis zu einer Million Vertriebene möglich

Durch Israels Angriffe könnten im Libanon nach Angaben des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Nadschib Mikati bis zu einer Million Menschen vertrieben werden. Es sei schon jetzt die größte Zahl an Vertriebenen in der Geschichte des Landes, sagte Mikati in Beirut. Im aktuellen Konflikt mit Israel könne es nur eine diplomatische Lösung geben: „Es gibt keine Wahl für uns als Diplomatie.“ Seit Beginn der neuen Konfrontationen wurden im Libanon nach UN-Angaben mehr als 210.000 Menschen vertrieben, unter ihnen etwa 120.000 Menschen allein im Verlauf der vergangenen Woche.

Die Zahl könnte, auch gemessen an Erfahrungen des vergangenen Kriegs mit Israel im Jahr 2006, den Vereinten Nationen zufolge aber noch deutlich höher liegen. 50.000 Syrer und Libanesen sind zudem ins benachbarte Bürgerkriegsland Syrien geflohen. Trotz der jüngsten massiven israelischen Schläge weigert sich die Hisbollah-Miliz bislang, den Beschuss Israels einzustellen, solange Israels Regierung einer Waffenruhe im Gazastreifen nicht zustimmt. (dpa)

Experte: Iran steht vor einem Dilemma

Die dramatische Schwächung der Hisbollah-Miliz bringe die Islamische Republik Iran in eine „sehr schwierige Lage“, zitierte das Wall Street Journal Michael Horowitz, Leiter der Abteilung für Nachrichtendienste bei der Beratungsfirma Le Beck International. Die libanesische Miliz sei „ein wichtiger Teil der iranischen Verteidigungsdoktrin und ihr wichtigstes Abschreckungsinstrument gegen Israel“. Der Iran stehe nun vor dem Dilemma, die Hisbollah möglicherweise verteidigen zu müssen, hieß es. Vor diesem Hintergrund könnte die Huthi-Miliz im Jemen für den Iran in seiner sogenannten „Achse des Widerstands“, mit der Teheran gegen den erklärten Erzfeind Israel kämpft, noch an Bedeutung gewinnen.

Israels Luftangriff auf den Jemen erfolgte dem Militär zufolge als Reaktion auf die jüngsten Huthi-Angriffe. Am Samstagabend war unter anderem in der Küstenmetropole Tel Aviv wegen eines Geschosses erneut Raketenalarm ausgelöst worden. Die Miliz erklärte, sie habe den Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv mit einer ballistischen Rakete angegriffen. Diese wurde laut Militär aber noch vor Erreichen des israelischen Hoheitsgebiets abgefangen.

Zuletzt hatte Israels Luftwaffe im Jemen Ende Juli angegriffen. Ziel war auch damals der Hafen von Hudaida als Reaktion auf einen tödlichen Drohnenangriff der Huthi auf Tel Aviv. Derweil griff die israelische Armee nach eigenen Angaben im Norden Gazas erneut eine Kommandozentrale der Hamas aus der Luft an, die sich auf dem Gelände einer früheren Schule befunden habe, wie die Armee in der Nacht mitteilte. Man habe vor dem Angriff zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Gefahr für Zivilisten zu mindern. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig prüfen. Die Armee griff nach eigenen Angaben außerdem weitere Stellungen der Hisbollah-Miliz in der Bekaa-Ebene im Osten des Libanons an. (dpa)

Hinweis: Wir haben den genauen Ort der in Beirut bombardierten Wohnung präzisiert.

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