+++ Krieg in Nahost +++: Letztes Krebs-Krankenhaus in Gaza funktionsunfähig
Die Hamas bestätigt einen direkten Gesprächskanal zu den USA. Im Westjordanland spitzt sich die Lage nach der Tötung einer schwangeren Israelin zu.

Nach einem Angriff der israelischen Armee am Dienstag sei die Klinik „schwer beschädigt und unzugänglich“, erklärte Tedros. Ein Team der WHO habe die verbliebenen Mitarbeiter der Klinik evakuiert, jedoch nicht ohne Zwischenfälle. „Ein Angriff schlug kurz vor der (Evakuierungs-)Mission in der Nähe ein.“ Der WHO-Leiter forderte den Schutz gesundheitlicher Einrichtungen in dem Kriegsgebiet. „Sie dürfen nie militarisiert oder angegriffen werden.“
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen betonte ebenfalls die Auswirkung der Schließung des Europäischen Krankenhauses. „Dies war einer der letzten verbliebenen Rettungsanker im zerschmetterten Gesundheitssystem des Gazastreifens“, erklärte die Organisation im Onlinedienst X. Nun sei das Nasser Krankenhaus die letzte funktionsfähige Klinik in Chan Junis im Süden des Palästinensergebiets. Die sei aber auch wenige Stunden vor dem Angriff auf das Europäische Krankenhaus zum zweiten Mal binnen weniger als zwei Monaten attackiert worden.
Nach einer zweimonatigen Waffenruhe hatte Israel seine massiven Angriffe im Gazastreifen am 18. März wieder aufgenommen. Anfang Mai billigte das israelische Sicherheitskabinett eine Ausweitung der Offensive und verabschiedete einen Plan, der eine „Eroberung“ des Gazastreifens vorsieht. Seit dem 2. März blockiert Israel zudem die humanitären Hilfslieferungen in den Gazastreifen. (afp)
Hamas führt direkte Gespräche mit den USA
Die islamistische Hamas führt nach Angaben eines hochrangigen Mitglieds des Politbüros der Terrororganisation direkte Gespräche mit den USA. Die Hamas sei mit Mitgliedern der US-Regierung über die Bedingungen für ein Ende des Krieges im Gazastreifen in Kontakt, sagte Basim Naim dem britischen TV-Sender Sky News. Die Hamas beharrt demnach auf ihrer Forderung nach einem vollständigen Rückzug der israelischen Armee aus dem Küstenstreifen.
„Wir sind bereit, alle Gefangenen sofort zu übergeben, wenn wir sicher sein können, dass dies zu einem Ende des Krieges führt“, sagte Naim. Nach israelischen Angaben werden derzeit noch mindestens 20 Geiseln lebend im Gazastreifen festgehalten. Der Status von drei weiteren Entführten ist unklar. Zudem befinden sich die sterblichen Überreste von 35 Verschleppten dort.
In den vergangenen Tagen hatten sich die USA intensiv um die Freilassung des amerikanisch-israelischen Doppelstaatlers Edan Alexander bemüht. Die Freilassung gilt als Geste gegenüber den USA: Die Hamas hofft, dass US-Präsident Donald Trump Druck auf Israels Regierung ausübt, damit sie einem Abkommen zustimmt, das auch ein dauerhaftes Ende des Gaza-Kriegs vorsieht.
Offiziell hat die US-Regierung jedoch keine direkten Kontakte zu der Terrororganisation. Anfang März gab es bereits Berichte über direkte Gespräche zwischen der Hamas und der US-Regierung. Der Geisel-Beauftragte der Trump-Regierung, Adam Boehler, sei befugt, mit jedem zu sprechen, erklärte Sprecherin Karoline Leavitt damals auf die Frage, warum die USA entgegen ihrer langjährigen Linie zum ersten Mal direkt mit der Gruppe verhandelten. (dpa)
Situation im Westjordanland eskaliert weiter
Nach dem Tod einer schwangeren Israelin durch dem Beschuss ihres Autos im besetzten Westjordanland fahndet die israelische Armee weiter nach den Tätern. „Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen und die Mörder finden, um sie zur Rechenschaft zu ziehen“, erklärte der israelische Generalstabschef Eyal Zamir laut einer Mitteilung der Armee am Donnerstag. Im Norden des Palästinensergebietes wurden unterdessen bei einem Einsatz der Armee fünf Menschen getötet.
Am Mittwochabend hatte die Armee Schüsse auf ein Auto in der Nähe der israelischen Siedlung Bruchin im Zentrum des besetzten Palästinensergebiets gemeldet. Eine etwa 30-jährige schwangere Frau im Wagen wurde verletzt und erlag später ihren Verletzungen, wie das Beilinson-Krankenhaus in der Nähe von Tel Aviv mitteilte. Das Baby konnte demnach per Notkaiserschnitt entbunden werden und befand sich in einem „stabilen Zustand“. Der männliche Begleiter der Frau in dem Fahrzeug wurde leicht verletzt.
Nach Angaben der israelischen Behörden handelt es sich bei dem Opfer um Tzeela Gez, eine Mutter von drei Kindern, die gemeinsam mit ihrem Mann auf dem Weg zur Entbindung ihres vierten Kindes war, als ihr Auto nahe Bruchin unter Beschuss geriet. Bruchin ist eine von drei illegal gewachsenen israelischen Siedlungen, die im April durch die Regierung rückwirkend genehmigt wurde.
Im Dorf Tamoun im Norden des Westjordanlandes wurden unterdessen am Donnerstag bei einem Einsatz der israelischen Armee fünf Palästinenser getötet, wie der Bürgermeister des Dorfes und die Armee mitteilten. „Die Besatzungstruppen haben fünf junge Männer getötet, nachdem sie ein Haus im Zentrum des Dorfes belagert hatten“, erklärte der Bürgermeister Samir Kteichat. „Die Besatzungsarmee hat vier Leichen mitgenommen, und wir haben einen fünften Märtyrer gefunden, dessen Leiche verkohlt war“, fügte er hinzu.
Die israelische Armee erklärte ihrerseits, in den Ortschaften Tamoun und Tubas zwei Gebäude ins Visier genommen zu haben, welche für die Planung von Anschlägen genutzt worden seien. Seit dem 21. Januar führt Israels Armee im Norden des Westjordanlands einen Militäreinsatz gegen bewaffnete palästinensische Gruppen aus. (afp)
Mitgründer von Ben & Jerry's festgenommen
Der Mitgründer der Eiscrememarke Ben & Jerry's, Ben Cohen, ist bei einer Protestaktion gegen den Gaza-Krieg im US-Kongress festgenommen worden. Der 74-Jährige hatte zusammen mit anderen eine Sitzung mit Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. unterbrochen und gerufen: „Der Kongress zahlt für Bomben, um Kinder in Gaza zu töten“, wie auf einem von der „New York Times“ veröffentlichten Video zu sehen und zu hören ist.
Andere Demonstranten hielten Poster hoch. Auf einem Video, das er selbst auf der Plattform X postete, ist zu sehen, wie Cohen in den Gängen des Kongresses abgeführt wird. Schon in Handschellen wiederholt er den Vorwurf. Er forderte, der Kongress müsse sich dafür einsetzen, dass wieder Lebensmittel in den Gazastreifen geliefert werden.
Cohen hatte zusammen mit Jerry Greenfield die Eiscrememarke gegründet. Beide sind Juden und hatten nach Angaben der „New York Times“ bereits mehrfach Israels Politik kritisiert. (dpa)
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