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Bedeutung von Klima- und Ökopolitik Das Ende der Vernunft

Grüne und Klimaaktivisten scheinen ihren Platz im Bewusstsein der Öffentlichkeit verloren zu haben. Die ökologische Transformation wird nun konservativ bestimmt, nicht durch Überzeugungsarbeit.

Der Aktivismus klammert sich an den Glauben, dass mit Überzeugungskraft eine ökologische Politik zu machen ist. Doch die Konservativen regieren. Foto: picture alliance/dpa | Hannes P Albert

taz FUTURZWEI | Klimapolitik legt eine Pause ein. Der nächste Schritt in ein geopolitisch umsteuerndes Aussteigen aus dem fossilen Welt- und Lebensbeherrschungsmodus auf allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Feldern lässt auf sich warten.

Der Übergang in das elektrische Zeitalter auf der Basis von erneuerbaren Energien und Wasserstoff wird einerseits in Deutschland ausgebremst, andererseits nimmt er durch China globale Fahrt auf.

Die Grünen und die Klimaaktivisten werden im politischen Diskurs ignoriert, sie haben den über Jahre erstrittenen und verantwortungsethisch gut begründeten Platz für Klima- und Ökopolitik im Bewusstsein der Öffentlichkeit verloren.

Warum ist das so? Dafür gibt es mehrere Gründe.

Bild: privat
Über den Autor

Udo Knapp ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für unser Magazin taz FUTURZWEI.

Das Versprechen der Grünen scheint gescheitert

Das Versprechen der Grünen, ein Übergang ins nachfossile Zeitalter sei möglich – ohne einschneidende Veränderungen im alltäglichen Leben, ohne den Verlust von Arbeitsplätzen, ohne grundsätzliche Änderungen der Lebensstile und ohne hohe Kosten für jeden einzelnen – ist an den jetzt schon wahrnehmbaren Folgen der ökologischen Transformation auf dem Weg zerbrochen.

Wie immer in Momenten großen historischen Wandels, müssen die damit verbundenen unvermeidbaren Lasten und Zumutungen von denen getragen werden, die weiter unten im gesellschaftlichen Gefüge leben. Nur trauen sich die Grünen genauso wenig, wie alle anderen Parteien, das im öffentlichen Diskurs zu adressieren.

Alle Versuche, das gebremste Vorankommen der Transformation dem Kapitalismus, der skrupellosen Dominanz der Großkonzerne in der Politik und der Macht der fossilen Industrien zuzurechnen, sind wirkungslos geblieben, weil sie erfolgreich als ideologisierte Systemkritik denunziert wurden.

Informationen, die das tatsächliche Ausmaß der Bedrohung, die wissenschaftlichen Fakten und die zu erwartenden negativen Entwicklungen darstellen, sind im öffentlichen Diskurs so präsent und abrufbar wie nie zuvor.

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Das löst aber keine mobilisierende Wirkung, keine versachlichten Diskurse oder gar Zustimmung zu einer mehrheitlich getragenen Transformation aus. Im Gegenteil: Klimawandel leugnende Positionen und gefälschte Darstellungen der ökologischen Wirklichkeit gewinnen an Einfluss.

Erstarrung des Fortschritts zur Norm?

Auch Versuche vieler Klimaaktivisten, die Klimakrise in Untergangsszenarien apokalyptisch aufzuladen, sind ins Leere gelaufen. Vielmehr haben Positionen an Einfluss gewonnen, die anstelle eines grundsätzlichen Übergangs ins nachfossile Leben ein Weiter-So in und mit der Klimakatastrophe zur Hauptaufgabe erklären.

Den Grünen sehen sich, auch wegen ihrer realpolitischen Qualitäten und Erfolge, als politische Subjekte der ökologischen Transformation. Doch ihnen ist der ökologische „Fortschritt zur historischen Norm geronnen, und aus dem Zukunftsbezug der Gegenwart die Qualität des Neuen, die Emphase des unvorhersehbaren Anfangs“ verloren gegangen. So beschrieb Jürgen Habermas 1985 in „Der philosophische Diskurs der Moderne“ die Erstarrung des Fortschritts zur Norm.

Die Grünen übersehen deshalb, dass in der Gesellschaft, in der Wirtschaft, unter den Menschen das neue, nachfossile Leben auf vielfältige, eher unspektakuläre Weise längst begonnen hat. Es gibt das anti-ökologische Getöse und auch wirklichen Rückbau von bereits Erreichtem durch CDU/CSU und SPD, gleichzeitig hat aber der ökologische Umbau Fahrt aufgenommen.

Längst geht es nur noch um die Frage, wer, wo und wie auf der Welt die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und auch politischen Gewinne aus diesem Umbau realisiert und in geopolitische Macht übersetzt werden können. Auf diesem Weg werden die Bereitschaft und die Fähigkeit von Politik und Gesellschaft, sich für das Unvorhergesehene zu öffnen, das Tempo bestimmen.

Chance und Fehlannahme

Wenn Linke und auch Grüne aber immer noch glauben sollten, „dass alle Menschen im Grunde mit genug Überzeugungsarbeit zu den richtigen Einstellungen gelangen“, dann verpassen sie die Gelegenheiten, selbst Teil dieses sich vollziehenden, aber eben konservativ bestimmten ökologischen Wandels zu sein, denn „der Alltag, die Gewohnheit, auch kulturelle Imprägnierungen sind oft mächtiger als jedes Argument“, wie der Soziologe Armin Nassehi unlängst im Tagesspiegel sagte.

Es macht auch keinen Sinn, aus Ärger oder Verzweiflung über die Umwege ökologischer Vernunft die Menschen zu beschimpfen. „Sie“, erklärt Bernd Ulrich in der Zeit, „haben nämlich mehr und mehr das Gefühl, nach ihrem Zenit zu leben. Auf die alte Art besser wird es nicht mehr. (…) Mit den egoistischen, materialistischen, ungeduldigen Menschen der Spät- und Konsumdemokratie lässt sich eben auch außerhalb des Ökologischen kein Staat mehr machen.“

Ach, was. Die Menschen haben weder in den schwärzesten, nihilistischen Momenten ihrer Zivilisationsgeschichte, noch danach, jemals außerhalb der ewig fortlaufenden Zeitläufte gelebt. Es gibt für die Menschen keinen Zenit ihres Existierens, sie haben nach jeder ausweglos erscheinenden Großkrise neu angefangen, wie und mit welchen Umwegen auch immer.

Warum soll das heute anders sein?

Die Charakterisierung der Heutigen als egoistisch, materialistisch, ungeduldig und in der Demokratie nur eine Maschine zur Befriedigung ihrer Konsumbedürfnisse Sehende, ist eine Position, die sich selbst als etwas Besseres über „die Menschen“ erhebt und letztlich menschenverachtend.

Dass die Grünen, womöglich, an sich selbst scheitern, ist nach 40 Jahren Erfolgsgeschichte kein Unglück, es beendet die ökologischen Perspektiven der Gattung Mensch nicht. Die Nähe eines Scheiterns ist eher als ein Fingerzeig für sie zu sehen, sich auf Habermas „Emphase für das Unvorhergesehene“ einzulassen, ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen im Großen und im Kleinen auf allen Feldern des gesellschaftlichen Daseins für das Leben in den nachfossilen Zeiten auszubuchstabieren und so Mehrheiten und politische Macht herzustellen.

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