: Leverkusen geht ans Eingemachte
Eine große 5-Parteien-Konsensrunde im Rat hat der Stadt ein happiges Sparpaket verordnet: Serviceleistungen werden reduziert, städtischer Besitz soll verkauft werden
KÖLN taz ■ Die „Saunafreunde sonntags in Opladen“ machten ihrem Ärger in einem Offenen Brief an Leverkusens Oberbürgermeister Paul Hebbel (CDU) Luft: Mit der Verkürzung der sonntäglichen Öffnungszeiten im Opladener Schwimmbad Herzogstraße wolle die Stadt offenbar der „kompletten Schließung des Schwimmbads den Weg bereiten“. Denn wer wegen einer relativ geringen Ersparnis von jährlich 27.000 Euro die Badbesucher derart vor den Kopf stoße, werde wohl kaum die Kosten der „anstehenden, weil notwendigen und vom Bürgerentscheid geforderten, Grundsanierung des Bades“ bereitstellen, vermuten die empörten Bürger.
Der Brief der „Saunafreunde“ hat Oberbürgermeister und Ratsfraktionen offenbar nicht mehr umstimmen können. Weil die Stadt kein Geld mehr hat, beschloss der Leverkusener Stadtrat am Montag ein umfangreiches Sparpaket: So sollen die Ausleihgebüren der Stadtbibliothek erhöht und die Öffnungszeiten der Bäder und Ämter reduziert werden. Die öffentlichen Verkehrsmittel müssen ihre Linien und Taktzeiten „optimieren“, die Anschaffung von Schulcomputern bekommt einen „Sperrvermerk“. Außerdem wollen die Ratspolitiker die beiden Stadthallen, Teile von Schulgrundstücken, RWE-Aktien im Wert von 15 bis 20 Millionen Euro und Anteile an der Müllentsorgungsfirma AVEA versilbern.
Wie viel Geld die Stadt mit dieser Streichliste einsparen wird, kann indes noch niemand sagen. Zwar schätzt Ralf Johanns, Geschäftsführer der SPD-Fraktion, die Sparsumme „hoch im zweistelligen Millionenbereich“ ein. Im Haushalt 2004, den eine 5-Parteien-Koalition aus CDU, SPD, Grünen, FDP, UWG (Unabhängige Wählervereinigung) am Montag zusammen mit der Sparliste verabschiedet hat, sind die Einsparungen jedoch noch gar nicht eingerechnet.
Dadurch steigt die Verschuldung Leverkusens nach den Berechnungen des Kämmerers auf rund 130 Millionen in diesem Jahr an. Laut Erhard Schoofs, Fraktionsvorsitzender der „Bürgerliste“, verstößt der Haushalt daher auch gegen die Gemeindeordnung. Eigentlich müsse der Regierungspräsident ihn ablehnen, moniert er gegenüber der taz. Seine Partei war die einzige, die nicht zu den CDU-geführten Spar-Konsens-Gesprächen eingeladen worden war und die jetzt auch den Haushalt abgelehnt hat. Allerdings nicht, weil die Bürgerliste grundsätzlich etwas gegen die Sparpläne einzuwenden hätte: Schoofs gehen die anvisierten Einsparungen einfach nicht weit genug. „Zu vage und unverbindlich“ seien die Beschlüsse, kritisiert er, die „Verschuldungsspirale“ werde dadurch nicht aufgehalten.
Auch Johanns von der SPD gibt zu, dass das Konsenspapier mit den Sparbeschlüssen nur ein „erster, aber respektabler Schritt“ sei. Dennoch hofft er auf „dauerhafte Einspareffekte“: So würde der Beschluss, bis 2010 rund 200 Stellen bei der Stadt wegfallen zu lassen, jährlich 8 Millionen Euro mehr im Stadtsäckel bedeuten. Auch die geplante Umwandlung der städtischen „Technischen Betriebe Leverkusen“ (TBL) in eine Anstalt Öffentlichen Rechts spare der Stadt Geld, weil der Betrieb dann „freier handeln“ könne und zum Beispiel Aufträge nicht mehr öffentlich ausschreiben müsse.
Die Ursache der Leverkusener Finanzmisere liegt laut Johann vor allem in der „monostrukturellen“ Ausrichtung der Stadt auf den einen großen Konzern mit dem Kreuz. Der Bayer-Konzern habe nämlich schon seit drei Jahren keine Gewerbesteuer mehr gezahlt und werde dies voraussichtlich auch dieses Jahr nicht tun. Dieses Lied hat Jürgen Crummenerl von attac-Köln freilich schon oft gehört. In den meisten Kommunen brächen die Steuereinnahmen weg, was einen heftigen Drang auslöse, sich über die Privatisierung von öffentlichem Eigentum und die Verschlechterung von städtischen Leistungen eine Atempause zu verschaffen. „Aber irgendwann ist alles verkauft, die Kontrolle über ehemals städtische Betriebe ist futsch und die Einnahmen daraus fallen dann auch weg“, beschreibt er das Dilemma. Sein Vorschlag: Die Kommunen sollten endlich Druck machen, dass die Gewerbesteuer erhöht und die diversenSteuerschlupflöcher geschlossen werden: „Die einzige Lösung ist eine Verbesserung der Einnahmeseite“.SUSANNE GANNOTT
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