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Myanmars Junta will gewählt werdenKampf um eine Wahlfarce

Mitten im Bürgerkrieg lässt das Militärregime in Myanmar wählen. Geringe Beteiligung, große Ängste und mit der Partei der Generäle ein vorherbestimmter Sieger.

Grün ist die Farbe der USDP-Partei von Myanmars Militär: Abschlussshow zum Ende des Wahlkampfes in der Hauptstadt Naypyidaw Foto: Aung Shine Oo/ap

Wo ist Htet Myat Aung? Der 24-jährige Demokratieakvist aus Myanmars zweitgrößter Stadt Mandalay wurde am 14. Dezember von Regimekräften festgenommen. Seitdem erhielt seine Familie keine Informationen über seinen Aufenthaltsort und Zustand. Die fürchtet, dass der Ex-Vorsitzende der Studierendenvereinigung der Yadaborn-Universität gefoltert und längst ermordet sein könnte. Deshalb startete sie kurz vor Weihnachten eine Kampagne in den sozialen Medien, um den Druck auf das Regime zu erhöhen.

Htet Myat Aung hatte sich am 3. Dezember beim Zay Cho Markt an einem Flashmob beteiligt. Zehn Demonstrierende gingen eine Straße entlang, wie ein Video bei Youtube zeigt, warfen Flugblätter in die Luft und riefen Passanten zum Boykott der vom Regime kontrollierten Parlamentswahlen auf. Aus Furcht vor als „Sabotage“ bezeichneten Protesten hatte die Junta ein harsches „Wahlschutzgesetz“ erlassen. Seitdem wurden hunderte Personen festgenommen, die öffentlich die Wahlen als unfair und nicht frei kritisiert hatten. In der Metropole Yangon bekamen drei junge Künstler gar Haftstrafen von 42 bis 47 Jahren, weil sie Poster gegen die Wahlen aufgehängt hatten.

Da das Militär nur etwas mehr als die Hälfte des Landes kontrolliert und Rebellengruppen mit Störung der Wahlen gedroht haben, finden diese aus Sicherheitsgründen in drei Phasen statt: An diesem Sonntag wurde in 102 der insgesamt 330 Wahlkreise gewählt.

„Geringe Wahlbeteiligung und Angst am Tag 1 der phasenweisen Wahl,“ lautete die Schlagzeile im Online-Exilmedium Mizzima nach Schließung der Wahllokale. Ein verbreiteter Boykott, fehlerhafte Wählerlisten und Vorwürfe des Drucks zur Wahlteilnahme charakterisierten den Tag. Das Exilmulitmediaportal DVB berichtete von drei Bombenanschlägen auf Wahllokale im Karenni State. Verletzte habe es keine gegeben, anders als bei einem Angriff auf das zentrale Militärkommando mit zwei Verletzten in Mandalay und neun Verletzten bei Angriffen auf ein Parteibüro und ein Wahllokal in Myawaddy.

Der Sieg der Militärpartei USPD steht längst fest

Am 11. Januar soll in weiteren 100 und am 25. Januar noch in 72 Kreisen gewählt werden. In 56 Wahlkreisen wird nicht gewählt, weil das Regime dort keine Kontrolle hat. Weitere Absagen sind wahrscheinlich. Dabei gilt die Wahl in einem Wahlkreis schon dann, wenn es dort nur ein einziges Wahllokal gibt, das auch in einem Militärposten sein kann.

In 28 Wahlkreisen steht das Ergebnis längst fest, weil die Kandidaten der aus Ex-Militärs bestehenden USDP (Union Solidarity and Development Party) keine Gegenkandidaten haben. Dabei treten sechs Parteien landesweit an und 51 regional. Die Parteien, die bei den letzten Wahlen 2020 auf zusammen insgesamt 90 Prozent der Stimmen kamen, darunter die Nationale Liga für Demokratie (NLD) der gestürzten Regierungschefin Aung San Suu Kyi, wurden inzwischen aufgelöst.

Außer der USDP gibt es noch zwei Parteien mit etwas bekannteren Führern. Für die People’s Party kandidiert der frühere 1988er-Studentenführer Ko Ko Gyi. Er wollte bei den letzten Wahlen noch für die NLD antreten, wurde aber nicht nominiert und begann dann mit dem Militär zu kooperieren. Ein Journalist, der ihn gut kennt, nannte dessen Kandidatur gegenüber der taz „politischen Selbstmord“. Ko Ko Gyi sei ein pluralistisches Feigenblatt des Regimes.

Aye Maung von der Arakan Front Party ist ein arakanesischer Nationalist aus dem westlichen Rakhine-Staat. Mit Ko Ko Gye teilt er den Hass auf die muslimische Minderheit der Rohingya. Das macht beide für das Militär interessant, das wegen Völkermords an den Rohingya in Den Haag angeklagt ist. Aye Maung saß bereits unter der letzten Regierung in Haft und wurde kurz nach dem Putsch von der Junta begnadigt.

Myanmars vom Militär geschriebene Verfassung sieht neben 330 direkt gewählten Unterhausabgeordneten weitere 110 Abgeordnete des Militärs vor. Die werden vom Armeechef Min Aung Hlaing, der auch Juntachef und amtierender Präsident ist, direkt ernannt. Die Wahlen entscheiden also allenfalls mit darüber, wie viele der Militärs im Parlament eine Uniform und wie viele Zivikleidung tragen.

Kandidaten sollen „harmonisch“ mit dem Militär kooperieren

Schon die Verfassung wurde 2008 in einem Referendum verabschiedet, das vom Militär unter ähnlichen Umständen durchgepeitscht wurde. Im Mai 2008 zerstörte der Zyklon Nargis das Irrawaddy-Delta, tötete 130.000 Menschen und machte eine Million Menschen obdachlos. Dennoch bestand die damalige Junta auf der Abstimmung wenige Tage später und bekam mit 92 Prozent Ja-Stimmen ihr gewünschtes Ergebnis, bei dem sie kräftig nachgeholfen hatte. Wer jetzt die Wahlen ablehne, wolle keine Demokratie, sagte Juntachef Min Aung Hlaing. Es komme jetzt darauf an, Kandidaten zu wählen, die „harmonisch mit dem Militär zusammenarbeiten können“ und „zur Verteidigung des Landes passende Ansichten haben“.

Seit dem Putsch starben durch Repression und bewaffneten Widerstand nach Schätzung der digitalen US-Konfliktdatenorganisation ACLED (Armed Conflict Lobation & Event Data) 90.000 Menschen. 3,6 Millionen sind laut UN-OCHA innerhalb des Landes auf der Flucht, 16,8 Millionen dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen. „Ich glaube nicht, dass irgendjemand denkt, dass diese Wahlen frei und fair sind“ oder „zur Lösung der Probleme Myanmars beitragen“, hatte UN-Generalsekretär António Gutteres schon im Oktober gesagt. „Die Wahlen dienen einzig dem Zweck, eine Regierung aus Generälen und Ex-Generälen zu schaffen“, schreibt Kyw Zwa Moe im Exilportal Irrawaddy. Die Wahlen seien betrügerisch, vorherbestimmt und illegitim.

Auch Wahlhelfer sind gefährdet

UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk warnt vor der Gefahr politischer Gewalt, die mit den Wahlen verbunden sei. Dies betreffe auch Wahlhelfer, meist zwangsverpflichtete Lehrerinnen und Lehrer, die von manchen Rebellen bedroht würden. „Diese Wahlen finden in einem deutlichen Umfeld von Gewalt und Repression statt“, so Türk. Es gebe keine Möglichkeit, das Recht auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu gebrauchen.

Ironischerweise hatten die Generäle ihren Putsch mit angeblichem Betrug bei den vorangegangenen Wahlen begründet. Das schlechte Abschneiden ihrer Parei USPD löste bei ihnen Panik vor einem Kontrollverlust aus. Jetzt sagen alle seriösen Beobachter, dass die Wahlen, bei denen die Sieger der letzten Wahlen nicht antreten dürfen, nicht frei und fair seien. Juntasprecher Zaw Min Tun wischte das beiseite: „Die Wahlen finden für Myanmar statt, nicht für die internationale Gemeinschaft“, so der Generalmajor. Wer das kritisieren wolle, könne das tun, das werde aber die Regierung nicht von ihrem Kurs abbringen.

Ob der Demokratieaktivist Htet Myat Aung aus Mandalay seine öffentliche Kritik an der Wahl überlebt hat, bleibt unklar.

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