Kontrolleure gegen Mietwucher in Berlin: 40 Stellen gegen illegale Mieten
Bezirke, Senat und Regierungskoalition schaffen Stellen, um gegen überhöhte Mieten vorzugehen. Sie reagieren auf die Mietwucher-App der Linken.
Die Verfolgung von Mietwucher, also illegal überhöhten Mieten, in Berlin kommt voran. Wie eine noch unveröffentlichte Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken zeigt, hat der Senat seit 1. Dezember acht Auszubildende in die Wohnungsämter der Bezirke entsandt, die dort bei der Überprüfung von Mietpreisüberhöhungen unterstützen sollen. Weitere vier Stellen, allesamt zunächst für neun Monate befristet, kommen ab März hinzu.
Einen Bedarf für längerfristige oder gar dauerhafte Stellen sah der schwarz-rote Senat nicht, zumindest stelle er im Rahmen der Aufstellung des Doppelhaushalts 2026/27 keine Bedarfsabfrage an die Bezirke, wie es in der Anfrage heißt. Doch die Fraktionen von CDU und SPD sahen das anders. Am vergangenen Freitag beschlossen sie im Hauptausschuss die Schaffung von 19 weiteren Stellen für die Bezirke aus dem Landeshaushalt. 2,5 Millionen Euro stehen dafür für die kommenden zwei Jahre zur Verfügung.
Und das ist noch nicht alles: Fünf Bezirke haben aus ihren eigenen Haushaltsmitteln insgesamt weitere neun Stellen geschaffen. Zusammengenommen könnten sich schon bald insgesamt 40 Mitarbeiter:innen der Wohnungsämter um rechtswidrig überhöhte Mieten kümmern. Das Verlangen von Wuchermieten, die die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 50 Prozent überschreiten, ist eine Straftat. Bei einer Überschreitung um mindestens 20 Prozent liegt eine Ordnungswidrigkeit vor. Ein einheitliches Verfahren, wie die Bezirke in entsprechenden Verdachtsfällen vorgehen sollen, wird derzeit entwickelt.
Zum Thema wurden die Vermieter-Vergehen erst durch die vor einem Jahr eingeführte Mietwucher-App der Linken, mithilfe derer Mieter:innen leicht herausfinden können, ob ihre Miete zu hoch ist. Bis zu diesem Dienstag wurden über die App 3.651 Fälle an die Wohnungsämter gemeldet.
Bislang nur 1 Mitarbeiter
Doch eine Verfolgung in den Ämtern fand bislang so gut wie nicht stand. Lediglich in Friedrichshain-Kreuzberg kümmerte sich zuletzt ein Mitarbeiter um Fälle von Mietwucher. Im Oktober gelang der erste Präzedenzfall: Ein Vermieter akzeptierte eine Strafe von mehr als 26.000 Euro und die Rückzahlung zu viel gezahlter Miete in Höhe von mehr als 22.000 Euro. Zu einem ersten Urteilsspruch vor Gericht könnte es Mitte Januar kommen, wenn über den Einspruch eines Vermieters gegen zwei Bußgeldbescheide verhandelt wird.
Um Mietwucher zu sanktionieren, ist ein aufwändiges Verfahren notwendig. Mieter:innen müssen dafür mit den Wohnungsämtern kooperieren. Mitunter ist es notwendig, Wohnungsgrößen auszumessen, ebenso ist der Nachweis zu erbringen, dass Vermieter die Notlage von Mieter:innen ausnutzen, weil diese keine Möglichkeit hatten, eine günstigere Wohnung zu finden. Und nur wenn die Ämter ihre Fälle sorgsam vorbereiten, besteht die Chance, dass Staatsanwaltschaften sich auch um diese kümmern. Bislang passierte das kaum. So wurden in Pankow eine Vielzahl von Fällen bereits eingestellt, wie eine Anfrage im Bezirk zeigte.
Die Linke möchte das Problem daher noch strukturierter angehen. In einem Sofortprogramm für eine mögliche Regierungsübernahme fordert sie eine Task Force auf Landesebene mit 100 Mitarbeiter:innen, darunter neben Sachbearbeiter:innen auch Jurist:innen, wie der Mietenexperte der Linksfraktion, Niklas Schenker, im Gespräch mit der taz sagt. Ebenso brauche es eine Schwerpunktabteilung für Mietkriminalität bei der Staatsanwaltschaft.
Ganz unzufrieden mit der aktuellen Entwicklung ist man jedoch nicht: „Die Koalition setzt endlich unsere Forderungen um – wenn auch noch nicht im notwendigen Ausmaß“, so Schenker.
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