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Abschluss des UN-KlimagipfelsKolumbien sprengt Prozedere

Kolumbien widerspricht, obwohl die Beschlüsse des UN-Klimagipfels formell beschlossen waren. Nach einer Unterbrechung kann der Gipfel trotzdem enden.

André Corrêa do Lago hat zunächst versucht, den Gipfel so schnell wie möglich zu beenden – das ist ihm auf die Füße gefallen Foto: Andre Penner/AP/dpa
Jonas Waack

Aus Belém

Jonas Waack

Eine unerwartete Intervention Kolumbiens hat das Abschlussplenum der UN-Klimakonferenz im brasilianischen Belém unterbrochen. Nachdem die Beschlüsse des Gipfels schon von Konferenz-Präsident André Corrêa do Lago aufgerufen und für beschlossen erklärt wurden, meldete sich eine Reihe von Ländern mit Beschwerden über die Vorgehensweise. Nach dem besonders nachdrücklichen Statement der kolumbianischen Delegierten Daniela Durán unterbrach Corrêa do Lago die Sitzung. Das Plenum konnte nach einer etwa einstündigen Unterbrechung fortgesetzt und der Gipfel abgeschlossen werden.

Dass sich Staaten nach Beschlüssen beschweren, ist üblich, weil sie zwar den für Beschlüsse nötigen Konsens nicht sprengen, aber ihre Meinung zu Protokoll geben wollen. Durán sagte jedoch, sie „lehnt den Beschluss zum Emissionsminderungs-Arbeitsprogramm ab“ und gebe sich nicht damit zufrieden, ihr Statement im Abschlussbericht erwähnt zu finden.

Corrêa do Lago hatte nicht wie üblich gefragt, ob es Widerspruch gibt, bevor er die Abschlusstexte für angenommen erklärte. Mehrere Länder, darunter Panama, die EU und die Schweiz, kritisierten einen Beschluss zur Klima-Anpassung. Aber nur Durán wählte die Formulierung, „wir widersprechen der Entscheidung.“ Sie forderte, in einem der Abschlusstexte zu ergänzen, dass bei der Klimakonferenz 2026 in der Türkei darüber gesprochen werden soll, wie eine Abkehr von den Fossilen gelingen kann.

Diese Formulierung, auf die sich die Staaten 2023 in Dubai bereits geeinigt hatten, wurde weder im vergangenen Jahr in Baku noch in Belém erneut verwendet. Verschiedene Texte nehmen jedoch auf die Dubai-Entscheidung Bezug. „Das ist kein Sieg“, sagte Joanna Pledge von der Universität Cambridge dem britischen Guardian. „Denn die Entscheidung aus Dubai ist breiter gefasst als nur die historische Formulierung ‚Abkehr von den Fossilen‘“. Diese Formulierung werde daher „absichtlich verwässert, nicht hervorgehoben“.

Kolumbien wittert Klimaleugnung

Die Kolumbianerin Durán sagte, der Klimagipfel könne die Wissenschaft nicht ignorieren: „Dem Weltklimarat zufolge gehen fast 75 Prozent der CO2-Emissionen auf das Verbrennen fossiler Brennstoffe zurück. Wir können den Klimawandel nicht mindern, wenn wir nicht die Abkehr von fossilen Brennstoffen diskutieren können.“ Ein Konsens, der auf Klimaleugnung beruhe, sei ein Fehlschlag, sagte Durán im Plenum.

Während der Konferenz hatte fast die Hälfte der Staaten die Forderung nach einem Plan für die Abkehr von den Fossilen unterstützt, im Abschlussdokument war davon aber keine Rede mehr.

Nach einer etwa einstündigen Unterbrechung eröffnete Corrêa do Lago die Konferenz wieder. Es tue ihm sehr leid, dass er die Widersprüche nicht gesehen habe. „Wie viele von euch habe ich in den letzten Nächten wenig geschlafen und möchte auf mein fortgeschrittenes Alter verweisen“, sagte der 66-Jährige.

Mehrere Staaten, darunter Indien, beschwerten sich, dass der vor der Sitzung erreichte Konsens infrage gestellt wurde. Russland forderte Kolumbien und andere lateinamerikanische Staaten auf, „sich nicht wie Kinder zu verhalten, die alle Süßigkeiten für sich wollen“.

Argentinien antwortete, sie seien „tief beleidigt“, während Panama anmerkte, dass „wir uns wünschen, dass wir uns alle mehr wie Kinder verhalten würden, die sich für eine bessere Zukunft einsetzen“. Kinder seien „sehr intelligent und visionär“.

Kolumbiens Intervention letztlich erfolglos

Corrêa do Lago stellte klar, dass die von Kolumbien und den anderen Staaten erwähnten Entscheidungen bei den nächsten Klima-Zwischenverhandlungen in Bonn im kommenden Sommer behandelt werden würden. Damit nahm er die Formulierung „Abkehr von den Fossilen“ aber nicht in die bereits beschlossene Entscheidung auf. Er wies darauf hin, dass die Beschwerden zum Beschluss zur Klima-Anpassung in den UN-Prozessen weiter besprochen werden können.

Nach der Unterbrechung wartete Corrêa do Lago demonstrativ auf Widersprüche und schloss das Plenum etwa vier Stunden nach seiner Eröffnung.

Einen ausführlichen Abschlussbericht zur UN-Klimakonferenz 2025 in Belém finden Sie bald auf taz.de.

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