Rentenpoltik der Koalition: Was im Rentenstreit auf dem Spiel steht – und für wen
Union und SPD versprachen im Koalitionsvertrag, das Rentensystem zu reformieren. Doch jetzt gibt es Streit. Worum geht es?
Woran krankt die gesetzliche Rente?
Vor allem an einer wachsenden Finanzierungslücke. Die gesetzliche Rente funktioniert nach dem Umlageverfahren: Wer einzahlt, finanziert die laufenden Renten. Doch diese Rechnung könnte perspektivisch immer schlechter aufgehen. Der demografische Wandel sorgt dafür, dass die geburtenstarken Babyboomer in Rente gehen, während immer weniger Beitragszahler*innen nachkommen.
Welche Anpassungen des Rentensystems planen Union und SPD?
Die Bundesregierung will das Rentenniveau von 48 Prozent bis 2031 stabil halten und ab 2032 langsamer senken, als es das bisherige Gesetz vorsieht. Außerdem soll die Mütterrente ausgeweitet werden – ein Zuschuss für Menschen, deren Arbeit vor allem darin bestand, Kinder im häuslichen Umfeld zu erziehen. Nicht-selbstständig arbeitende Rentner*innen sollen zudem bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei hinzuverdienen dürfen (Aktivrente).
Was bedeutet Rentenniveau?
Das Rentenniveau zeigt, wie hoch eine Rente nach 45 Beitragsjahren mit Durchschnittsverdienst im Vergleich zum aktuellen Durchschnittseinkommen liegt. Am Rentenniveau bemisst sich also, wie stark die Renten im Zeitverlauf erhöht werden, wenn die Löhne steigen.
Nach geltendem Recht sinkt das Rentenniveau bis 2029 auf 47,3 Prozent und bis 2040 auf 45 Prozent. Rentner*innen müssen keine Kürzungen fürchten, aber ihre Renten werden weniger stark an die Lohnentwicklung angepasst. Ihre Kaufkraft würde sinken. Der neue Gesetzesentwurf will das bis 2031 verhindern. Ab 2032 soll das Rentenniveau um einen Prozentpunkt höher liegen als bisher vorgesehen – im Jahr 2040 also beispielsweise bei 46 Prozent.
Wie sollen die Reformen finanziert werden?
Die Beitragssätze zur Rentenkasse, die Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen je zur Hälfte tragen, sollen von derzeit 18,6 Prozent ab 2028 auf 19,6 Prozent steigen und danach jährlich weiter wachsen. Wer 2.500 Euro brutto verdient, zahlt ab 2028 monatlich 12,50 Euro mehr, ab 2031 weitere 6,25 Euro. Zusätzlich will der Bund ab 2029 weitere Milliarden in die Rentenkasse zuschießen. Auch die Mütterrente wird jährlich Milliarden kosten.
Die „Junge Gruppe“, eineinhalb Dutzend Bundestagsabgeordnete der Jungen Union, will die Reform blockieren. Warum?
Die jungen Unionsabgeordneten kritisieren, die Union mache der SPD Zugeständnisse über den Koalitionsvertrag hinaus. Dieser sieht nur vor, das Rentenniveau bis 2031 zu stabilisieren. Das geplante sanftere Absinken danach sei unnötig teuer. Die Rentenkommission, die ab nächstem Jahr arbeitet, solle Vorschläge für die Zeit nach 2031 erarbeiten.
Stimmt das?
Ja, aber. Der Koalitionsvertrag sieht eine Sicherung des Rentenniveaus bis 2031 und eine Rentenkommission vor. Es stimmt auch, dass die sanftere Absenkung des Rentenniveaus im Vergleich zu dem derzeitigen Gesetz teuer wird. Zwischen 2032 und 2040 könnten Zusatzkosten von über 100 Milliarden Euro entstehen. Doch die jungen Unionsabgeordneten argumentieren einseitig. Sie kritisieren weder die teure Mütterrente noch die durch die Aktivrente ausbleibenden Steuereinnahmen – beides Projekte der Union.
Wenn das Rentenniveau fällt, wie sollen Rentner*innen ihren Lebensunterhalt bestreiten?
Das Rentensystem ruht auf drei Säulen: gesetzliche, betriebliche und private Vorsorge. Kritiker*innen der gesetzlichen Rente fordern, dass Arbeitnehmer*innen selbst vorsorgen. Doch viele können sich das nicht leisten, vor allem im Niedriglohnsektor. Die betriebliche Vorsorge lohnt sich hingegen nur, wenn Arbeitgeber*innen einen Großteil der Beiträge zahlen – was selten geschieht. Wer mit der Rente nicht auskommt, bleibt auf die Grundsicherung angewiesen. Auch nach 45 Arbeitsjahren.
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