Beraterkreis „Islamismusprävention“: Dobrindts Kampfansage
Der Innenminister besetzt ein Expertengremium zum „Kampf gegen Islamismus“ mit umstrittenen Figuren. Das wird gesellschaftliche Spannungen anheizen.
D ie Union will den Kulturkampf. Das zeigt die Neubesetzung des „Expertengremiums“, das Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) künftig in seinem „Kampf gegen Islamismus“ beraten soll. Dobrindt hat dieses Gremium komplett ausgetauscht und etablierte Namen durch eine ganze Reihe umstrittener Figuren ersetzt, von denen sich viele auf dem Feld der „Islamkrititik“ einen Namen gemacht haben. Dabei handelt es sich in der Regel um pseudoaufklärerisch verbrämte Ressentiments. Nicht nur Radikale – die meisten Muslime dürften diese Personalien deshalb als Kampfansage verstehen.
Bereits die Begriffe „Islamismus“ und „politischer Islam“ sind fragwürdig und in der Wissenschaft umstritten. Denn für Extremisten, die sich auf andere Religionen berufen, gibt es ebenfalls keine vergleichbaren Bezeichnungen, obwohl die Phänomene vergleichbar sind.
Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.
Mit dem Begriff „Islamismus“ werden Terroristen, die sich auf den Islam berufen, mit konservativen Muslimen in einen Topf geworfen, die zwar gesellschaftspolitisch konservative Überzeugungen vertreten, aber Gewalt ablehnen. Neue Wortschöpfungen wie „legalistischer Islamismus“ ebnen diese Unterschiede erst recht ein.
Alarmismus als Geschäftsmodell
Der Weg zur Verschwörungstheorie ist da oft nicht weit: Etwa, wenn die Publizistin und Neuköllner Integrationsbeauftragte Güner Balci ohne jeden Beleg öffentlich raunt, die SPD sei „durch Islamisten unterwandert“. Oder wenn der Bestseller-Autor Ahmad Mansour jede Gelegenheit nutzt, um Alarmismus zu verbreiten – und viel Geld mit „Präventionsprojekten“ verdient, die keiner wissenschaftlichen Prüfung standhalten, wie das Recherchenetzwerk Correctiv jüngst nachwies. Diese Art der Anti-Islamismus-Industrie ist ein lukratives Geschäft.
Selbstverständlich braucht es seriöse Strategien und Maßnahmen gegen religiöse Radikalisierung. Der Kampf gegen Extremisten in den eigenen Reihen kann aber nur mit der Mehrheit der Muslime geführt werden – nicht gegen sie. Der Konfrontationskurs dieser Regierung wird gesellschaftliche Spannungen dagegen nur anheizen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert