piwik no script img

Hamburg und das Holsten-ArealRaus aus der Spekulationsspirale

Nach dem Verkauf des Holsten-Areals fordern Inis und Mietervereine die Stadt auf, ihr Vorkaufsrecht zu ziehen. Nur so seien niedrige Mieten möglich.

Viel Platz für Städtebau in zentraler Lage: Holsten-Gelände Foto: Christian Charisius/dpa

Es ist das vorläufige Ende einer Spekulationsspirale. Kürzlich hat ein Investorenkonsortium das Grundstück der ehemaligen Holsten-Brauerei in Hamburg-Altona gekauft – unter dem Einstandspreis. Die Hamburger Mietervereine und verschiedene Initiativen fordern jetzt den Senat auf, das 8,6 Hektar große Areal zu kaufen. Damit lasse sich sicherstellen, dass die städtebaulichen Ziele des Senats tatsächlich erreicht und günstige Mietwohnungen gebaut werden.

Das Brauereigelände war 2016 an einen Investor veräußert worden. Der Senat hatte damals auf sein Vorkaufsrecht verzichtet. Ziel war, dass Holsten einen hohen Preis erzielen können würde – verbunden mit der Zusage, dass die Brauerei bei einem Umzug auf Hamburger Staatsgebiet bleibe. In der Folge wurde das Grundstück mehrfach weiterverkauft, wobei sich der Preis vervielfachte – was eine wirtschaftliche Verwertung immer schwieriger machte.

Am Ende landete das Grundstück bei dem angeschlagenen Immobilienkonzern Adler. Dem hat es ein Konsortium aus den Hamburger Unternehmen Quantum und HanseMerkur sowie dem kommunalen Wohnungsunternehmen Saga und der Hamburger Sparkasse (Haspa) jetzt abgekauft.

Nach Angaben der dpa wollen die Konsortialpartner eine Milliarde Euro in das Holsten-Areal investieren. Dabei soll ein Teil der historischen Bauten der bis ins Jahr 1879 zurückreichenden Brauerei erhalten werden. Etwa die Hälfte der neu geplanten Wohnungen sollen Sozialwohnungen werden oder Appartements für Auszubildende oder Studenten.

Keine Profite mit Boden und Miete

Der Mieterverein zu Hamburg und der Verein Mieter helfen Mieter verweisen auf die von ihnen unterstützten Volksinitiativen „Keine Profite mit Boden und Miete“, mit denen sich der Senat 2022 geeinigt hatte. Demnach sollen städtische Grundstücke nicht mehr verkauft, sondern nur noch im Wege eines Erbbaurechts vergeben und jährlich 1.000 geförderte Wohnungen mit 100-jähriger Mietpreisbindung errichtet werden. Bei gefördertem Wohnraum sind sonst Bindungen von bis zu 30 Jahren üblich.

Das Holsten-Areal eröffne die Chance, solche Wohnungen jetzt zu bauen, finden die Mietervereine. „Hierfür braucht die Stadt das Erbbaurecht“, sagt Paul-Hendrik Mann vom Mieterverein. Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei die logische Konsequenz davon.

„Wenn die Stadt wieder darauf verzichtet, verliert sie jede Möglichkeit, die soziale Mischung im Quartier aktiv zu gestalten“, sagt Rolf Bosse, der Vorsitzende des Mietervereins. Bei anderen Projekten seien zunächst vereinbarte Sozialbindungen umgangen worden. Das dürfe sich beim Holsten-Areal nicht wiederholen.

Drohende Vergrämung der Mittelschicht

Marc Meyer von Mieter helfen Mietern findet, die Stadt trage die Verantwortung dafür, dass in dem neuen Quartier mitten im Szenestadtteil Altona auch im Jahre 2060 noch Menschen mit kleinen oder mittleren Einkommen leben könnten. „Ohne die ewig gebundenen Wohnungen wird es in 30 Jahren dort keine Sozialwohnungen, sondern nur noch hochpreisiges Wohnen geben“, warnt der Rechtsanwalt.

Auch die Bürgerinitiative Holsten knallt am dollsten, die sich für eine demokratische und gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung auf dem Gelände einsetzt, unterstützt diese Forderungen. Nur so könne die Stadt ihrem Anspruch einer gemeinwohlorientierten und sozialen Bodenpolitik gerecht werden.

Aus Sicht der Finanzbehörde ist das überzogen: „Da die Stadt über die Saga bereits maßgeblich in die städtebauliche Entwicklung des Holsten-Areals eingebunden ist, würde die etwaige Ausübung eines Vorkaufsrechtes zum Zwecke der Wahrung städtischer Interessen wenig sinnvoll erscheinen“, teilt sie mit. Den Kaufvertrag werde der Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen, wie in solchen Fällen üblich, prüfen, sobald er ihm vorliege.

Die Saga selbst teilte mit, sie werde mit den anderen Projektbeteiligten nun alles daran setzen, „die brachliegende Fläche nach vielen Jahren endlich wieder aufleben zu lassen“. Dabei solle sie „einen wesentlichen Anteil der öffentlich geförderten Wohnungen realisieren“.

Dass es zu einem Vertragsabschluss kam, bewertete Holsten knallt am dollsten in einem ersten Statement als „Anlass zur Freude und vorsichtiger Hoffnung“. Damit sei „eine unsägliche Hängepartie zu Ende gegangen“.

Die Bürgerinitiative forderte, die Absichtserklärung öffentlich zu machen, die der Senat im Zusammenhang mit dem Grundstücksgeschäft mit den Vertragspartnern unterzeichnet hat. Im Zuge des Verkaufs an Adler hatte der Bezirk Altona mit dem Investor einen städtebaulichen Vertrag geschlossen.

Hoffnung aufs soziale Areal

In dem hatte die Stadt einen Anteil an Sozialwohnungen, mietpreisgebundenen Wohnungen, Baugemeinschaften und öffentlicher Infrastruktur wie einem Kindergarten festgeschrieben. Der Bürgerinitiative war die Bebauung zu dicht, das Grün zu wenig und die Mieten insgesamt zu hoch.

Mit dem neuen Verkauf erwartet die Initiative, die Debatte über die Gestaltung des Viertels neu eröffnen zu können. „Es ist der Beginn einer neuen Etappe“, so die Hoffnung der Initiative. In der werde darüber entschieden „ob auf dem Holsten-Areal ein wirklich soziales, inklusives, diverses, klimaverträgliches und geschichtsbewusstes Quartier entstehen wird – oder nicht“.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare