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Konservative PremierministerinSanae Takaichi ist erste Regierungschefin Japans

Die konservative 64-jährige Sanae Takaichi ist zur ersten Premierministerin Japans gewählt worden. Ihr Vorbild: die frühere britische Amtskollegin Margaret Thatcher.

Sanae Takaichi, die erste Primieministerin Japans, verlässt den Kaiserlichen Palast Foto: Kyodo
Martin Fritz

Von

Martin Fritz aus Tokio

Das japanische Parlament hat Sanae Takaichi am Dienstag zur ersten Premierministerin des Landes gewählt. Der Durchbruch einer Frau durch die Glas- bzw. Bambus-Decke im Kabinettsystem ließ 140 Jahre auf sich warten. Die kürzlich gekürte Chefin der fast ununterbrochen regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) sicherte sich die Ernennung im Unterhaus gleich im ersten Wahlgang, im Oberhaus gewann sie die Stichwahl gegen Oppositionsführer Yoshihiko Noda. Die 64-jährige Takaichi nennt Margaret Thatcher als ihr Vorbild und stand dem ermordeten Ex-Premier Shinzo Abe politisch nahe.

Mit dem neuen Bund aus konservativer LDP und konservativer JIP (Innovationspartei) wird Japan so rechtsgerichtet regiert wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die gemäßigte buddhistische Komei-Partei, die die langjährige Koalition mit der LDP wegen Takaichi verlassen hatte, versteht sich als „Friedenspartei“ und stemmte sich gegen die Reform des Pazifismus-Artikels in der Verfassung. Doch LDP und JIP streben diese Reform an und versprechen, „Japan wiederzubeleben“.

Beide Parteien wollen die Verteidigungsausgaben weiter erhöhen, als Abschreckung gegen Chinas Hegemoniestreben. Das Verbrennen der japanischen Flagge soll strafbar werden. Staatliche Investitionen sollen die Wirtschaft stärken. Schon wenige Stunden nach der Wahl forderte China Japan auf, seine „Verpflichtungen in Bezug auf die Geschichte einzuhalten“.

Ein „Hauptquartier“ gegen den Rückgang der Bevölkerung soll „numerische Ziele“ für Ausländer aus der „Perspektive möglicher sozialer Spannungen“ festlegen. Anders gesagt: Die Koalition will die Zahl der Ausländer deckeln. Allerdings verfügt sie wie ihre Vorgängerin über keine Mehrheit im Parlament und muss für Gesetze punktuell mit der Opposition zusammenarbeiten.

Nur zwei weitere Frauen im Kabinett

Das neue Kabinett soll die tiefen ideologischen Risse in der LDP wieder kitten. Takaichi berief drei ihrer vier internen Gegner bei der Neuwahl des LDP-Vorsitzenden als Verteidigungs-, Innen- und Außenminister.

Die JIP verzichtete auf eigene Minister und unterschrieb nur eine Politikvereinbarung statt eines förmlichen Koalitionsvertrages. Offenbar fürchtet die Erneuerungspartei, ihre bisherigen Wähler durch eine zu große Nähe zur LDP zu verlieren.

Entgegen ihrer Ankündigung, die Zahl der Frauen in ihrem Kabinett auf „skandinavisches Niveau“ zu erhöhen, berief Takaichi nur zwei Ministerinnen. Die frühere Beamtin Satsuki Katayama wird Japans erste Finanzministerin und die erst 42-jährige Kimi Onoda kümmert sich als erste Ministerin um Wirtschaftssicherheit und Migration.

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9 Kommentare

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  • Thatcher hat aus eher pragmatischen Tories ein Rudel hochideologischer Gefolgsleute gemacht im Dienste des Finanzkapitals.



    Davon haben sich die Tories nie wieder und hat sich das UK kaum wieder erholt.

  • "Schon wenige Stunden nach der Wahl forderte China Japan auf, seine „Verpflichtungen in Bezug auf die Geschichte einzuhalten“..."



    Das kollektive Gedächtnis vergisst nicht so schnell:



    b. zukunft-braucht-erinnerung.de



    "Auch wenn die Kriegsverbrechen Japans nie das Ausmaß der Verbrechen der Nazis, insbesondere des Holocausts, annahmen, gibt es gewisse Parallelen. Die berüchtigte Einheit 731 etwa führte ähnliche Experimente durch, wie wir sie auch von Josef Mengele (1911 – 1979) kennen. Ein Kriegsverbrechen, das aber besonders heraussticht, ist das Massaker von Nanking (heute oft auch Nanjing transkribiert), eine Orgie der Gewalt, die ihresgleichen sucht.



    Bereits 1931 hatte Japan den Bürgerkrieg zwischen der nationalistischen Kuomintang unter der Führung Chiang Kai-sheks (1887 – 1975) und den Kommunisten von Mao Zedong (1893 – 1976) genutzt, um sich ohne große Gegenwehr die Mandschurei einzuverleiben und auf ihrem Boden den Marionettenstaat Mandschukuo zu errichten."



    Weiter dort 2022:



    "Doch in China hallt das Echo von Nanking bis heute nach, zahlreiche Mahnmale erinnern an die Verbrechen der Jahre 1937/38 in Nanking. Auch das Misstrauen der Chinesen gegenüber Japan hält bis heute an."

  • Thatcher ist neben Blair eine der hauptverantwortlichen für den Niedergang des Wohlstandes der unteren 50% der britischen Bevölkerung.

    Nicht so ein gutes Vorbild.

  • "Entgegen ihrer Ankündigung, die Zahl der Frauen in ihrem Kabinett auf „skandinavisches Niveau“ zu erhöhen, berief Takaichi nur zwei Ministerinnen."



    Klar, Männer sind Richtung Rechts besser zu kriegen. Abgesehen davon sind wir somit weltweit zu noch mehr Rechtsblinkern gewachsen. Das scheint jetzt der neue Trend zu sein, bedeutet ganz einfach, mit einem Regime kriegt man alles besser in den Griff: Migration: rausschmeißen. Umwelt: man darf wieder die Umwelt verpessten, weil Wirtschaft ohne Auflagen. Volle Kanne Unterstützung der Wohlhabenden, die Armut von den Straßen fegen.



    Bestimmt wird Merz bald nach Japan reisen um ihr zu gratulieren...und Tipps einzuholen.

  • Klingt vernünftig, Japan macht den gleichen neoliberalen Unfug wie die ach so vernünftigen Briten (Brexit als common sense :)), dazu eine fremdenfeindliche Politik bei einer der weltweit am schnellsten schrumpfenden Bevölkerungen. Werden sie wohl demnächst eine KI-Regierung, KI-Vorstände und Roboterfachkräfte im Pflegeheim brauchen, Menschen sind ja gar nicht mehr verfügbar, die Zahl der Verbrechen und Verkehrsunfälle kriegt man auch runter, indem man das Land entvölkert.

  • Ausgerechnet Thatcher. Mit ihr (wenn auch wohl nicht nur) hat das Päppeln der Reichen zulasten der Allgemeinheit angefangen.

    • @Ciro:

      Umgekehrt: Nicht die Thatchers erzeugen die Klassenspaltung, sondern die Kapitalgesellschaft bringt all die Thatchers regelmäßig hervor.

      Denn diese sind politische Interessenvertreter ihrer gesellschaftlichen Gruppe, aus der sie stammen und sie werden in der Regel durch ihre gesellschaftlichen Verbindungen in der Lage sein, Machtpositionen zu gewinnen und/oder für ihresgleichen zu sichern - in staatlichen und privaten Institutionen.

      Falls dies einmal nicht so klappt, weil etwa "das Volk" anders wählt, so steht immer noch das Mittel des Putsches zu Wahl siehe z.B. Allende u.a.

      • @Uns Uwe:

        Ja, aber Thatcher war schon ein "Meilenstein" oder eine "neue Qualität" in Sachen assozialem Neoliberalismus.

        • @Barnie:

          Ja, zweifellos war Thatcher mit ihrem extrem rücksichtslosen und amoralischen Charakter und ihrer dogmatischen Hayek- und Mises-ideologie ein besonders effektives Brecheisen des Kapitals gegen alles, was sozial ist.

          Vieles von dem, was Thatcher äußerte, kehrt heute in der Person Trump wieder, besonders die besonders ausgeprägte Feindschaft gegen jeden Hauch sozialer Politik. Während Trump sich überall von "Marxisten" umgeben sieht, selbst wenn da gar keine sind, zählte Thatcher den faschistischen Diktator Pinochet zu ihren negsten Freunden und traf sich öfter mit ihm zum Tee. Sie sah in Pinochet einen verbündeten Kämpfer gegen den "Kommunismus" und - natürlich, diese Phrase durfte nicht fehlen - für die "Freiheit".

          Merz rief nach seinem Kanzlerwahlsieg "Links ist vorbei!" und vertritt gleichartige Ansichten, verbunden mit Sozialabbau, Aufrüstung, Hetze gegen (nicht profitable) Migrant:innen, u.a.

          Sanae Takaichi tritt offenbar genau in diese Fußstapfen. Schon jetzt möchte sie den Japanischen Militarismus wieder aufbauen.

          Da diese Geschichte sich anscheinend endlos wiederholt, kommt die Entwicklung der zivilen besser: zivilisierten Weltgemeinschaft nicht voran.