Polizeigewalt auf Gaza-Demos: Ein Freifahrtschein für Schläger
Zahlreiche Videoaufnahmen zeugen von enthemmter Gewalt gegenüber pro-palästinensischen Demonstrierenden. Der Aufschrei bleibt nahezu völlig aus.
H emmungslos auf pro-palästinensische Demonstrierende einprügeln, einen gezielten Faustschlag mal in dieses, mal in jenes Gesicht. Dann ein paar Festnahmen, endlich die Schmerzgriffe anwenden, die man so lange geübt hat – die Demonstrant*innen tragen Kufiyas, man selbst volle Einsatzmontur, eine scharfe Pistole am Gürtel und das staatliche Gewaltmonopol im Rücken. Wer genug rohe Brutalität und autoritären Charakter mitbringt, um sich einen solchen Arbeitstag als reizvoll vorzustellen, ist dieser Tage wohl nirgendwo besser aufgehoben als in der Berliner Polizei.
Die beschriebenen Szenen lassen sich auf Videoaufnahmen von Teilnehmer*innen einer Gaza-Demo am Wochenende beobachten. Die Gewalt im Video ist keine Ausnahme, ein kurzer Blick in die sozialen Medien zeigt: Bei palästinasolidarischen Demos schlagen Berliner Polizisten besonders leichtfertig zu. In den zwei Jahren seit dem 7. Oktober hat sich eine unüberschaubare Menge an Videomaterial angesammelt. Von Verhältnismäßigkeit, Professionalität oder deeskalativem Vorgehen ist dort selten etwas zu sehen.
Vater und Kind im Visier
In einem Video, das Mitte Oktober aufgenommen wurde, kann man dabei zusehen, wie ein junger Polizist mit weit aufgerissenen Augen und weiten Pupillen einen Vater mit Kleinkind im Arm in Richtung einer Hausfassade drängt. Der Vater ist perplex und beteuert, er habe einfach nur an der Demo vorbeilaufen wollen.
Was der Mann getan haben könnte, ist nicht ersichtlich. Das Kind trägt eine schwarz-weiß gemusterte Jacke, die könnte von einem übereifrigen Polizeibeamten vielleicht auch mit einer Kufiya verwechselt werden. Und die wird schließlich getragen, um Palästina-Solidarität ausdrücken. Reicht das inzwischen womöglich aus, um von Polizist*innen als Gefährder*in eingestuft und gewaltsam festgenommen zu werden?
Der Mann wird jedenfalls dazu gezwungen, sein schreiendes, verängstigtes Kind aus der Hand zu geben. Dann drücken einige Polizisten den Mann flach auf den Boden und wechseln sich dabei ab, gründlich auf den wehrlosen Vater einzuschlagen – im Hintergrund ist sein schreiendes Kind zu hören, das diesen Moment miterleben muss.
Alltägliche Brutalität
Gewaltorgien wie diese sind Normalität für alle, die seit zwei Jahren in Berlin auf die Straße gehen, um gegen die Kriegsverbrechen in Gaza zu protestieren. Oft sind sie dann nicht nur mit Gewalt, sondern auch mit schweren Vorwürfen konfrontiert: Im Mai behauptete die Polizei, einer ihrer Kollegen wäre schwer verletzt worden – danach stellte sich heraus, dass er sich bei unkontrollierten Faustschlägen in die Menge selbst die Hand gebrochen hatte.
Trotz oder gerade wegen der Alltäglichkeit der Gewalt bleibt ein Aufschrei in Politik und Medien weitgehend aus. Ein Freifahrtschein für alle Polizist*innen, die bei der nächsten Demo gerne etwas härter zuschlagen wollen.
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