AfD-Stadtverordneter verurteilt: Mit Klappmesser beim Gedenken
Nach einem Auschwitz-Gedenken soll ein Strausberger AfD-Stadtverordneter Menschen bedroht haben. Nun wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt.
taz | Der Strausberger AfD-Stadtverordnete Nicolai Schirocki wurde am Mittwoch wegen Bedrohungen, Körperverletzung und des Mitführens einer Waffe auf einer öffentlichen Veranstaltung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt. Schirocki soll Ende Januar dieses Jahres nach einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des NS-Regimes ein Messer gezückt und damit Teilnehmende bedroht haben. Kurz darauf eintreffende Polizist:innen konnten zwar kein Messer bei Schirocki sicherstellen. Das Amtsgericht in Strausberg sah es jedoch als erwiesen an, dass Schirocki einen Teilnehmenden zunächst geschubst und dann das Messer gezückt hatte.
Mehrere Zeug:innen hatten dem Gericht übereinstimmend davon berichtet. Das Urteil gegen Schirocki, der beruflich auch in einer privaten Sicherheitsfirma tätig ist, ist noch nicht rechtskräftig. Zu den Tatvorwürfen äußerte er sich vor Gericht nicht.
Nach dem Vorfall war Schirocki eigenen Angaben zufolge aus der AfD ausgetreten. Als Stadtverordneter ist er jedoch weiterhin Teil der 8-köpfigen extrem rechten Fraktion der Strausberger Stadtverordnetenversammlung.
Zu der Gedenkveranstaltung am 27. Januar, dem Tag der Befreiung des Konzentrationslagers in Auschwitz, hatten die brandenburgische Stadt Strausberg und die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist:innen“ (VVN-BdA) geladen. Bereits während der Veranstaltung kam es in Reaktion auf einen Redebeitrag von Nils Weigt von der VVN-BdA zu Störungen durch einen weiteren AfD-Politiker, Horst Baldszus. Weigt hatte zuvor in seiner Rede gesagt: „Aus den Reihen der AfD werden notorisch geschichtsrevisionistische, den Holocaust verharmlosende Positionen verbreitet.“
Kritik an AfD-Präsenz beim Gedenken
Nach der Gedenkveranstaltung kam es schließlich zu einer Diskussion zwischen den AfD-Stadtverordneten und einer Gruppe weiterer Teilnehmender, bei der es erneut um die Rede von Weigt gegangen sein soll. Zunächst wurde lautstark diskutiert, doch die Stimmung heizte sich mehr und mehr auf. Schirocki schubste zunächst einen der Gesprächspartner und zückte kurz darauf schließlich ein Klappmesser. Zeug:innen berichteten von einer etwa 9 bis 12 Zentimeter langen Klinge. Die Bedrohten flohen daraufhin zügig in eine nahegelegene Seniorenresidenz und setzten den Notruf ab.
„Mir war es wichtig, deutlich zu machen, dass ich es problematisch finde, dass die AfD an diesem Gedenken teilnimmt“, machte Weigt am Mittwoch vor Gericht deutlich. Wie das Neue Deutschland berichtete, räumte Baldszus schon kurz nach dem Vorfall ein, dass seine Störung nicht angemessen gewesen sei. Vor Gericht klang das jedoch anders: Dort nannte Baldszus die Rede von Weigt „übelste Propaganda“. Zudem spielte Baldszus die Bedrohung mit dem Messer durch Schirocki herunter. An den Richter gewandt sagte er, dieser habe doch „eigentlich Wichtigeres zu tun als diese Sache hier“.
Jens-Christian Wagner, Stiftungsleiter der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, sieht das anders. Kurz nach dem Vorfall im Januar schrieb er auf X, die Bedrohung mit einem Messer auf einer Gedenkveranstaltung für NS-Opfer habe „eine neue, gefährliche Qualität“.
Strausbergs Bürgermeisterin Elke Stadeler (parteilos) ist da weniger entschieden. In der Märkischen Oderzeitung (MOZ) lehnte sie es ab, die AfD nicht erneut zum Holocaust-Gedenktag einzuladen: „Ich grenze niemanden aus. Die Partei ist demokratisch gewählt und es gibt eine gute Zusammenarbeit“, ließ sie sich zitieren. Weigt von der VVN-BdA kündigte hingegen an, man werde zu keiner Gedenkveranstaltung kommen, „zu der die AfD eingeladen ist“.
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