piwik no script img
Illustration zweier Männer, die sich anblicken
Illustration: Manuel Fazzini

Umgang mit Klassismus Armut im Hamsterrad: Kampf ohne Ankommen

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob Sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Ausgrenzung, psychischer Druck, Scham – welche Folgen bringt Armut mit sich? Darüber sprechen der ostdeutsche Aktivist Malik und der westdeutsche Autor Olivier David.

Rund 13 Millionen Menschen in Deutschland gelten als arm. In der aktuellen Folge Mauerecho spricht Dennis Chiponda über Armut, Klassismus und die damit verbundene soziale Ausgrenzung, den psychischen Druck und die Scham, die viele Betroffene empfinden.

Dazu hat er zwei Gäste eingeladen: den ostdeutschen Aktivisten Malik (auf Social Media bekannt als malik.yannick), der auf TikTok und Instagram über Armutsbetroffenheit und Klassismus im Kultur- und Universitätsbetrieb spricht, sowie den westdeutschen Autor und Journalisten Olivier David. David beleuchtet in seinen Büchern Keine Aufstiegsgeschichte und Von der namenlosen Menge autobiografisch die gesellschaftlichen Hintergründe von Armut.

Im Gespräch geht es darum, dass in Deutschland oft die Sprache fehlt, um Armutsverhältnisse richtig benennen zu können. Malik berichtet, dass ihm erst im Studium im Vergleich zu Kom­mi­li­to­n*in­nen aus anderen sozialen Milieus bewusst wurde, dass hinter der Armut, in der er aufgewachsen ist, ein größeres gesellschaftliches System steht.

Bei mir wurde alles immer individualisiert. Ich war zu faul, ich war zu langsam, ich war zu laut, zu störend, zu, zu, zu, zu, zu.

Olivier David

David erläutert, dass die Ursachen von Armut selten als strukturell begriffen werden, was dazu führt, dass Betroffene ihre Situation als persönliches Versagen wahrnehmen. „Bei mir wurde alles immer individualisiert. Ich war zu faul, ich war zu langsam, ich war zu laut, zu störend, zu, zu, zu, zu, zu.“ Es sei empowernd, Worte für diese Verhältnisse zu finden, um Armut nicht länger als selbstverschuldet zu betrachten.

Sprachlosigkeit und Scham

Wenn über Klassenunterschiede nicht offen gesprochen wird, führt das häufig zu Scham. Malik schildert, dass ihm im Austausch mit westdeutschen Kom­mi­li­to­n*in­nen immer wieder die starken Unterschiede in ihren Lebensrealitäten bewusst wurden. Während sie darüber sprachen, wie unangenehm es wäre, wenn die Bankkarte an der Kasse einmal abgelehnt würde, war ihm genau das bereits mehrfach passiert.

Solche Erlebnisse hätten sowohl Unverständnis als auch Scham ausgelöst – eine Scham, die er bis heute nicht vollständig überwunden hat. „Aber es geht mir gar nicht darum, meine Scham zu 100% abzubauen. Das ist gar nicht mein Ziel an diesem Punkt.“

Darüber hinaus diskutieren Malik und David die Folgen von Armut, wie den Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe und die Zunahme psychischer Erkrankungen. David betont außerdem, dass Armut oft zu Selbstisolation führt. In den unteren sozialen Klassen sei die Wahlbeteiligung überdurchschnittlich niedrig. „Einerseits ist das eine Art stummer, stiller Protest: Ich mache da nicht mit, die Welt richtet sich gegen mich.“, sagt er. Andererseits nehme man so auch eine passive gesellschaftliche Rolle ein.

Welchen Umgang mit Klassismus braucht es?

Auf die Frage nach konstruktiven Lösungsansätzen gegen Klassismus zeigt sich Malik skeptisch. Viele Ansätze seien lediglich Symptombekämpfung. Auch mehr Aufklärung führe nicht zwangsläufig dazu, dass Menschen aus höheren Klassen aktiv gegen Armut vorgehen.

David stimmt ihm zu. Er erklärt, dass er seine Literatur inzwischen nicht mehr für ein bürgerliches Publikum schreibe, sondern die Arbeiterklasse direkt ansprechen und stärken wolle. So könne ein Bewusstsein für die eigene Klassenzugehörigkeit und für notwendige gesellschaftliche Kämpfe entstehen. „Das werde ich zwar wahrscheinlich nicht mehr erleben, aber jemand muss es ja auch vorbereiten.“

„Mauerecho – Ost trifft West“ ist ein Podcast der taz Panter Stiftung. Er erscheint jede Woche Sonntag auf taz.de/mauerecho sowie überall, wo es Podcasts gibt. Besonderen Dank gilt unserem Tonmeister Daniel Fromm.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare