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Durchbruch bei FortpflanzungsmedizinEizellen aus der Haut

Erstmals haben Forscher menschliche Hautzellen in befruchtungsfähige Eizellen umgewandelt. Dies könnte die Fortpflanzungsmedizin revolutionieren.

Mit Eizellen wird viel experimeniert Foto: imago

Könnten zwei schwule Männer gemeinsam ein Kind bekommen, das gleichermaßen von ihnen abstammt? Noch ist das Zukunftsmusik, doch ein US-Forschungsteam hat einen weiteren Schritt in diese Richtung gemacht. Laut ihrer Studie gelang es ihnen erstmals, eine menschliche Hautzelle in eine befruchtungsfähige Eizelle umzuwandeln. Ihre Ergebnisse veröffentlichte das Forschungsteam um Paula Amato von der Oregon Health & Science University in Portland im Fachmagazin Nature Communications.

Die Forschenden programmierten jedoch nicht die Hautzelle selbst um. Stattdessen entnahmen sie deren Zellkern und setzten ihn in eine entkernte Spendereizelle ein – ein Verfahren, das als somatischer Zellkerntransfer bekannt ist. Die so entstandene Zelle war zunächst keine aktivierte, reproduktionsfähige Eizelle. Denn anders als andere Körperzellen besitzt sie nur einen einfachen Chromosomensatz. Diesen Reifezustand zu erreichen, war die entscheidende Leistung der US-Wissenschaftler.

Zur Erinnerung: Chromosomen sind die Träger der DNA und kommen im Menschen paarweise vor – jeweils gegeben von einem Elternteil. Insgesamt sind es 46. Wenn nun aber ein neuer Mensch entstehen soll, dürfen Eizelle und Spermien nur einen einfachen Satz von 23 weitergeben.

Mit Hilfe eines Verfahrens, das der natürlichen Zellteilung ähnelt, ist den Forschenden gelungen einen Satz von 23 Chromosomen zu erhalten. Insgesamt 82 Eizellen stellten sie durch dieses Verfahren her, die sie anschließend durch In-vitro-Fertilisation künstlich befruchteten. Und tatsächlich: Nach sechs Tagen hatten sie neun Prozent der Embryonen so entwickelt, dass sie in eine Gebärmutter übertragen werden könnten.

Hoffnung auch für unfruchtbare und ältere Frauen

Vor zwei Jahren hatten japanische Wissenschaftler bereits Körperzellen von zwei männlichen Mäusen umgewandelt und damit Nachwuchs gezeugt. Beim Menschen ist das bislang nicht gelungen. Und bis das Verfahren für potenzielle Eltern verfügbar wird, dürfte es noch dauern, sagt Paula Amato, eine der Co-Autorinnen der Studie. Derzeit sei es besonders schwierig, „genetisch normale Eizellen mit der richtigen Anzahl und dem richtigen Satz an Chromosomen zu erhalten“. Entscheidend sei, die Chromosomenpaare exakt zu trennen, sodass am Ende von jedem Chromosom nur eines in der Eizelle bleibt. Fehler führen zu Trisomien, die meist nicht lebensfähig sind – mit wenigen Ausnahmen wie Trisomie 21.

Zukünftig könnte aber die Forschung helfen „unser Verständnis von Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten verändern und vielleicht eines Tages die Tür zur Erzeugung von Eizellen oder Spermien ähnelnden Zellen für diejenigen öffnen, die keine anderen Optionen haben“, sagt die britische Forscherin Ying Cheong der Nachrichtenagentur AFP. Ein solches Verfahren könnte nicht nur gleichgeschlechtlichen Paaren helfen, sondern auch unfruchtbaren oder älteren Frauen.

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