Brasilien mit neuartigem Vorschlag: 125 Milliarden Dollar für Waldschutz
Die UN-Klimakonferenz findet nicht zufällig im Amazonas statt. Ein neues Finanzinstrument soll Gelder für den Erhalt der Tropenwälder auftreiben.
Ein 125 Milliarden Dollar schwerer Fonds soll helfen, Tropenwälder zu schützen statt sie zu für kurzfristige Profite zu zerstören. Die brasilianischen Regierung hat den Waldschutz-Fonds mit der Abkürzung TFFF im Vorfeld der Weltklimakonferenz in Belém, einer Millionenstadt an der Amazonas-Mündung, ins Leben gerufen.
Umweltschützer*innen begrüßen die Initiative, auch weil sie Klima- und Biodiversitätsschutz zusammenbringen soll. Rechtlich bindende Entscheidungen zur Umsetzung der Klimaschutzziele dürfe der Fonds aber nicht ersetzen, warnen sie.
Regenwälder wie der Amazonas spielen klimapolitisch eine zentrale Rolle, weil sie durch ihre Artenvielfalt, ihre komplexen Ökosysteme und in ihrer Funktion als riesiger CO₂-Speicher das Klima auf dem ganzen Planeten beeinflussen.
Doch die Entwaldung eben dieser Wälder schreitet in vielen Ländern seit Jahren weiter fort. Teile des Amazonas Regenwalds geben heute durch sterbende Bäume und Waldbrände bereits mehr CO₂ an die Atmosphäre ab, als sie einspeichern. 2024 wurden im Schnitt pro Minute 18 Fußballfelder Tropenwald zerstört.
Bundesregierung noch uneins
Ein Grund: mit dem Verkauf des Holzes oder der Bewirtschaftung der Flächen lässt sich weitaus mehr Geld verdienen als mit dem Schutz des intakten Waldes. Der Waldschutz-Fonds soll das als „innovatives Finanzinstrument“ ändern.
Industrieländer wie Deutschland sollen zunächst insgesamt 10 Milliarden Dollar als Sicherheiten anlegen, um dann weitere Investoren und mit ihnen 115 Milliarden anzulocken. Der Fonds investiert das Geld auf den Finanzmärkten und erwirtschaftet damit Gewinne.
Der Renditeüberschuss könnte bei 3,4 Milliarden Dollar pro Jahr liegen, die dann an die Tropenwaldländer ausgezahlt werden können. Dabei sichert der Fonds den Geldgebern zu, dass ihr investiertes Kapital mit Zinsen zurückgezahlt wird.
„Brasilien wird mit gutem Beispiel vorangehen und das erste Land sein, das sich mit einer Milliarde Dollar zum Fonds verpflichtet“, kündigte Präsident Lula an. Deutschland unterstütze die brasilianische Initiative im Grundsatz, sagte Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan. Wie viel Geld die Bundesrepublik einzahlen würde, werde in der Regierung noch abgestimmt. Norwegen hat bereits angekündigt, drei Milliarden US-Dollar beisteuern zu wollen, Indonesien eine Milliarde.
Kritiker fürchten, die Idee unterschätze Finanzmarktrisiken
Der Erfolg des Fonds für den Waldschutz wird auch davon abhängen, wie viele Gewinne damit erwirtschaftet werden, denn nur daraus würde Geld in den Waldschutz fließen. Fokussieren soll sich der Fonds auf Anleihen von Entwicklungsländern – eine riskante Wette darauf, dass sie ihre Schulden bedienen können.
„Die klaren Gewinner sind private Investoren wie Investmentgesellschaften oder Banken, die durch staatliche Garantien abgesichert sind“, sagte der Ökonom Max Matthey dem Tagesspiegel. „Das Risiko tragen am Ende die Steuerzahler – und der Regenwald.“ Eine Garantie für die Tropenwaldländer, stabile Auszahlungen zu erhalten, gibt es nicht.
Bis zu 74 Länder, die zusammen mehr als eine Milliarde Hektar tropischen und subtropischen Laubwald umschließen, sollen sich auf die jährlichen Zahlungen bewerben können, vorausgesetzt sie senken ihre Entwaldungsraten.
Wer intakte Wälder umwandelt, zum Beispiel in Agrarflächen, oder abholzt, bekommt nichts – oder muss Gelder sogar zurückzahlen. Ein satellitengestütztes System soll die Entwicklung der Entwaldung überwachen. Pro geschützten Hektar soll es nach den Berechnungen der brasilianischen Regierung vier Dollar geben.
Indigene Rechte ausdrücklich bedacht
Brasilien erarbeitete das Konzept zusammen mit internationalen Organisationen wie der Weltbank, NGOs wie Greenpeace und Indigenen Vertreter*innen. Auf ihren Druck hin steht im aktuellen Konzeptpapier, dass der TFFF die Empfängerländer dazu verpflichtet, 20 Prozent des Geldes direkt an indigene und lokale Gemeinschaften weiterzugeben.
Greenpeace begrüßt die brasilianische Initiative zwar grundsätzlich, kritisiert unter anderem aber die Definition für förderfähige Waldflächen als zu locker. Auch Waldflächen mit einer geringen Baumkronenbedeckung von 20 Prozent seien ohne klare Vorgaben förderfähig.
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Jannes Stoppel, Greenpeace-Waldexperte, befürchtet, dass die Entwaldungsraten durch den Fonds zwar auf dem Papier sinken werden, dass in intakten Wäldern aber weiter Holz geschlagen werden darf. „Eine Lösung wäre ein gestaffelter Ansatz: Der Schutz von intakten Waldflächen bekommt besondere Förderung und der Holzeinschlag wird strikt geahndet“, schlägt er vor.
Auch die Entwicklungsorganisation Oxfam sieht die Initiative grundsätzlich positiv, betont aber, dass der Fonds als freiwillige Initiative kein Teil der offiziellen Verhandlungen der UN-Klimakonferenz ist.
„Der TFFF sollte nicht davon ablenken, dass auf der Konferenz verbindliche Klimafinanzierungsmaßnahmen vereinbart werden, die für alle Mitgliedstaaten gelten und den Bedürfnissen der ärmeren und vulnerablen Ländern gerecht werden“, sagt Jan Kowalzig, Oxfam-Referent für Klimapolitik. Greenpeace fordert zudem eine verbindliche Entscheidung, um die Waldzerstörung bis 2035 zu stoppen.
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