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Photovoltaik in MehrfamilienhäusernSolarstrom vom Dach auch für Mie­te­r:in­nen machbar

Von einer Solaranlage hätten Mietende und Vermietende etwas, so eine Studie des IW. Für mehr als 20 Millionen Wohnungen wäre das technisch möglich.

Auf Einfamilienhäusern wie hier im brandenburgischen Dallgow-Döberitz gibt es oft Solaranlagen, auf Mehrfamilienhäusern kaum Foto: Rainer Jensen/dpa

Berlin taz | Mehr als 20 Millionen Mietwohnungen in Deutschland könnten mit Solarstrom vom eigenen Dach versorgt werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Danach wäre es technisch möglich, dass bis zu 20,4 Millionen Wohnungen in rund drei Millionen Mehrfamilienhäusern ab drei Wohneinheiten günstige Solarenergie beziehen.

Würde das Potenzial des Mieterstroms voll ausgeschöpft, ließen sich nach Angaben des IW Köln bis zu 60 Gigawatt Photovoltaik installieren. Das entspräche fast einem Drittel des bisherigen Ausbauziels bis 2030. Allerdings stellt Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) die bisherigen Ausbauziele infrage, weil sie von einem geringeren Strombedarf bis 2030 ausgeht als die vorherige Regierung.

Beim sogenannten Mieterstrom betreiben Ei­gen­tü­me­r:in­nen eine Solaranlage auf einem Dach und liefern Strom direkt an die Haus­be­woh­ne­r:in­nen. Weil Netzgebühren und andere Abgaben entfallen, ist der Strom günstig. Reicht die selbst produzierte Energie nicht, beziehen die Haushalte Strom aus dem öffentlichen Netz, Überschüsse werden eingespeist. Die Studie zeigt in Modellrechnungen, dass sich die Anlagen für die Ei­gen­tü­me­r:in­nen rentieren.

Während die Zahl der Solaranlagen auf Ein- und Zweifamilienhäusern sowie auf Freiflächen stark wächst, wird Mieterstrom bislang selten genutzt. Der Studie zufolge sind bei der Bundesnetzagentur bislang nur 5.400 Mieterstromanlagen registriert. Insgesamt sind dort mehr als vier Millionen Photovoltaik-Anlagen verzeichnet. In den vergangenen Jahren wurden zwar erhebliche Vereinfachungen für Mieterstrom eingeführt, etwa der 2024 eingeführte mögliche Gebäudestrom in Form der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung. Aber nach wie vor gibt es erhebliche Blockaden. „Vor allem bürokratische Hürden bremsen den Ausbau“, sagt Studienautor Ralph Henger.

Mehr Digitalisierung erforderlich

Nach Auffassung des Ökonomen sind etwa die geltenden Vorgaben zur Strommessung und zur Abrechnung zu kompliziert. Es fehlen einheitliche Messstandards. Außerdem seien die Genehmigungsprozesse für Photovoltaikanlagen durch die Netzbetreiber aufwendig. Die Meldeverfahren für die 866 Verteilnetzbetreiber in Deutschland sind nicht harmonisiert. „Ohne Reformen bleiben wertvolle Potenziale ungenutzt“, warnt Henger.

Erforderlich ist der Studie zufolge eine stärkere Digitalisierung des Systems, etwa bei Standardprozessen wie dem Zählerwechsel und der Anmeldung bei den Netz- und Messtellenbetreibern. Zudem sollte die Politik stärkere Anreize setzen, um Solarstrom gegenüber Netzstrom zu bevorzugen, fordert der Ökonom. Neben der stärkeren Verbreitung digitaler Stromzähler (Smart-Meter), die Daten automatisch an den Versorger senden, sind der Studie zufolge unter anderem Anpassungen zur Regelbarkeit von Anlagen und mehr dynamische Stromtarife erforderlich.

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