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Sparpolitik in BerlinMillionen bleiben liegen

Der Senat spart immer weiter. Gleichzeitig werden Möglichkeiten für Mehreinnahmen kaum genutzt. Dazu gehört die Ahndung des Zweckentfremdungsverbots.

Unbeliebte Touristen, dreiste Vermieter: Nur ein Bruchteil der Berliner Ferienwohnungen ist auch von den Behörden genehmigt Foto: Stefan Boness/Ipon

Berlin taz | Berlin entgehen jedes Jahr Millionenbeträge, weil Wohnungen zweckentfremdet und Verstöße kaum geahndet werden. Vor allem fehlende Kontrollen sorgen dafür, dass viele Eigentümer mit leerstehenden Wohnungen oder der illegalen Vermietung als Ferienunterkünfte davonkommen.

Die größte Kontrolllücke betrifft mutmaßlich die Vermietung von Ferienwohnungen. Das 2014 in Kraft getretene Zweckentfremdungsverbot untersagt, Wohnungen ohne Genehmigung als Unterkünfte für Touristen anzubieten. Nach Schätzungen existieren in Berlin mehr als 38.000 Ferienwohnungen. Seit 2016 wurden jedoch lediglich 600 Genehmigungen erteilt.

Wer ohne eine Genehmigung vermietet, muss mit Bußgeldern von bis zu 500.000 Euro rechnen. In der Praxis fallen die Strafen jedoch meist deutlich geringer aus – oder sie bleiben ganz aus, wenn die Vermietung unter dem Radar der Behörden bleibt.

Bezirke gehen unterschiedlich vor

Zuständig für die Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbots sind rund 70 Mitarbeitende in den Bezirken. Doch diese gehen höchst unterschiedlich vor: Marzahn-Hellersdorf etwa verzichtete lange nahezu vollständig auf Kontrollen. 2024 hat der Bezirk erstmals Bußgelder in Höhe von 31.000 Euro verhängt, von denen bislang aber nur ein Bruchteil eingetrieben wurde.

Auch in Spandau und Reinickendorf bleiben Verstöße häufig folgenlos. Tempelhof-Schöneberg hingegen gehört zu den aktivsten Bezirken und belegt regelmäßig Spitzenplätze bei verhängten Bußgeldern. In Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte existieren sogar eigene Zweckentfremdungsstellen, die vergleichsweise aktiv sind. Trotzdem bleiben auch hier viele Verstöße unentdeckt – und mögliche Einnahmen für die Landeskasse ungenutzt.

Abkassieren statt kürzen

Eins ums andere kürzt der Senat soziale Projekte weg, sägt an kulturellen Institutionen und dem Klimaschutz und wickelt die Verkehrswende ab. Um die Infrastruktur der Stadt in Zeiten knapper Kassen zu erhalten, macht sich die taz auf die Suche nach Einnahmen. Teil 2: Bußgelder für Verstöße gegen das Zweckentfremdungsverbot

Andere Städte zeigen dabei, wie konsequente Kontrolle funktioniert. Wien etwa hat im Juli 2024 eine eigene „Kontrolle Kurzzeitvermietung“ gegründet. Das Team durchforstet Buchungsplattformen, prüft Anzeigen und geht Hinweisen aus der Bevölkerung nach. Wenn ein Verdacht sich erhärtet, rücken die Fahnder frühmorgens aus, klingeln sich durch Häuser, sammeln Beweise und stellen immer wieder Verstöße fest.

Das Modell zeigt Wirkung: Laut der zuständigen Wiener Magistratsabteilung wurden seit Juli 2024 insgesamt 309 Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet. Inzwischen liegen 83 Bußgeldbescheide vor, die Strafen summieren sich bereits auf gut eine Million Euro.

Lasche Bußgeldeintreiber

Berlin kämpft aber eben nicht nur mit fehlenden Kontrollen, sondern auch mit einer erstaunlichen Laschheit beim Eintreiben der Bußgelder. So hat der Bezirk Mitte 2025 bisher schon mehr als eine Million Euro an Bußgeldern verhängt, reingeholt wurden davon aber aktuell gerade mal 12.000 Euro. Das Bezirksamt verweist darauf, dass zahlreiche Verfahren noch laufen und weitere Einnahmen zu erwarten seien.

Ein Blick auf die vergangenen Jahre zeigt jedoch, dass dieses Problem strukturell ist. Seit 2014 wurden berlinweit fast 57.000 Verfahren eingeleitet, die verhängten Bußgelder summieren sich auf 11,65 Millionen Euro, so die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen auf taz-Anfrage. Die Bezirke haben davon bisher aber nur 4,64 Millionen eingetrieben. Das sind weniger als 40 Prozent.

Zwei Gründe erklären diese Lücke. Zum einen sind viele Verfahren noch nicht abgeschlossen. Landet ein Verfahren zum anderen vor Gericht und kommt es dort zu einer Verurteilung, fließen die Bußgelder nicht in die Bezirkskassen, sondern in den Landeshaushalt.

Niemand im Senat weiß, wie viel das Land selbst eingenommen hat

Wie viel Geld das Land bisher auf diese Weise eingenommen hat, weiß offenbar niemand: Die Finanzverwaltung verweist auf Nachfrage der taz auf die Stadtentwicklungsverwaltung, die ihrerseits keine Auskunft über die Höhe der eingetriebenen Gelder geben kann. Sicher ist nur, die Bezirke tragen den Aufwand für die Bußgeldverfahren, die Einnahmen der gerichtlich festgesetzten Bußgelder werden jedoch an anderer Stelle verbucht.

Ausnahme Neukölln

Neukölln ist hier offenbar eine Ausnahme: Nach eigenen Angaben hat der Bezirk nahezu 100 Prozent der verhängten Bußgelder auch eingetrieben. Stand Ende Juni sind demnach von den seit 2016 verhängten Bußgeldern in Höhe von mehr als 1,1 Million Euro nur rund 15.000 noch nicht bezahlt.

Doch selbst wenn – wie im Fall Neuköllns – Bußgelder konsequent vollstreckt würden, entgehen den öffentlichen Kassen weitere Einnahmen, weil sich der Markt längst neue Schlupflöcher gesucht hat: möblierte Wohnungen auf Zeit. Sie werden für einige Monate vermietet, oft zu deutlich höheren Preisen als unmöblierte Wohnungen. Für Mieter bedeutet das: Sie zahlen weit mehr als die ortsübliche Vergleichsmiete, ohne Anspruch auf dauerhaften Mieterschutz.

In Milieuschutzgebieten läuft diese Praxis dem Ziel der sozialen Erhaltungsordnung zuwider, die dauerhaften, bezahlbaren Wohnraum für die Berliner sichern soll. Niklas Schenker, der wohnungspolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, sagt der taz: „Die Bezirke können die möblierte Vermietung von Wohnungen innerhalb von Milieuschutzgebieten unterbinden. Der Senat muss endlich entschlossen gegen möblierten Mietwucher vorgehen.“

Die Linke fordert zudem eine zentrale Taskforce mit mindestens 100 Stellen, die berlinweit gegen Zweckentfremdung, möblierte Vermietungen und Mietwucher vorgeht – koordiniert, schnell und mit klaren Zuständigkeiten.

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4 Kommentare

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  • Wenn es illegal ist- warum gilt (bei z.B. Air-BnB) nicht der Nachweis des Genehmigungsbescheides als Voraussetzung für die Erstellung einer Vermietungs-Annonce?



    Bei Nichtvorliegen sollte der Platformbetreiber Strafe zahlen- fertig.

    Es kann doch nicht sein, dass jedes kleine Amt Horden von Testmietern rumlaufen lassen muss- etwas mehr Smartheit bitte!

    • @So,so:

      Wenn es illegal ist- warum gilt (bei z.B. Air-BnB) nicht der Nachweis des Genehmigungsbescheides als Voraussetzung für die Erstellung einer Vermietungs-Annonce?

      Wenn es illegal ist, gibt es keine Genehmigung und wenn es legal ist, braucht es in den meisten deutschen Städten (völlig undeutsch) keine Genehmigung. Nicht jede Stadt hat soviel Personal, dass sie es sich leisten kann, nicht verbotene Dinge auch noch schriftlich zu genehmigen. Auf solche Ideen kommt man eigentlich nur in Berlin. 😎

    • @So,so:

      Sie haben vollkommen recht, es könnte alles doch so einfach sein, aber nicht bei uns!

  • Schickt doch die OrdnungAmt Männer und Frauen die HundebesitzerInnen schikaniert dorthin wo es echtes Geld gibt.



    Löst zumindest das Personalproblem😉