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Abschiebung einer êzîdischen FamilieDeutschland, deine leeren Worte

Frederik Eikmanns
Kommentar von Frederik Eikmanns

Vor zwei Jahren forderten alle Fraktionen mehr Schutz für Êzî­d*in­nen. Jetzt werden sie abgeschoben, obwohl sie im Irak weiter bedroht sind.

Je­si­d*in­nen im Januar 2023 im Bundestag, während abgestimmt wird, ob die Verbrechen an Jesiden als Völkermord anerkannt werden Foto: Carsten Koall/dpa

N eun Tage sind es noch, dann jährt sich der Genozid an den Êzîd*in­nen zum elften Mal. Die Kämpfer des sogenannten Islamischen Staats (IS) ermordeten damals im Irak zwischen 5.000 und 10.000 êzîdische Zi­vi­lis­t*in­nen und verschleppten weitere 7.000 Frauen und Kinder. Und was macht Deutschland? Fast pünktlich zum Jahrestag schieben die Brandenburger Behörden eine êzîdische Familie zurück in den Irak. Es ist ein Hohn.

Was haben sich deutsche Po­li­ti­ke­r*in­nen nicht darauf eingebildet, als sie Anfang 2023 die Gewalttaten des IS offiziell als Genozid anerkannten. Alle Fraktionen stimmten damals zu, alle forderten sie Schutz für Angehörige der Minderheit. Im Antragstext heißt es: „Der Deutsche Bundestag wird sich mit Nachdruck zum Schutz êzîdischen Lebens in Deutschland und ihrer Menschenrechte weltweit einsetzen.“

Êzîd*innen, die in den letzten Jahren nach Deutschland gekommen sind, spüren davon nichts. Die jetzt abgeschobene Familie ist nicht die erste, der es so geht. Die Argumentation des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ist dabei meist die gleiche: Weil sie nicht direkt nach dem Genozid nach Deutschland gekommen waren, sondern zunächst im Irak blieben, stehe ihnen jetzt kein Schutz zu.

Wie absurd das ist, zeigt sich nicht nur an dem Fall des Bruders der Abgeschobenen. Er floh früher nach Deutschland und darf deshalb bleiben, während sie gehen müssen. Absurd ist auch die Vorstellung, im Irak sei es für Êzîd*in­nen inzwischen wieder sicher. Die staatlichen Strukturen des IS mögen zerschlagen sein. Doch viele der Islamisten sind noch da, haben sich wieder in das zivile Leben eingefunden. Und mit ihnen lebt der genozidale Hass auf die Êzîd*in­nen fort, der sich 2014 so massiv entlud.

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Das BAMF hätte den Asylantrag der êzîdischen Familie nie ablehnen dürfen. Und die brandenburgischen Behörden hätten sie nie in den Irak zurückzwingen dürfen. Zumal wenn bekannt ist, dass noch ein Eilverfahren anhängig ist. Aber es geht um mehr als den Einzelfall: Will Deutschland seiner Verantwortung gerecht werden, müssen sämtliche Abschiebungen von Êzîd*in­nen umgehend gestoppt werden.

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Frederik Eikmanns
Fachredakteur Inland
schreibt über alles, was im weitesten Sinn mit Migration zu tun hat.
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