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Gut durch den Sommer kommen

Sex im Sommer ist heiß, sagen die einen. Zu heiß, finden andere. Unsere Autorin kennt sich aus – und gibt zehn Überlebenstipps

Atme deinen (mal mehr, mal weniger) sinnlichen Geruch ein, spüre deine sommerlich frei schwingenden Genitalien Foto: the Glint/plainpicture

Von Susann Rehlein

Der Sommer macht mich zu einer ganz schlechten Feministin, zu einer Handlangerin des Patriarchats. Bei 30 Grad sorge ich nicht eigenverantwortlich für meine Lust, sondern liege platt auf dem Rücken und seufze nur immer mal wieder, damit der Typ, der sich über mir abrackert, weiß, dass ich noch lebe und es sich lohnt weiterzumachen.

Im Sommer bin ich anders sexuell als im Winter, eher amöbenartig, undefiniert, ohne Anfang und vor allem ohne Ende. Wenn es nicht gerade durch­gehend regnet, schwitzt man die ganze Zeit und ist entsprechend geil und sinnlich. Trotzdem bin ich keine Freundin von Hitze. Hitze macht mich zur alten weißen Frau, die halbnackten Männern hinterherschaut und sich vorstellt, deren Arschbacken zu greifen und ihnen mit weicher, flacher Zunge den Schweiß aus den Leisten zu lecken.

Schweiß enthält Salz, und ich habe mein ganzes Salz ausgeschwitzt auf dem Weg zum Falafelladen, vor dem ich jetzt schon seit einer halben Stunde sitze und Leute angeiere. Das Salz für meinen Hummus nehme ich aber dann doch lieber aus dem Salzstreuer statt von meinen Unterarmen, wir wollen ja nicht notgeil rüberkommen. Was wollen wir stattdessen? Gut durch den Sommer kommen. Hier sind zehn heiße Tipps.

1. Investiere in Vorhänge!

Im Sommer ist es leider immer hell. Der Sommer singt und johlt und stellt Bierkästen in den Fluss. Sex gedeiht aber wie alle Magie besser bei subtileren Getränken und natürlich im Dunkeln. Also investiere ich in guten Gin und in gute Vorhänge und mache den Tag zur Nacht. Lichtdichte Vorhänge sind teuer. Augenbinden gibt’s für dreifuffzich. Zwar verrutscht die irgendwann unweigerlich, doch dann ist man längst so in Ekstase, dass man sich in den Blick des Gegenübers genauso versenken will wie in dessen Genitalien.

2. Besser ins Bett!

Sex on the Beach ist schon als Cocktail nicht besonders subtil, meine Pussy involviere ich in so was nicht. Sand macht Körpersäfte zu Scheuer­milch, Outdoor ist generell nicht mein Ding. Insekten, möglicherweise auftauchende Passanten und ungeeignete Unterlagen verkomplizieren die ohnehin fragile Ekstase. Wann bitte ist das gute, alte Bett aus der Mode gekommen?

3. Wasch Decke und Kissen!

Also nicht nur die Bettbezüge, auch deren Inneres. Im Sommer trocknet das ruckzuck, duftet nach Sonne und ist bereit für ein Jahr neuen Liebesgetümmels. Müsst ihr natürlich, nur weil ich den talgigen Geruch ungewaschenen Bettzeugs nicht mag, trotzdem nicht machen. Ihr könnt ja mit wem anders vögeln, der nicht so sensibel ist wie ich, aber der- oder diejenige ist dann auch schlechter im Bett, ich sag’s nur.

4. Sei nackt!

Gut, wenn beim Gehen in der Hitze die Oberschenkel aneinan­derreiben, trägt man vielleicht besser Radlerhosen. Doch ansonsten gibt man sich dem Sommer hin, indem man möglichst wenig anzieht. Wer einen Job hat, bei dem das nur am Casual Friday möglich ist, kündigt. Zumindest barfuß muss möglich sein. Achtung bei kurzen Hosen oder Kleidchen – nicht, dass du auf dem Bürostuhl festklebst und durcharbeiten musst bis Oktober, wenn es kühler wird.

5. Genieß dich!

Der Hochsommer ist die einzige Zeit des Jahres, in der ich ohne Socken und Heizlüfter Sex habe. Sogar mit tiefgekühlten Buttplugs kann man jetzt spielen. Oder es lassen. Aber nutze die Zeit, in der man weniger anhat, um dich zu spüren. Atme deinen (mal mehr, mal weniger) sinnlichen Geruch ein, spüre deine sommerlich frei schwingenden Genitalien. Tanze, räkele, liebkose dich. Wem das nicht so liegt, der kann zumindest das Eincremen mit Sonnenmilch ein bisschen zelebrieren und dabei mal checken, wie die Haut am Schienbein sich von der am Hintern unterscheidet. Apropos Hintern, da kann man auch mal fester zugreifen und ein bisschen kneten. Sexy, so ein Hintern, auch wenn es der eigene ist.

6. Geh ins Gym!

Oder in eine Hotelbar, die ist schließlich genauso herrlich runterklimatisiert wie dein Fitnessstudio. Bloß fehlt da der Effekt auf den Körper. Mit wenigen Ausnahmen gilt: Wer Sport macht, hat besseren Sex. Denn Sport holt einen aus sämtlichen Gedankenschleifen heraus, macht gute Laune und ein gutes Körpergefühl. Wenn du dein Herz nicht öffnest und dich mit den grundlegenden anatomischen Gegebenheiten nicht auskennst, nützt dir das zwar auch nichts, aber letztlich gilt: Für Sex braucht man seinen Körper, also kümmere dich um den.

7. Mach Pläne!

Alle gehen baden, und ich kann mich nicht entscheiden, ob ich mitmache oder doch lieber shoppen gehe, arbeite oder mich schlafen lege. Was extrem schlechte Laune macht. Merke: Immer vor dem Wochenende Pläne machen. Aber das sollen ja Sextipps werden, nicht Überlebenstipps für Singles. Wobei … ist Sex nicht der Überlebens­tipp für Singles schlechthin? Leute in Paaren wissen zwar, was sie mit ihren Wochenenden anfangen, haben aber keinen Sex mehr.

8. Chill mal!

Sommer ist Slowsex-Time. Das ist übrigens mehr als langsam bumsen, es geht dabei um Ziellosigkeit, Verbindung, feinstes Spüren. Wir vergrößern den Orgasm Gap diesen Sommer nicht, wir machen’s bewusst und sinnlich statt im Schweinsgalopp. Ist es selbst dafür zu warm, kann man sich auch mit Partner oder Partnerin in die Scherenposition legen (eine:r auf dem Rücken, ei­ne:r grätscht von der Seite rein), unerigiert einstöpseln und ineinander rumliegen oder mit den Genitalien aneinander. Das Ganze heißt stille Vereinigung, und dabei schläft man je nach Verfassung ein oder erlebt Erstaunliches. Der Sache bitte mehrmals eine Chance geben­. Es könnte sich lohnen.

9. Fenster auf!

Beim Squirten schiebt man die Erregung entspannt nach unten raus, statt wie beim klitoralen Orgasmus alles nach oben zusammenzuziehen. Es hilft, dabei zu schreien. Ein bisschen wie Gebären also, auch wenn Mütter jetzt wahrscheinlich mit den Augen rollen. Beim Squirten mache ich gerne das Fenster auf, damit die Nachbarn wissen, dass es der alten Frau im vierten Stock trotz Hitze gut geht. Der Biologieprofessor in der Edelwohnanlage, bei dem ich gerade zum „Frühstück“ war, macht lieber zu. Besser vorher als zwischendrin, würde ich empfehlen, denn eine Frau, die man mitten in ihrem Orgasmus verlässt, um das Fenster zu schließen, kann ungehalten reagieren.

10. Üben! Üben! Üben!

Ed Sheeran zeigt gerne mal in Talkshows alte Videos von sich, die beweisen, dass er keineswegs ein geborener Gesangsgott ist, sondern sich mit Blut, Schweiß und Tränen zu einem entwickelt hat. Skills verfeinern ist immer eine gute Idee. Und der Sommer lädt dazu ein, körperlich-sinnlich und möglichst oft nackt zu sein, dabei Sex zu haben – und zwar jedes Mal anderen. Wir essen ja (hoffentlich) auch jeden Tag was anderes. Und wie beim Kochen könnten wir doch auch bei der Sexplanung im Internet nach Rezepten schauen. Wie geht Deep Throat? Wie wollen die Hoden liebkost werden, die da in der Boxershorts rumlümmeln? Was ist das Drei-Minuten-Spiel von Betty Martin und was kann das? Wo finde ich die Prostata? Welche Toys würde ich gerne probieren? Schmeißt Rosenblätter aufs Laken, lutscht nackt selbstgemachtes Eis und sudelt durch die heißen Tage – und Nächte.

Susann Rehlein ist Körper­forscherin und Autorin. Zuletzt erschien von ihr der Ratgeber „Ab ins Bett! Sexuelle Späterziehung“ (Voland & Quist, 20 Euro).

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