FAQ zum Deal zwischen Trump und der EU: Wer zieht hier wen über den Tisch?
Die Einigung im Handelsstreit lässt viele Fragen offen. Klar ist: Dem Klima wird sie schaden. Wie es weitergehen könnte, dazu kursieren bizarre Ideen.

1 US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen haben einen „Deal“ geschlossen, um den Handelsstreit beizulegen. Ist jetzt mal Schluss mit dem leidigen Thema Zölle?
Vielleicht. Aber Trump kann jederzeit wieder damit anfangen. Zwar haben er und von der Leyen eine Einigung über Zollabgaben erzielt, allerdings eher in Form einer losen Verabredung als in Gestalt eines formal korrekten Handelsabkommens. „TTIP per Handschlag“ nennt das die Organisation LobbyControl in Anlehnung an das einst geplante und gescheiterte Freihandelsabkommen Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP), gegen das Hunderttausende protestierten.
Die US-Administration und die EU-Kommission interpretieren jedenfalls etliche Punkte der neuen Übereinkunft unterschiedlich. So wollen die USA eine Reihe von landwirtschaftlichen Produkten nach Europa exportieren, die nicht EU-Regeln entsprechen. Max Bank, Experte für Handelspolitik und Techregulierung bei LobbyControl, sagt: „Die USA reklamieren eine Interpretation, die stark an das gescheiterte TTIP-Abkommen erinnert.“ Streitpunkt in den TTIP-Verhandlungen war etwa das gefürchtete Chlorhühnchen. Geschlachtete Hühner zwecks Bakterienbekämpfung in Chlordioxid zu baden, ist in den USA Praxis, in der EU verboten.
Es gibt also offenbar noch viel Verhandlungsbedarf. Ein formelles Abkommen muss von den politischen Instanzen, etwa vom Europäischen Parlament, abgesegnet werden. Doch trotz aller Unwägbarkeiten: Wohin die Reise gehen soll, ist sichtbar. Denn mit ihrem „Deal“ haben von der Leyen und Trump Referenzpunkte gesetzt, die wieder aus der Welt zu bekommen schwer sein dürfte.
2 Aber geht es nicht in erster Linie um Zölle?
Doch, zumindest waren Zölle Ausgangspunkt des Handelsstreits. Trump hat gegen die EU willkürlich Zölle verhängt und so Verhandlungsmasse geschaffen. Die von ihm angedrohten 30 Prozent auf Waren aus der EU kommen nicht, das wurde mit dem „Deal“ vorläufig abgewendet. Stattdessen werden 15 Prozent auf sehr viele Einfuhren aus der EU erhoben, ein Vielfaches dessen, was in der Vor-Trump-Zeit galt. Für Stahl und Aluminium bleibt es bei den von Trump verhängten hohen Zöllen von 50 Prozent. Diese Abgaben haben für Trump eine hohe Symbolkraft, weil er die Stahlindustrie in den USA stärken und dort neue Jobs schaffen will.
3 Was hat von der Leyen Trump versprochen, damit er sich auf die Einigung eingelassen hat?
Die EU-Kommissionschefin hat Trump zugesagt, dass die EU in den USA in den kommenden Jahren 600 Milliarden Dollar investieren wird. Wer dieses Geld in den USA anlegen soll, ist offen. Denn die EU-Kommission selbst kann nicht tätig werden. Das gilt auch für einen weiteren Punkt, den von der Leyen versprochen hat: Sie hat zugesichert, dass die EU in den USA in den kommenden drei Jahren Nuklearprodukte und fossile Energieträger wie Flüssiggas (LNG) und Öl im Wert von jährlich 250 Milliarden Dollar kaufen wird, also insgesamt für 750 Milliarden Dollar bis zu den nächsten US-Präsidentschaftswahlen. Das wäre das Drei- bis Vierfache der bisherigen Energieimporte aus den USA.
Mit dem Handelsdeal regiere Donald Trump in die europäische Energiepolitik hinein, kritisiert die SPD-Bundestagsabgeordnete und Energieexpertin Nina Scheer. „Er verfolgt dabei nicht nur eine ausgeweitete Abhängigkeit von fossilen US-amerikanischen Ressourcen, sondern auch unsere Abkehr von erneuerbaren Energien, womit Folgelasten für nachfolgende Generationen deutlich verschärft werden“, sagt sie.
4 Importe fossiler Energieträger in gigantischen Mengen? Ist das mit den europäischen und deutschen Klimazielen zu vereinbaren?
Nein. Öl ist einer der größten Klimakiller, auch Flüssiggas ist enorm klimaschädlich. Zudem werden die vorgesehenen Mengen in der EU gar nicht gebraucht.
Als „höchst besorgniserregend“ bezeichnet Christoph Bals von der NGO Germanwatch die Vereinbarung zu den Energieträgerlieferungen aus den USA. „Das sind Mengen, die alle Klimaziele abschießen würden“, sagt er. Das Problem sind nicht nur die großen CO2-Emissionen, die mit dem Verbrauch von Flüssiggas und Öl verbunden wären. Mindestens so problematisch sind die Auswirkungen auf die langfristige Energieversorgung.
Deutschland will bis 2045 klimaneutral sein, die EU bis 2050. Das heißt, innerhalb der kommenden 20 Jahre muss der Ausstieg aus fossilen Energien gelingen. Wenn jetzt große Mengen LNG oder Öl in die europäischen Märkte gepresst werden, wird sich dieser Prozess verzögern. Denn die Infrastruktur für fossile Energie wird viel länger erhalten als ursprünglich vorgesehen, schlimmstenfalls werden Einrichtungen für fossile Energie sogar erweitert und der Ausbau der Erneuerbaren verlangsamt.
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Die gigantischen Mengen erzeugen auch neue Abhängigkeiten von den USA. Schon jetzt sind die Vereinigten Staaten Deutschlands LNG-Hauptlieferant. Die Lieferbeziehungen zu Ländern wie Norwegen gerieten unter Druck. Wie schwierig es ist, sich aus Energieabhängigkeiten zu befreien, hat Deutschland nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine erlebt. Dessen Folge war eine massive Energiepreiskrise, von der sich viele Unternehmen in Deutschland bis heute nicht erholt haben.
5 Wer soll all das Flüssiggas und Öl kaufen?
Das ist völlig unklar. Die EU-Kommission hat jedenfalls weder das Mandat noch das Geld für einen Kauf. Es ist Sache der Mitgliedsländer, wie sie ihre Energieversorgung gestalten. Die Kommission kann ihnen dazu keine Vorschriften machen.
6 Was sagen eigentlich die deutsche Politik und Wirtschaft dazu?
Wirklich gut findet den „Deal“ niemand. In der Regierung überwiegt Erleichterung, dass es überhaupt zu einer Verständigung gekommen ist. „Die deutsche Wirtschaft wird erheblichen Schaden nehmen durch diese Zölle“, sagt Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Aber er glaubt, es sei „das Beste, was zu erreichen war“.
Die Opposition hält nichts von der Einigung. Sie sei ein „fatales Signal“, sagt die Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion Katharina Dröge. Trump werde die Schwäche der EU als Einladung sehen zu eskalieren, fürchtet sie. Auch die Linkspartei sieht die Einigung als „herbe Niederlage“ für die EU. „Ursula von der Leyen wurde bei diesen Verhandlungen über den Tisch gezogen“, sagt die Linke-Vorsitzende Ines Schwerdtner.
In der deutschen Wirtschaft sind die Reaktionen unterschiedlich: Manche Wirtschaftsvertreter:innen finden das Ergebnis fatal, andere sind der Überzeugung, mehr wäre einfach nicht herauszuholen gewesen.
7 Und jetzt?
Das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten der EU können ihre Zustimmung verweigern. Aber das politische Problem würde damit nicht gelöst. Denn Donald Trump wird sicher nicht auf einmal gemachte Zugeständnisse verzichten. Andere Vorschläge reichen von Nachverhandlungen bis zu der bizarren Idee, nur so viel fossile Energien aus den USA abzunehmen, wie in der EU tatsächlich gebraucht werden – und für die Differenz zu den zugesagten Importmengen zu zahlen, aber das Öl und Flüssiggas nicht zu beziehen. Das wäre sehr teuer und zeigt die große Ratlosigkeit angesichts des „Deals“.
Langfristig können sich Deutschland und die EU nur gegen Trump wappnen, indem sie sich nicht erpressbar machen. Das geht nur, wenn Politik und Wirtschaft nach neuen Absatzmärkten jenseits der USA suchen und den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben, um in der Energieversorgung unabhängig zu werden.
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