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Antisemitismus-Experte über Rapper„Macklemore richtet sich pauschal gegen Israelis, gegen Juden“

Macklemore wird Antisemitismus vorgeworfen. Am Sonntag tritt er beim Deichbrand-Festival auf. Gerhard Wegner empfiehlt, rechtzeitig abzureisen.

Richtig schlimm wird es, wenn er zwischen den Songs Kommentare abgibt: Macklemore Foto: Jan Huebner/Imago
Alexander Diehl
Interview von Alexander Diehl

taz: Herr Wegner, freuen Sie sich schon auf das Deichbrand-Festival?

Gerhard Wegner: Also, im Prinzip ja! Ich finde, das Festival ist eine tolle Sache für viele junge Leute. Es hat eine lange, faszinierende Geschichte. Das finde ich großartig, und die, die sich da in der Organisation engagieren, machen das echt gut.

taz: Waren Sie da schon mal als Gast da, als ganz normaler Besucher?

Wegner: Ja, ganz früher mal, in jungen Jahren. Mittlerweile bin ich 71. Ich kann die Faszination von so etwas aber sehr gut verstehen.

taz: In diesem Jahr sind sie vor Ort als Teil einer „Beobachtungsgruppe“. Es geht um den Headliner des Festivals, den US-amerikanischen Rapper Macklemore. Warum braucht der Beobachtung?

Wegner: Er ist bekannt dafür, dass er sehr problematische Songs beiträgt, die viele als antisemitisch hören werden. Songs, die gegen Israel gerichtet sind, sehr einseitig und sehr heftig mit Gleichsetzungen von Israel und den Nazis. Das wird er wahrscheinlich auch jetzt beim Deichbrand machen. Aber das wissen wir noch nicht, wir wollen also sehen, was tatsächlich passiert. Weiter ist Macklemore dafür bekannt, dass er zu den Liedern auch noch Kommentare von sich gibt. Diese Kommentare sollen das Antisemitische noch mal weiter zuspitzen. Und dann wird es richtig schlimm.

Umstrittener Headliner

Seit Donnerstag findet an der Wurster Nordseeküste das 20. Deichbrand-Festival statt. Bis einschließlich Sonntag werden täglich rund 60.000 Be­su­che­r:in­nen erwartet, die rund 120 Acts erleben können.

Am diesjährigen Headliner haben sich Kritik und Empörung entzündet. Dem US-amerikanischen Rapper Macklemore wirft etwa der Zentralrat der Juden in Deutschland Antisemitismus vor. Grund ist unter anderem das Stück „Hind's Hall“ von 2024, in dem Macklemore die israelischen Militäraktionen seit dem Hamas-Massaker im Oktober 2023 kritisiert – dieses aber nicht etwa miterwähnt.

Bei einem Festival-Auftritt im schweizerischen Bern am Mittwoch spielte Macklemore auch „Hind's Hall“, kommentiert mit den Worten: „Zensieren lasse ich mich nicht!“ Nicht wiederholt hat er dort frühere Vergleiche der Lage in Gaza mit der in nationalsozialistischen KZ.

taz: Konkret Kritik ist erhoben worden wegen eines Stücks von Macklemore, „Hind’s Hall“ aus dem vergangenen Jahr: eine Positionierung in den so aktuell gewordenen Nahost-Debatten, eine Unterstützung der Protest-Camps an den US-Hochschulen. Ist Israel da nicht in gewissem Maße auch das Ersatzobjekt für die Empörung, Ersatz für eine vielleicht kompliziertere Kritik an der eigenen, also der US-Politik und beispielsweise Rüstungsexporten?

Wegner: Ja, das Feindbild insgesamt ist der Militärisch-Industrielle Komplex in den USA, wenn sie so wollen: der Kapitalismus. Da gibt es eine linke Kapitalismuskritik, die sich dann aber auch stark gegen Präsident Biden gerichtet hat. Bei Macklemore ist das sehr deutlich in einigen Songs, aber interessanterweise geht es nie ausdrücklich gegen Trump. Da gibt es einige Andeutungen, aber richtig klar äußert er sich nicht. Das finde ich schon seltsam und wenig glaubwürdig.

taz: Was von Macklemore auch überliefert ist, ist ein etwas mehr als zehn Jahre zurückliegender, halb öffentlicher Auftritt, bei dem er sich schon sehr eindeutig mit Versatzstücken des antisemitischen Repertoires maskiert hatte: mit Hakennase und schwarzen Locken. Wenn er nun, auch im Text des erwähnten Songs, den Unterschied zwischen Antizionismus und Antisemitismus betont: Ist das noch glaubwürdig vor dem Hintergrund so eines Vorfalls?

Wegner: Da laufen viele Dinge wild durcheinander. Man kann natürlich sagen: Ich bin gegen Antisemitismus, ich bin gegen Judenhass – aber ich bin auch dagegen, welche Politik Israel jetzt im Gazastreifen macht. Aber in seinen Texten wird diese Differenzierung eben nicht klar gemacht. Kein Satz zum Lebensrecht Israels. Macklemore richtet sich pauschal gegen Israel – und das geht dann faktisch eben auch gegen Juden allgemein. Dass auch die Hamas einen fürchterlichen Anteil hat an der Situation im Nahen Osten

taz: … und das ist sehr vorsichtig formuliert …

Wegner: … das kommt bei ihm überhaupt nicht vor. Ihm fehlt jede Form von Differenzierung, und das macht alles noch schwieriger.

taz: Grundsätzlich betrachtet und nicht als mitunter auch relativ durchsichtige Ausrede: Ist es aus Ihrer Sicht möglich, einen Antizionismus zu betreiben oder ihm anzuhängen, der nicht auch antisemitisch ist?

Wegner: Ich kann mir das nicht vorstellen. Das sind solche Feinheiten in der Differenzierung, das mag bei einigen Intellektuellen funktionieren. Aber nicht in der öffentlichen Wahrnehmung,

Bild: Moritz Frankenberg/dpa
Im Interview: Gerhard Wegner

71, ist ein deutscher Theologe und Sozialwissenschaftler. Seit Anfang 2023 Landesbeauftragter gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens in Niedersachsen.

taz: Was uns hier zusammenführt, ist ja auch eher kein Ort fürs Differenzierte, Feine: eine Festivalbühne, zehntausende in Wallung gebrachte Menschen, alkoholisiert und wer weiß was noch alles: Da regiert eher die Vergröberung, das Schwarz-Weiß, oder?

Wegner: Ja genau und das ist das Gefährliche. Und das prägt sich bei den Menschen ein.

taz: Die man vielleicht sogar gelassener betrachten könnte, wenn die Gesamtsituation eine andere wäre. Wie beurteilt denn der Landesbeauftragte die Lage jüdischer Menschen in Niedersachsen im Jahr 2025?

Wegner: Na ja, das sind ja bekannte Zahlen. Wir haben einen Anstieg der Zahl antisemitischer Vorfälle in Niedersachsen von 2023 auf 2024 um ungefähr 80 Prozent gehabt, das ist enorm, mehr als im Bundesdurchschnitt. Wir haben bei jüdischen Freunden, in den jüdischen Gemeinden mittlerweile geradezu traumatische Verhältnisse, was das Auftreten in der Öffentlichkeit angeht, das Tragen eines Davidsterns, der Kippa oder ähnliches. In dieser Situation heizt so ein Event, wie es nun in Cuxhaven ansteht, die Stimmung möglicherweise noch weiter an. Sodass Leute vom Festival nach Hause fahren und dann eine größere Bereitschaft haben, als vorher, sich antisemitisch zu betätigen. Das ist die Angst, die damit einhergeht, die auch ich verspüre. Dagegen müssen wir etwas machen. Dagegen hätte auch das Festival schon etwas machen müssen.

taz: Hat es aber nicht?

Wegner: Man kann verstehen, dass sie das vielleicht nicht mehr konnten, Macklemore war nun einmal eingeladen …

taz: … und das nicht unter ferner liefen im Programm, sondern als Höhepunkt …

Wegner: Jetzt müssen sie zusehen, dass nicht noch alles viel schlimmer wird. Die Veranstalter haben durchaus vieles von dem gemacht, was wir mit ihnen abgesprochen hatten. Zuletzt gab es noch eine Schulung in Sachen Antisemitismus durch die Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank. Auch deren Leiter Meron Mendel hat sich ja geäußert …

taz: … dahingehend, dass Macklemore eindeutig Antisemitisches vertrete, so ein Auftritt aber ausgehalten werden müsse in einer freien Gesellschaft.

Wegner: Sie haben sich gute Beratung geholt, das denke ich schon. Sie werden auch Macklemore vor seinem Auftritt entsprechend briefen, so ist es abgesprochen. Aber die Kritik bleibt. Das schadet Deichbrand leider – aber da müssen sie nun durch.

taz: Ist es Ihres Wissens schon vorgekommen, dass bei einem solchen oder einem vergleichbaren Event erkennbar jüdische Menschen vielleicht rückgemeldet haben: Da ist richtig Aggression von einer Bühne ins Publikum getragen worden, und von dem habe ich sie dann zu spüren bekommen? Oder ist das eher eine Sorge und ein natürlich möglichst weiträumig zu Vermeidendes?

Wegner: Ich kenne entsprechende Aussagen von Freunden, nicht jüdischen Freunden, im Kölner Raum. Da ist Macklemore auch mal aufgetreten, zwei, drei Jahre muss das her sein. Und da sollen seine Statements richtiggehend hetzend auf die anwesenden Fans gewirkt haben. Und diese Statements seien noch viel schärfer gewesen, als das, was in den Songs zum Ausdruck kommt. Das war auch mit ein Anlass, warum wir uns kritisch zu seinem Auftritt nun beim Deichbrand geäußert haben. Wären es nur die Lieder, wäre das noch nicht ganz so gefährlich. Aber die Leute dann auch anzusprechen auf diese Situation, anzusprechen gegen Israel, das ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer.

taz: Was raten Sie den Besuchern?

Wegner: Fahren Sie zum Festival! Das wird sicherlich großartig! Und dann reisen Sie am Sonntag gegen 22 Uhr, vor dem Auftritt von Macklemore, wieder ab!

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