piwik no script img

Tagebuch aus AserbaidschanFrei schreiben, um nicht mehr unfrei zu leben

Schon seit Jahren unterdrückt das Regime in Baku Presse- und Meinungsfreiheit. Jüngstes Opfer: der unabhängige Onlinedienst Abzas Media.

März 2024: Das Team von Abzas Media erhält in Prag den renommierten Homo-Homini-Preis Foto: Imago/CTK Photo

A m 1. Juli durchsuchten die aserbaidschanischen Behörden die Büroräume des staatlichen russischen Medienunternehmens Sputnik-Aserbaidschan in Baku. Mehrere Personen wurden verhaftet. Diese Maßnahme war eine Reaktion auf eine Razzia der russischen Strafverfolgungsbehörden in Jekaterinburg, bei der mehrere ethnische Aserbaidschaner verletzt wurden und zwei Tote zu beklagen waren.

Im Februar ordnete die aserbaidschanische Regierung die Schließung von Sputnik-Aserbaidschan an, erlaubte aber einem Journalisten, weiter im Land zu arbeiten. Allerdings wurden die gleichen Bedingungen bei der BBC, Voice of America und Bloomberg, die im selben Monat geschlossen wurden, nicht zugelassen.

Nun wollten die Behörden in Baku das Problem mit Sputnik lösen, indem sie das letzte Fenster schlossen. Doch die Einschränkung der Pressefreiheit ist nicht auf das russische Sputnik beschränkt. Seit langem sitzen kritische Journalisten im Gefängnis oder wurden ins Exil gezwungen. Der Staatsapparat kontrolliert die Medienlandschaft. Nach Angaben von „Reporter ohne Grenzen“ in ihrem jüngsten Jahresbericht sind derzeit 23 Journalisten und zwei weitere Medienmitarbeiter in Haft sind. Insgesamt wurden bis heute 582 Journalisten festgenommen und 19 getötet.

In der Haftanstalt in Baku, in der wir untergebracht sind, gibt es kein Belüftungssystem – weil es beim Bau Korruption gab.

Sevinj Abbasova, Chefredakteurin von Abzas Media

Seit dem 20. Juni sind neue Fälle hinzugekommen. An diesem Tag verhängte ein Gericht in Baku lange Haftstrafen gegen die Leitung und die Journalisten von Abzas Media. Als Grund werden schwere Straftaten angegeben. Abzas Media ist eine der letzten im Land tätigen unabhängigen aserbaidschanischen Nachrichten-Websites.

Wer stört, wird weggesperrt

Das Gericht verurteilte den Direktor von Abzas Media, Ulvi Hasanli, die Chefredakteurin, Sevinj Abbasova (Vagifgizi) und den Journalisten Hafiz Babala wegen gemeinschaftlich begangenen Devisenschmuggel und Geldwäsche zu neun Jahren Haft. Die Journalistinnen Nargiz Absalamova und Elnara Gasimova wurden zu acht Jahren, der Le und der Verlagsdirektor Magomed Kekalov zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Verhaftung der Journalisten und die Durchsuchung der Büros von Abzas Media war schon im November 2023 erfolgt.

Workshop der taz Panter Stiftung

Im Juli organisiert die taz Panter Stiftung einen Workshop mit Medienschaffenden und Ak­ti­vis­t*in­nen aus Aserbaidschan, aber auch aus Belarus und Russland. Durch diese Treffen und Austausch-Workshops stärken wir unabhängige Medien und die Pressefreiheit im Exil.

Wir laden Sie herzlich am 16. Juli zu einer Podiumsdiskussion „Wie Exil zur Kraftquelle wird“ in Berlin ein, die im und in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Theater stattfindet.

Wann: Mittwoch, 16. Juli, um 19 Uhr (Einlass 18:30 Uhr)

Wo: Deutsches Theater, Schumannstraße 13A, 10117 Berlin

Eintritt frei, um Anmeldung bei Pretix wird gebeten.

In einer Mitteilung an die Öffentlichkeit beschreibt Sevinj Abbasova, die schon ihren zweiten Geburtstag im Gefängnis verbringen musste, das Bild der Korruption im Lande: „In der Haftanstalt in Baku, in der wir untergebracht sind, gibt es kein Belüftungssystem – weil es beim Bau Korruption gab. Ebenfalls wegen der Korruption gibt es keine Kommunikationsleitung, um die Worte der Gefangenen zu übermitteln. Die Korruption schafft für die gesamte Gesellschaft eine Situation, die der eines Gefängnis' ähnelt. Sie raubt den Menschen die Luft und gibt ihnen zudem keine Möglichkeit, sich zu äußern. Wir wurden zu Haftstrafen verurteilt, weil wir die Korruption und ihre Folgen für die Gesellschaft aufgedeckt haben.“

Es sind die freien und unabhängigen Medien, die die Probleme im Land aufzeigen. Und genau das ist es, was Präsident Ilham Aliyev nicht gefällt. Er ist ein Diktator, der sich dazu entschieden hat, das Land ohne jede geäußerte Kritik und ohne freie Medien zu regieren – nur, um länger an der Macht zu bleiben. Bis heute ist ihm das gelungen.

Aytan Farhadova ist eine aserbaidschanische Journalistin, die im Exil in Georgien lebt. Sie schreibt unter anderem für die regionale Online-Plattform OC Media, und sie war Teilnehmerin eines Osteuropa-Workshops der taz Panter Stiftung.

Aus dem Russischen von Tigran Petrosyan.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!