Misstrauensvotum gegen EU-Kommission: In Brüssel wackelt die proeuropäische Mehrheit
Am Donnerstag muss sich EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen einem Misstrauensvotum im Parlament stellen. Sie muss um den Zusammenhalt ihrer Koalition bangen.
Seit ihrer Bestätigung im November 2024 stützt sich die EU-Kommission auf die Fraktionen der konservativen Europäischen Volkspartei EVP (einschließlich CDU/CSU), der Sozialdemokraten und der Liberalen. „Die Mitte hält“, hieß es damals in Straßburg. Doch nun scheint die proeuropäische Mehrheit zu wackeln – eine Aussprache geriet am Montag zu einer Generalabrechnung mit von der Leyen.
„Wer steht denn noch hinter Ihnen“, fragte die Chefin der Liberalen, die Französin Valérie Hayer. Die Debatte, die ein Misstrauensantrag des rumänischen Rechtspopulisten Gheorghe Piperea ausgelöst hatte, sei überfällig, so Hayer. Sie warf von der Leyen vor, mit dem Rückzug eines Gesetzes zu grünen Werbeversprechen („Green Claims“) die gemeinsame politische „Plattform“ zu verlassen.
Ähnliche Vorwürfe kommen von den Sozialdemokraten. „Wie lange wollen Sie noch wegschauen?“, fragte Fraktionschefin Iratxe Garcia. Die konservative EVP, der von der Leyen angehört, arbeite immer öfter mit Rechtspopulisten und Nationalisten zusammen, so der Vorwurf der spanischen Sozialistin. „Wenn Sie nicht bald umsteuern, werden wir den Widerstand gegen Sie anführen“, droht Garcia.
Von der Leyen zeigt keine Reue
Von einer „politischen Show der extremen Rechten“ sprach der Co-Fraktionschef der Grünen, Baas Eickhout. Auch er würzte seine Rede mit heftigen Angriffen auf von der Leyen und den Fraktionschef der Konservativen, Manfred Weber (CSU). „Sie füttern dieses Biest, und irgendwann wird dieses Biest Sie auffressen“, sagte Eickhout.
Von einem „unwürdigen Schauspiel“ sprach Martin Schirdewan, Co-Fraktionschef der Linken. Von der Leyen habe die Vertrauensabstimmung durch „maximale Intransparenz“ erst möglich gemacht. Dies gelte nicht nur für ihr Gebaren in der Coronakrise, sondern auch für die laufenden Handelsgespräche mit US-Präsident Donald Trump. Von der Leyen erklärte, sie habe sich nichts vorzuwerfen.
Die umstrittenen Corona-Impfstoffkäufe seien mit den EU-Staaten abgestimmt gewesen. Ihren Gegner aus dem rechten Lager warf von der Leyen vor, keine Antworten auf die Probleme zu haben. Es gebe genug Hinweise, dass extreme Kräfte von Feinden unterstützt würden, ob die Strippenzieher nun in Russland säßen oder anderswo, sagte sie.
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