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Merz-Regierung geht in die SommerpauseErschreckend flache Lernkurve

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Merz kündigte großspurig an, alles besser zu machen als die Ampel. Wirkliche Erfolge kann er bisher kaum vorweisen, und ist dazu noch wenig lernfähig.

Regierung in der Vertrauenskrise? Bundeskanzler Merz auf dem Weg zur Bundespressekonferenz in Berlin am 17. Juli Foto: Christian Mang/reuters

D ie Note „Zwei plus“ würde Markus Söder der Regierung auf dem Zwischenzeugnis geben. Nun war der bayerische CSU-Chef noch nie für Demut bekannt, aber dass er so danebenliegt? Die schwarz-rote Regierung hat sich wegen einer an sich unspektakulären Personalfrage – der Wahl von Rich­ter:in­nen für das Verfassungsgericht – in eine tiefe interne Vertrauenskrise manövriert, bedingt durch schwere handwerkliche Fehler der CDU-Führung und getrieben von einem Kulturkampf von ganz rechts, dem die Union nichts entgegenzusetzen hat außer der Forderung, dass sich auch die angefeindete Kandidatin und der Koalitionspartner SPD dem Sturm der Entrüstung beugen sollten. Die Union und Kanzler Friedrich Merz offenbaren eine erschreckend flache Lernkurve.

Merz hat die Wäh­le­r:in­nen im Wahlkampf durch großspurige Ankündigungen überzeugt, alles besser zu machen als die Ampel. Sein Plan fußte wohl vor allem auf der Annahme, einmal im Kanzleramt angekommen, ließe sich das Land mit zackigen Ansagen auf Vordermann bringen. Dieses Prinzip des Durchregierens funktionierte bereits im Vorfeld der Regierungsbildung nicht, als Merz sein Wahlversprechen brach, die Schuldenbremse schleifte und um die Zustimmung der Grünen betteln musste, die er per Sprachnachricht informieren zu können glaubte.

Bei der Migration hat Merz geliefert, aber damit kein wichtiges Problem gelöst

Auch bei der eigenen Wahl versagte das Top-down-Prinzip, zu viele Abgeordnete der Koalition verweigerten Merz im ersten Wahlgang ihre Stimme. Es scheint nicht so, dass Merz und Co daraus gelernt hätten, dass nicht mal die eigenen Leute par ordre du mufti zum Gehorsam gezwungen, sondern überzeugt werden wollen und es zudem gut ist, auch mit Grünen und Linken im Gespräch zu bleiben. Doch wenn es aktuell darum geht, einen Ausweg aus dem Richterwahldesaster zu finden, werden Letztere nicht einbezogen, erneut setzt man auf „Friss oder stirb“

Ein paar Dinge auf den Weg gebracht

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Für die Zukunft der Regierung, die ja noch am Anfang steht, lässt das nichts Gutes ahnen. Richtig, ein paar Dinge hat Schwarz-Rot auf den Weg gebracht: Milliardeninvestitionen in Infrastruktur und militärische Ertüchtigung, Superabschreibungen, eine Senkung der Energiekosten für Unternehmen. Doch über all das herrschte bereits Einigkeit, die Union hätte diese Punkte auch zu Ampelzeiten mit beschließen können.

Gut, in der Migrationspolitik hat zumindest die Union geliefert was sie versprochen hat: Grenzkontrollen, Zurückweisungen, Abschiebungen. Wobei sich wenig überraschend zeigt, dass diese „Erfolge“ kein einziges wirklich wichtiges Problem lösen, weder die Klimakrise noch die Überalterung der Gesellschaft, im Gegenteil. Und sie tragen auch nicht zum Erhalt der indus­triellen Basis und der Arbeitsplätze in Deutschland bei.

Die wirklich dicken Brocken liegen noch vor der Regierung. Merz hat angekündigt, dass seine Regierung erste Reformen der Sozialsysteme im Herbst angehen will. Die Interessenkonflikte zwischen Schwarz und Rot sind evident – und mit Bastapolitik nicht zu überbrücken.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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6 Kommentare

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  • Erschreckend finde ich vor allem, dass Herr Merz jenseits des altväterlich-patriarchischen Bastaprinzips aus dem (vor-)letzten Jahrhundert und Hetze gegen Migranten und Bürgergeldempfänger gar keine Ideen zu haben scheint, was er mit diesem Amt und diesem Land anfangen möchte.

  • Hat die taz nicht auch argumentiert, dass eine CDU/SPD Koalition wichtig ist, um den Aufstieg des Rechtsextremismus zu stoppen?

    Während ich schon damals gesagt habe, dass eine Regierung, die vor allem eine Politik macht, wie sie der CDU gefällt, noch schlimmer ist als die Ampel.

    Jetzt hat die AfD in 5 Monaten 5% zugelegt. unter der Ampel hat sie in 3 Jahren 10% zugelegt.

    Die AfD wird noch vor Ende des Jahres stärker als die CDU sein. Wenn nicht endlich eine radikale Änderung der Politik erfolgt.

    Wirksame Maßnahmen, um erheblich mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, um die Lebensmittel und Energie bezahlbarer zu machen, das Gesundheitssystem besser, den Klimaschutz sozial gerecht (d.h. ausschließlich bezahlt von den reichsten 10%) etc.



    Weder die Zurückweisungen an den Grenzen noch die Kürzung des Bürgergeldes werden das erreichen.

    Man darf da eben nicht auf die Partei AdD hören, sonder muss auf die Wähler hören.

  • "Wirklicher Erfolg" nach 70 Tagen als Kanzler und 3,5 Jahren Ampel-Chaos davor??!



    Die Kritik ist unfair und unbegründet!

  • Da Herr Merz ja so ein Fan der 90er ist:



    "große Klappe, nix dahinter!"

  • Wir erinnern uns: auf massives drängen der cdsU wurde der Plan der Ampel 60 MRD für Klimaschutzprojekte auszugeben gekippt. Wohingegen sich die Merzregierung mal eben 500 MRD Sondervermögen genehmigen läßt..

    Was hätte die Ampel alles mit diesem Geld bewirken können..







    Und nun erleben wir eine Regierung, die sich nicht an Absprachen hält..die Gelder aus dem Klimafonds in Fossile Projekte steckt, ihre Klientel mit "Geschenken" versorgt..und die "Schwachen" bluten läßt..die es nicht schafft trotz riesiger Geldmittel in Form neuer Schulden, die Stimmung zum besseren zu wenden.

    Eine Regierung die allem Anschein nach die wirklichen Probleme entweder nicht erkennt (besonders die Klimakatastrophe), oder nicht den Mut hat die strukturellen Fragen anzugehen.

    Normalerweise gibt man einer neuen Regierung 100 Tage Schonfrist..aber in diesem Fall ist schon jetzt unverkennbar, daß sie es nicht können..

    Eine Regierung die an der Realität vorbei operiert..und nicht dazu lernt, wird an der Realität scheitern.

    Fragt sich also nur noch: wird das ein (baldiges) Ende mit Schrecken..oder ein Schrecken (vorerst) ohne Ende..??

  • Merz ist wenig lernfähig. Potz Blitz, wer hätte das gedacht?