+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Massive Angriffe auf Kyjiw
23 Menschen sollen bei russischen Attacken auf Kyjiw verletzt worden sein. US-Präsident Trump bezeichnet das Telefonat mit Putin als „ernüchternd“.

Viele Verletzte nach russischen Angriffen auf Kyiw
Bei den massiven russischen Angriffen mit Drohnen und Raketen auf die ukrainische Hauptstadt Kyiw hat sich die Zahl der Verletzten nach Angaben von Bürgermeister Vitali Klitschko auf 23 erhöht. 14 Menschen mussten im Krankenhaus behandelt werden, wie Klitschko am Morgen in seinem Telegram-Kanal mitteilte.
Es gebe Schäden an Wohnhäusern, an Bildungs- und medizinischen Einrichtungen und Verkehrsinfrastruktur. Auch mehrere Autos seien getroffen worden. Wegen Schäden an Bahngleisen gebe es Verzögerungen im Zugverkehr, hieß es. Die ukrainischen Luftstreitkräfte meldeten seit Donnerstagabend 550 Angriffe mit Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern im ganzen Land. Die Flugabwehr zerstörte demnach 478 Ziele. Es gebe Einschläge an acht Stellen. Zudem seien vielerorts Trümmer abgeschossener Drohnen eingeschlagen. Die Hauptstadt Kyiw sei das Hauptziel der russischen Angriffe gewesen, hieß es.
In ihrem Abwehrkampf gegen den russischen Angriffskrieg griff die Ukraine das Nachbarland erneut mit Drohnen an. Im Gebiet Rostow starb dabei eine Rentnerin nach dem Einschlag einer Drohne in einem zweigeschossigen Wohnhaus, wie die Behörden mitteilten. Das Haus mit acht Wohnungen musste demnach evakuiert werden. Im Moskauer Gebiet in der Stadt Sergijew Possad gab es laut Behörden zwei Verletzte nach einem Drohnenangriff. Das russische Verteidigungsministerium meldete am Morgen, dass insgesamt 48 ukrainische Drohnen zerstört worden seien. (dpa)
BND: Russland verstärkt Einsatz von Chemiewaffen
Russland verstärkt nach Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes und von zwei niederländischen Geheimdiensten den Einsatz von Chemiewaffen in der Ukraine. „Der Einsatz von Tränengasen sowie Chlorpikrin durch russische Truppen ist nun zur Standardpraxis geworden und weit verbreitet“, teilten die Auslandsgeheimdienste mit. Russland verstoße damit gegen das Chemiewaffenabkommen, das auf ein weltweites Verbot solcher Waffen abzielt.
Chlorpikrin, auch Trichlornitromethan genannt, ist ein chemischer Kampfstoff aus der Gruppe der Lungenkampfstoffe. Im Ersten Weltkrieg wurde er auch unter der Bezeichnung Grünkreuz-1 eingesetzt. Grünkreuz deshalb, weil damals mit solchen Kampfstoffen gefüllte Granaten mit einem grünen Kreuz gekennzeichnet wurden. Chlorpikrin könne in hoher Konzentration in geschlossenen Räumen tödlich sein, hieß es weiter. Die Verwendung stelle einen ernsten Verstoß gegen das Chemiewaffenübereinkommen dar, das den Einsatz dieses Lungenkampfstoffs untersage, betonten die Geheimdienste. Auch der Einsatz von Tränengas verstößt gegen das Übereinkommen.
Nach Beobachtungen von BND, MIVD und AIVD unterstützt und fördert die russische Führung und deren radiologische, chemische und biologische Abwehrtruppe den verbotenen Einsatz aktiv. Es sei wahrscheinlich, dass dies weiterhin eine Bedrohung darstelle. Darüber hinaus investiere Russland stark in sein Chemiewaffenprogramm. Die Forschungen auf dem Gebiet würden ausgeweitet, neue Wissenschaftler rekrutiert. Der ukrainische Verteidigungsminister erklärte nach diesen Angaben, dass Russland in seinem Angriffskrieg bereits über 9.000 Mal chemische Wirkmittel gegen ukrainische Truppen eingesetzt habe. Laut der Ukraine könnten mindestens drei Todesfälle direkt auf die Wirkung der chemischen Waffen zurückgeführt werden.
Indirekt führt der Einsatz chemischer Waffen durch Russland zu wesentlich mehr Opfern, da chemische Waffen ukrainische Soldaten zwingen, ihre Deckung zu verlassen, woraufhin sie mit Munition beschossen und getötet werden. In einer Informationsveranstaltung für 35 Militärattachés in Kyiw Ende Mai wurde neben dem Einsatz von Tränengas erwähnt, dass die russische Armee bisher noch keine tödlichen chemischen Kampfstoffe eingesetzt habe. Zudem wurde demnach in der Unterweisung gesagt, dass die von Russland verwendeten Mittel zwar formell keine Chemiewaffen seien, der Einsatz im Krieg aber dennoch gegen die Genfer Konventionen verstoße.
Im Juni hatte die Ukraine die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) darüber informiert, dass man von Februar 2023 bis Juni 2025 gut 9.700 Fälle dokumentiert habe, in denen russische Truppen Munition mit gefährlichen chemischen Kampfstoffen als Kriegsmittel eingesetzt hätten. (dpa)
Trump telefoniert mit Russland: „Putin will nicht aufhören“
US-Präsident Donald Trump hat sich nach seinem jüngsten Telefonat mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin ernüchtert gezeigt. „Ich glaube nicht, dass er aufhören will, und das ist wirklich schlimm“, sagt Trump mit Blick auf die Aussicht auf eine Waffenruhe in der Ukraine. Er sei sehr enttäuscht von dem Gespräch mit Putin. Am Freitag sei nun eine Unterredung mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geplant, fügt Trump hinzu und bestätigt damit Berichte von Insidern.
Er habe in seinem Telefonat mit Putin sowohl über den Iran als auch über die Ukraine gesprochen. Die USA hätten die Waffenlieferungen in die Ukraine nicht vollständig gestoppt, so Trump weiter. Er beschuldigte seinen Vorgänger Joe Biden, zu viele Waffen geschickt und damit die US-Verteidigung geschwächt zu haben.
Kreml-Vertreter Juri Uschakow erklärte nach dem Telefonat, der russische Präsident habe bekräftigt, dass Moskau weiterhin auf eine Lösung der „eigentlichen Ursachen“ des Konflikts drängen werde. Die Staatsoberhäupter hätten während des fast einstündigen Gesprächs nicht über die Unterbrechung einiger US-Waffenlieferungen an Kyiw gesprochen. Russland sei zwar offen für weitere Gespräche mit den USA, Friedensverhandlungen müssten jedoch zwischen Moskau und Kyiw stattfinden, so Uschakow. (rtr)
Drohnenangriff nahe Moskau
Russland meldet einen ukrainischen Drohnenangriff auf die Großstadt Sergijew Possad rund 70 Kilometer nordöstlich von Moskau. Bei dem Angriff sei eine Person verletzt und die Strominfrastruktur beschädigt worden, teilen die Regionalbehörden mit. Es habe mindestens vier Explosionen gegeben und in weiten Teilen der Stadt sei der Strom ausgefallen.
Sergijew Possad gilt als wichtiges Zentrum der russisch-orthodoxen Kirche im Großraum Moskaus. Russlands Verteidigungsministerium teilt mit, dass in der Nacht 48 Drohnen aus der Ukraine über insgesamt fünf Regionen des Landes abgeschossen worden seien. (rtr)
Selenskyj drängt auf eine europäische Rüstungsindustrie
Vor dem Hintergrund eines Teilstopps US-amerikanischer Waffenlieferungen fordert der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die EU zur Stärkung der eigenen Rüstungsindustrie auf. „Wir müssen Europas eigene Verteidigungsindustrie aufbauen, damit Russland uns in keinem Bereich überlegen sein kann“, sagte der Staatschef in Aarhus. Waffenlieferungen für die Ukraine seien zusammen mit neuen scharfen Sanktionen gegen Russland entscheidend für die Sicherheit Europas.
Die Sanktionen seien so zu gestalten, dass Moskau nichts mehr erhalte, was für die Waffenherstellung verwendet werden kann, sagte Selenskyj. (dpa)
Tote durch russischen Beschuss im Donezker Gebiet
Im ostukrainischen Gebiet Donezk sind durch russische Angriffe am Donnerstag mindestens fünf Menschen getötet worden. Weitere zwölf wurden verletzt, teilte der Militärgouverneur des Gebiets, Wadym Filaschkin mit. Zwei Männer seien dabei in der frontnahen Stadt Pokrowsk getötet worden, drei weitere in den Dörfern Bilyzke und Illiniwka. Filaschkin forderte die verbliebenen Bewohner der Region erneut auf, in sichere Gebiete zu fliehen. (dpa)
Gouverneur von Luhansk: Befreiung in Vorbereitung
Nach der Rückeroberung von Gebieten im Nordosten der Ukraine im Zuge einer großangelegten Gegenoffensive hofft der Gouverneur der östlichen Donbass-Region Luhansk auch dort auf die Befreiung von der russischen Besatzung. Ukrainische Truppen bereiteten sich darauf vor, die Region zurückzuerobern, sagte Serhij Hajdaj am Mittwoch der Nachrichtenagentur AP.
Der Großteil der Region im industriellen Kernland der Ukraine ist seit Juli unter russischer Kontrolle. Sie grenzt an die Region Charkiw, in der die ukrainischen Truppen zuletzt die größten Geländegewinne verzeichneten. Hajdaj sagte, ukrainische Guerilla-Truppen hätten in den Städten Swatowe und Starobilsk ukrainische Flaggen gehisst. In einer anderen Stadt, in der die ukrainische Flagge gehisst worden sei, Kreminna, seien die Russen am Mittwoch zurückgekehrt, „rissen die (ukrainischen) Flaggen herunter und zeigten demonstrativ, dass sie da sind“, sagte der Gouverneur.
Ein Militärführer der prorussischen Separatisten in der Region, der Miliz-Offizier Andrej Marotschko, sagte im russischen Fernsehen, die Situation sei „schwierig“. „An einigen Orten hat sich die Kontaktlinie den Grenzen der Volksrepublik Luhansk angenähert“, sagte er unter Bezugnahme auf das Gebiet, das die Separatisten vor acht Jahren als unabhängigen Staat deklariert hatten. (ap)
Ukrainischer Präsident besucht befreite Stadt Isjum
Wolodymyr Selenskyj hat die Stadt Isjum besucht, aus der die russischen Truppen kürzlich vertrieben wurden. Er begrüßte die ukrainischen Soldaten und dankte ihnen für die Rückeroberung des Gebiets, während die ukrainische Flagge vor dem ausgebrannten Gebäude des Rathauses gehisst wurde.
Der Anblick der Zerstörung sei schockierend, überrasche ihn aber nicht, sagte der Präsident. Die gleichen Bilder habe man aus Butscha und anderen Gebieten gesehen, aus denen die russischen Soldaten abzogen. „Die gleichen zerstörten Gebäude, getöteten Menschen.“ Die russischen Soldaten zogen in der vergangenen Woche aus Isjum ab, als das ukrainische Militär in einer Gegenoffensive vorrückte und innerhalb weniger Tage weite Teile der Region Charkiw zurückeroberte. Ein Großteil der Stadt ist verwüstet. (ap)
Ukraine will Russland mit Flyern zur Aufgabe bewegen
Bei ihrer Großoffensive gegen die russischen Angreifer versucht die Ukraine nach Angaben der stellvertretenden Verteidigungsministerin auch, russische Soldaten kampflos zur Aufgabe zu bewegen. Dazu würden noch vor dem Eintreffen der ukrainischen Streitkräfte mit Flyern gefüllte Geschosse gestartet, sagte Hanna Maljar. „Russen nutzen euch als Kanonenfutter. Euer Leben bedeutet ihnen nichts. Ihr braucht diesen Krieg nicht. Ergebt euch den Streitkräften der Ukraine“, heißt es auf den Schriftstücken. (ap)
Bürgermeister: Russen flüchten aus Melitopol auf die Krim
Nach dem großflächigen Abzug aus der Region Charkiw im Nordosten sollen russische Soldaten nach ukrainischen Angaben auch die Großstadt Melitopol im Süden der Ukraine verlassen haben. Die Russen versuchten, die Halbinsel Krim zu erreichen, schrieb der einstige ukrainische Bürgermeister Iwan Fedorow auf Telegram. Belege legte er keine vor und unabhängig waren seine Angaben zunächst nicht zu überprüfen. Er berichte von Kolonnen an Militärfahrzeugen, die durch den Grenzort Tschonhar auf die Krim gefahren seien.
Melitopol ist die zweitgrößte Stadt in der Region Saporischschja, in der auch das gleichnamige Atomkraftwerk liegt, und ist seit Anfang März von den Russen besetzt. Eine Eroberung Melitopols würde es der Ukraine ermöglichen, einen Keil zwischen die russisch besetzten Gebiete im Süden und im Donbass im Osten zu treiben. (ap)
Berichte über russische Gräueltaten nach Abzug aus Charkiw
Nach dem Rückzug russischer Truppen aus der Region Charkiw werden ihnen neue Gräueltaten in den bisher besetzten Gebieten vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft in Charkiw teilte mit, in der Ortschaft Salisnytschne seien vier Leichen mit Folterspuren entdeckt worden. Ein Sprecher des ukrainischen Generalstabs, Oleksandr Schtupun, warf den russischen Soldaten Hunderte Kriegsverbrechen in Gebieten vor, die sie zuvor kontrolliert hatten. In den befreiten Städten und Dörfern sei die Gefahr für die einrückenden Soldaten und Bewohner durch Minenfelder nach wie vor sehr groß. Auf einer Fläche von 70.000 Quadratkilometern lägen Munition und nicht explodierte Sprengkörper verstreut, sagte Schtupun. „Die Truppen ergreifen Maßnahmen, um den befreiten Gemeinden ein friedliches Leben zurückzubringen.“ (ap)
IAEA-Bericht zeigt russische Truppenpräsenz in AKW auf
Wolodymyr Selenskyj hat den Bericht von Fachleuten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zur Lage am russisch besetzten Atomkraftwerk Saporischschja begrüßt. Der Report zeige deutlich die Präsenz von russischen Truppen und Militärausrüstung auf dem Gelände der Anlage auf, sagte Selenskyj. Zugleich rief er die IAEA auf, sich ausdrücklich Kyiws Forderung nach einem russischen Rückzug vom Atomkraftwerk und dessen Umgebung anzuschließen.
Zu dem Appell im IAEA-Report, eine Schutzzone rund um die Anlage einzurichten, sagte Selenskyj, sein Land müsse sich die Details des Vorschlags erst einmal näher ansehen. Hinter diese Idee könnte sich die Ukraine stellen, wenn eine solche Zone die Demilitarisierung der Anlage vorsehe. In New York bezeichnete Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja den IAEA-Vorschlag für eine Schutzzone als „nicht seriös“. „Die Ukrainer würden sofort da reingehen und die ganze Sache ruinieren“, sagte Nebensja. Russland verteidige und schütze das Kraftwerk. Im Übrigen sei es nicht militarisiert, Ausrüstung gebe es in der Anlage nicht. Später ergänzte Nebensja, dass auch Russland die Einzelheiten zum IAEA-Vorschlag für die Einrichtung von Schutzzonen prüfen wolle.
Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig vor, das Gelände der Anlage Saporischschja zu beschießen. Über das größte Kernkraftwerk Europas hatten russische Angriffstruppen Anfang März die Kontrolle übernommen, also bald nach ihrer Invasion der Ukraine am 24. Februar. Techniker aus der Ukraine erhalten den Betrieb des Kernkraftwerks aufrecht. Ein Team um IAEA-Chef Rafael Grossi konnte die Anlage kürzlich über mehrere Tage hinweg inspizieren. (ap)
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