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Nach Blackout in Spanien und PortugalÜberspannung ließ Strom ausfallen

Ende April brach die Stromversorgung in Spanien und Portugal völlig zusammen. Nun liegt der Untersuchungsbericht zu den Ursachen vor.

Ohne Strom ließen sich auch die elektrischen Türen der Müllschlucker nicht öffnen Foto: Miguel Oses/AP/dpa

Madrid taz | 49 Tage nach dem massiven Stromausfall auf der Iberischen Halbinsel hat die spanische Vizeregierungschefin und Ministerin für den Ökologischen Umbau, Sara Aagesen, den Bericht der nach dem Blackout eingerichteten Untersuchungskommission vorgelegt. Dieser beschreibt, was an jenem 28. April um die Mittagszeit geschah, als in wenigen Sekunden die gesamte Stromversorgung in Spanien und Portugal zusammenbrach. Aagesen sprach von einem „multifaktoriellem“ Blackout.

Der Vorfall habe mit einem Spannungsanstieg begonnen. Diese Spannungsschwankungen kamen aus dem europäischen Netz. Das führte zu einer Reihe von Kraftwerksabschaltungen vor allem im Süden und in der Mitte Spaniens. Diese seien in einigen Fällen, so Aagesen, „unzulässig“ gewesen und hätten die Spannung zusätzlich ansteigen lassen. Einen im ersten Moment von vielen vermuteten Cyberangriff schließt der Bericht aus.

Aagesen warf auf einer Pressekonferenz nach der allwöchentlichen Kabinettssitzung dem Netzbetreiber REE vor, die Stromproduktion an jenem Tag nicht mit der „nötigen Vorsicht“ geplant zu haben. REE habe nicht genügend Anlagen in den Mix eingeplant, die – anders als etwa Sonne und Wind – die Netzschwankungen abfedern können. Das können vor allem Wasserkraft- und Gaskraftwerke, da sie den Strom per Turbine erzeugen und deshalb schnell reagieren können.

Zum Zeitpunkt des Ausfalls kamen 58 Prozent des Stroms aus Photovoltaikanlagen, 13 Prozent aus Windparks. Die vier von insgesamt sieben AKW, die gerade am Netz waren, lieferten 13 Prozent. Nur die restlichen 16 Prozent stammten aus Wasser- und Gaskraftwerken, die eine schnelle Regelung der Netzspannung zulassen.

Auch mit erneuerbaren Energien lässt sich die Netzspannung regeln. Allerdings sind dazu hohe Investitionen nötig, die in Spanien – und auch im Großteil des restlichen Europas – in dieser Form nicht getätigt wurden. Neben Kondensatoren zur Netzsynchronisierung oder speziellen Wechselrichtern können auch große Batterien eingesetzt werden.

Bericht sieht Nachholbedarf

„Es fehlte an Kapazitäten zur Spannungsregelung, entweder weil die Anlagen nicht ausreichend eingeplant waren oder weil die eingeplanten Anlagen die geforderten Standards nicht ausreichend erfüllten, oder eine Kombination aus beidem“, erklärte Aagesen. Als die Spannung stieg, hätten einige der Kraftwerke, die eben für die Spannungsregelung am Netz waren und vergütet wurden, nicht gearbeitet, wie es eigentlich vorgesehen war. Aagesen sprach von mangelnder Koordination, unklaren Zuständigkeiten und fehlender Transparenz im Gesamtsystem.

Von den zehn Kraftwerken, die von REE zur Gewährleistung der Netzsynchronisierung vorgesehen waren, habe keines die Anforderungen voll erfüllt, erklärte Aagesen. Einige Betreiber hätten sich ganz klar „unsachgemäß verhalten“, fügte die Ministerin hinzu. Ein Kraftwerk hatte bereits am Vortag angekündigt, nicht zur Verfügung zu stehen. REE programmierte um, aber schaltete keinen Ersatz zu.

Aagesen sprach von „unzureichender Bedarfsplanung“. Gemäß den Zuständigkeiten des Stromsystems ist die Bedarfsprognose ein Schlüsselfaktor, für den Netzbetreiber REE zuständig ist. Welche Stromerzeuger sich falsch verhalten haben sollen, wurde zunächst nicht veröffentlicht. Vermutlich betrifft dies die Großen der Branche – Iberdrola, Endesa, Naturgy und EDP – denn es sind sie, die über Wasser- und Gaskraftwerke verfügen.

Die Untersuchungskommission spricht eine Reihe von Empfehlungen aus, um die Stromversorgung in Spanien stabiler zu machen. Es brauche mehr Kontrolle, damit alle Beteiligten ihre Aufgaben erfüllen. Außerdem empfiehlt die Kommission Investitionen, um die Spannungsregelung und den Schutz gegen Netzschwankungen zu verbessern. Asynchrone Anlagen – also Sonne und Wind – müssten in diese Aufgabe einbezogen werden. Auch in Batterien müsse investiert werden.

Der Bericht verlangt auch eine bessere Vernetzung mit Europa, das heißt vor allem mit Frankreich. Spanien beklagt seit Jahrzehnten eine viel zu schwache Anbindung ans Nachbarland. Die Iberische Halbinsel ist in Sachen Strom weitgehend auf sich selbst gestellt.

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6 Kommentare

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  • "Das führte zu einer Reihe von Kraftwerksabschaltungen vor allem im Süden und in der Mitte Spaniens. Diese seien in einigen Fällen, so Aagesen, „unzulässig“ gewesen und hätten die Spannung zusätzlich ansteigen lassen."

    Das verstehe ich technisch nicht. Wenn es Kraftwerksabschaltungen gab, hätte die Spannung doch sinken müssen oder nicht? Oder geht es darum, dass Abschaltungen die SCHWANKUNGEN verstärkt haben? Oder ist es ganz anders?

  • Also praktisch höhere Gewalt, nicht wahr ?

    Ich sag ihnen was: Die Öffentlichkeit wird nie erfahren wir es wirklich dazu kam. Dann käme ja raus wer da Bockmist gebaut hat.

    Und es wäre wohl größter Grund zur Sogen wenn tatsächlich diese kleine "Fehlplanung" diesen riesigen Ausfall verursacht hätte ...

  • Eigentlich ist der Netzbetrieb ganz einfach, wenn es nicht so kompliziert wäre. Es gibt eine Leistungsfrequenzregelung ,d.h. Wird mehr Leistung eingespeist als benötigt, dann steigt die Frequenz , aber auch die Netzspannung. Gegenmaßnahme, weniger einspeisen ins Netz, aber wer reduziert die Einspeisung d.h. Drosselt die Strom-Produktion freiwillig? Die Photovoltaik Anlagen und die Windparks haben per Gesetz einen Vorrang und garantierte Abnahme. Konventionelle Kraftwerke werden dann quasi im Leerlauf betrieben oder abgeschaltet. Damit hat man zwar eine ausgeglichene Bilanz bei der Wirkleistung aber nicht bei ungeliebten „Bruder“ der Blindleistung. Und diese Bilanz war auf der iberischen Halbinsel gestört. Das elektrische System ist komplex und damit kompliziert,

    .

  • Kein Wasserkraftwerk, kein Gaskraftwerk kann Netzschwankungen so schnell ausregeln wie ein PV-Kraftwerk in Spanien an einem Frühsommer-Mittag.



    Man muss sie nur lassen!



    Die vorhandene Netzführung ist schlicht antiquiert, einfach zu dumm.

    In diesem Kontext sollte, ja muss auch diskutiert werden, was die vorhandene Netzinfrastruktur - Leitungen, Transformatoren, Schaltfelder - tatsächlich von der Physik her kann und was es durch antiquierte Regelungstechnik darf.



    Nicht nur in Spanien, sondern auch und vor allem in Deutschland!



    Mit der Energiewende verdienen die Netzbetreiber und die Betreiber der fossilen Kraftwerke eine Menge Geld. Ja, genau die! Dieses Geschäft lässt man sich doch nicht vermiesen...

  • "Der Bericht verlangt auch eine bessere Vernetzung mit Europa, das heißt vor allem, mit Frankreich. Spanien beklagt seit Jahrzehnten eine viel zu schwache Anbindung ans Nachbarland. Die Iberische Halbinsel ist in Sachen Strom weitgehend auf sich selbst gestellt." Vielleicht wollen die Franzosen auch keine stärkere Anbindung der iberischen Halbinsel mit ihren starken Spannungsschwankungen, aus Angst um ihr eigenes Netz.

  • Wasserkraftanlagen Gaskraftwerke und auch Atomkraftwerke tragen zur Spannungsstabilisierung bei weil die Rotoren der Turbinen durch ihre Massenträgheit sehr kurzfristig Strom aufnehmen (oder abgeben) können ohne dass Regeleingriffe notwendig sind. Das System stabilisiert sich selbst sozusagen. Gas- und Wasserkraftwerke können dann auch kurzfristig die Leistung steigern. Das ist bei Solar- und Windkraftanlagen natürlich nicht möglich, diese antworten nur auf Veränderungen der Sonneneinstrahlung bzw des Windes. Wenn die rotierenden Massen der Turbinen von Gas-, Wasser- und Atomkrafwerken fehlen, ist das Netz empfindlicher und black-outs werden wahrscheinlicher. Das war natürlich komplett vorhersagbar und wurde so auch so vorhergesagt.



    Die Empfehlungen der Kommission laufen eigentlich auf eins hinaus: Die Kosten der erneuerbaren Energien steigen deutlich an je höher der erneurbare Anteil am Strommix wird. Daran sollte man auch in D denken.