Teilweiser Schuldspruch für P. Diddy: Eine Verurteilung ist noch kein Sieg
Der Rapper P. Diddy wurde in zwei Anklagepunkten schuldig gesprochen – und in drei weiteren, den schwersten, nicht. Die Metoo-Ära könnte zuende gehen.
S eine Unterstützer reiben sich mit Babyöl ein, feiern und tanzen. Es sind absurde Szenen vor dem New Yorker Gerichtsgebäude, als das Urteil im P.-Diddy-Prozess verkündet wird. Was die schwerwiegendsten Vorwürfe angeht, wurde der 55-jährige Rapper, der eigentlich Sean Combs heißt, am Mittwoch freigesprochen. Auch Combs feierte im Gerichtssaal, fiel auf die Knie, bedankte sich bei den Geschworenen und weinte mit seiner Familie, als vorgelesen wurde, dass er nur in zwei der fünf Anklagepunkte für schuldig befunden wurde.
Das Urteil kann nur eines bedeuten: eine Niederlage für alle Opfer von sexueller Gewalt. Denn die Milde, mit der das Urteil ausfiel, deutet nach den ebenso recht erfolglosen Prozessen gegen Weinstein, Rammstein, Depardieu oder Boateng darauf hin, dass ein Ende der MeToo-Ära jetzt endgültig eingeläutet ist.
Für die beiden Fälle des Transports zur Prostitution drohen ihm zwar je 10, also bis zu 20 Jahren im Gefängnis. Auch der Bitte seiner Anwälte, ihn sofort freizulassen, wurde vom Richter nicht stattgegeben.
In den drei härtesten Anklagepunkten, dem Menschenhandel in zwei Fällen und der Verschwörung zur organisierten Kriminalität, wurde er jedoch nicht verurteilt. Combs hat damit das bestmögliche Urteil erhalten.
Nein, es geht nicht darum, mit maximaler Härte zu bestrafen. Dennoch ist das Ergebnis des P.-Diddy-Prozesses enttäuschend. Weil es etwas offenbart, das weit über diesen Einzelfall hinausgeht: Frauen wird noch zu selten geglaubt und es bleibt erschreckend schwer, Täter für ihr Handeln zur Rechenschaft zu ziehen – ein schlimmes Signal an Opfer von sexualisierter Gewalt, die in der Regel weit weniger Beweise vorlegen können als die Betroffenen im Fall P. Diddy.
Drogen, Gewalt und Babyöl
Es hat 13 Stunden gedauert, bis die Geschworenen zu ihrem Urteil gekommen sind. Sieben Wochen lang wurde zuvor in New York verhandelt, 34 Zeug_innen verhört. Darunter auch die 38-jährige Cassie Ventura, Combs Ex-Freundin und Hauptzeugin im Prozess. Die Anklage hatte Diddy vorgeworfen, Ventura während ihrer zehn Jahre andauernden Beziehung durch Manipulation, Drogen oder organisierte Gewalt zum Sex genötigt zu haben. Die Sexpartys nannte er „freak offs“ – oft Tage dauernde Sexmarathons mit Prostituierten, Ecstasy, Ketamin, GHB und literweise Babyöl. In seinem Anwesen wurden über 1.000 Flaschen davon gefunden, heute scheint es ein Zeichen des Widerstandes für seine Anhänger zu sein, sich damit zu übergießen.
Sie feiern. Er feiert. Denn die Anklage konnte die Geschworenen nicht davon überzeugt, dass Ventura oder „Jane“, eine weitere Ex-Freundin Combs, die unter Pseudonym aussagte, oft nicht aus freiem Willen an den „freak offs“ teilnahmen. Stattdessen glaubten sie Combs, dem Mann.
Manche sehen in dem Urteil dennoch einen Sieg: Denn Sean Combs ist jetzt ein zweifach verurteilter Straftäter. Das ist mehr, als man vorher behaupten konnte und wäre ohne Ventura, die die Ermittlungen gegen ihn 2023 durch eine Klage wegen sexueller Nötigung und Körperverletzung überhaupt erst ins Rollen brachte, nicht möglich gewesen. Was jedoch bringt dieser Erfolg, wenn ein Präsident im Oval Office sitzt, der nicht nur selbst ein verurteilter Sexualstraftäter ist, sondern bereits im Mai angekündigt hat, den Rapper möglicherweise zu begnadigen?
Wieder: Es geht nicht nur darum, ihn mit Knast zu bestrafen. Sondern auch darum, dass seiner vollständigen öffentlichen Rehabilitation im Grunde nichts im Wege steht. Dass der mächtigste Mann der Welt ein Misogyn ist, beweist das. Oder dass Diddys Kollege, der Frauenschläger Chris Brown, gerade eine ausverkaufte Stadiontour spielt.
Combs Anwälte wollten in ihrem Schlussplädoyer aus Cassie Ventura die Siegerin des Prozesses machen. Denn sie säße, so die Anwälte, nun mit 30 Millionen Dollar (20 Millionen zahlte Combs, um die Klage noch am Tag der Einreichung beizulegen, 10 Millionen bekam sie vom Besitzer des Hotels, in dem Combs sie vor laufenden Kameras brutal verprügelte) irgendwo auf der Welt. Er dagegen säße im Gefängnis. Es sei ein Gemetzel. Doch ihre eigene Erzählung glauben sie offenbar selbst nicht mehr, als sie später jubelnd und sich umarmend im Gerichtssaal stehen.
Jeder Versuch, in diesem Prozess einen Sieg für die Opfer zu sehen, scheitert daran, dass eine Bestrafung kein Sieg ist, wenn der Täter und die Gesellschaft nichts daraus lernt. Solange Frauen weiterhin nicht geglaubt wird, kann von einem Sieg keine Rede sein.
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