Gesetz gegen Einschüchterungsklagen: Pranger wirkt besser
Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) hat einen Gesetzentwurf gegen sogenannte Slapp-Klagen vorgelegt. Viel erwarten sollte man nicht davon.

J ustizministerin Stefanie Hubig (SPD) hat einen Gesetzentwurf gegen Einschüchterungsklagen vorgelegt. International spricht man von „Slapp-Klagen“ – Strategic Lawsuits against Public Participation. Der Gesetzentwurf will Journalisten und NGOs vor der Einschüchterung durch zivilrechtliche Klagen, etwa auf Schadenersatz, schützen. Klagen, die unbegründet und missbräuchlich sind, sollen schneller entschieden werden (das ist gut) und zu einer kleinen Extragebühr führen (das ist bloße Symbolik).
Ministerin Hubig hat sich das nicht ausgedacht. Es gibt vielmehr eine EU-Richtlinie, die sie umsetzen muss. Allerdings gilt die EU-Richtlinie nur für grenzüberschreitende Fälle. Dass Hubig den Anwendungsbereich auf inner-deutsche Fälle erweitert, ist konsequent – wenn schon, denn schon.
Viel erwarten sollte man von dem Gesetz aber nicht. Denn es wird kaum Anwendungsfälle geben. Wann ist eine Klage, bei der es um die Abwägung von Persönlichkeitsrechten und Meinungsfreiheit geht, schon offensichtlich unbegründet? Es will ja auch niemand, dass ein Anti-Slapp-Gesetz rechten Hetzern gegen die Klagen ihrer Opfer nützt.
Die Hohenzollern machten es vor
Schon auf den bekanntesten deutschen Fall, bei dem die Hohenzollern mit über 120 Klagen gegen kritische Wissenschaftler und Journalisten vorgingen, passt das geplante Gesetz nicht. Denn die Hohenzollern erhoben keine „unbegründeten“ Klagen, sondern piesackten ihre Kritiker, indem sie kleinlichst gegen falsche Details in deren Berichten klagten. Auch vieles andere wird vom Gesetzentwurf nicht erfasst, etwa Abmahnungen, Social-Media-Löschanträge oder Strafanzeigen.

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Ein anderer bekannter Fall zeigt, dass man sich gegen Slapp-Kläger am effizientesten wehrt, in dem man sie öffentlich an den Pranger stellt. Vor einigen Jahren gingen Südtiroler Obstbauern juristisch gegen das Münchner Umweltinstitut wegen dessen Pestizid-Kritik vor. Doch das Institut gewann nicht nur den Prozess, sondern nutzte auch das öffentliche Interesse. Noch heute denken viele, wenn sie von Südtiroler Äpfeln hören, sofort an hohen Pestizideinsatz.
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