Mindestlohn für Erntehelfer: Bauernverband für weniger Lohn an Ausländer als Deutsche
Landwirte sollten ausländischen Saisonarbeitern nicht den normalen Mindestlohn zahlen müssen, verlangt der Bauernverband. Gewerkschafter protestieren.

„Wir stehen im europäischen Wettbewerb und unsere Konkurrenten haben jetzt schon deutlich geringere Kosten. Die Politik muss handeln“, forderte der Agrarlobbyist. Der deutsche Mindestlohn in der Landwirtschaft sei schon jetzt „annähernd doppelt so hoch“ als bei den wichtigsten Konkurrenten in Europa. Deutschland importiert Obst und Gemüse zum Beispiel aus Spanien und Italien. Der Anbau in Deutschland geht laut Rukwied zurück.
242.800 Menschen waren etwa von März 2022 bis Februar 2023 nur saisonal in der Landwirtschaft angestellt, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Sie ernten zum Beispiel Spargel, Erdbeeren oder Weintrauben und erledigen auch andere Tätigkeiten auf den Höfen. Die Arbeiter kommen überwiegend aus Osteuropa, sollen in der Regel den Mindestlohn in Höhe von 12,82 Euro erhalten und haben oft keine reguläre Sozialversicherung. Sie würden davon profitieren, wenn die Mindestlohnkommission aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern wie erwartet bis Ende Juni eine Erhöhung für die Jahre 2026 und 2027 beschließt. Laut dem schwarz-roten Koalitionsvertrag ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 „erreichbar“.
Joachim Rukwied, Bauernverband
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) wies Rukwieds Forderung zurück. „Unter diese äußerste untere Grenze sollte das Entgelt nicht fallen, damit die Menschen einigermaßen davon leben können“, sagte Harald Schaum, Vizechef der Organisation. Viele der Saisonarbeiter seien „an der Armutsgrenze“. Schon jetzt gebe es Ausnahmen für die Landwirtschaft, zum Beispiel bei der Sozialversicherungspflicht und der Einkommenssteuer. Außerdem könnten Höfe die täglichen Kosten für Unterkunft und Verpflegung direkt vom Lohn abziehen. „Und das wird weidlich ausgenutzt. In unseren jährlichen Monitorberichten sind das oftmals bis zu 50 Prozent des Lohns“, so Schaum. Trotz der vergangenen Mindestlohnerhöhungen sei in Deutschland zum Beispiel der Erdbeeranbau keinesfalls eingestellt worden, ergänzte ein Gewerkschaftssprecher.
Importanteil konstant
Tatsächlich ist Deutschlands Selbstversorgungsgrad zum Beispiel bei Obst in den vergangenen 10 Jahren kaum gesunken: In den 5 Jahren von 2019 bis 2023 produzierte Deutschland Zahlen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zufolge im Schnitt 20,40 Prozent des hierzulande verbrauchten Obstes, in den 5 Jahren davor 20,46 Prozent. Bei Gemüse war der Grad der Selbstversorgung mit rund 36 Prozent in beiden Zeiträumen ebenfalls fast konstant. Dass Deutschland nur so wenig Obst und Gemüse selbst produziert, liegt nicht nur an den Arbeitskosten, sondern zum Beispiel auch am Klima.
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